In einem mehrjährigen Forschungsprojekt wurde aus systemisch-konstruktivistischer Sicht der Themenbereiche Dysarthrien/Dysarthrophonien im Erwachsenenalter unter verschiedenen Fragestellungen betrachtet. Dabei sollte erforscht werden, welche Bedingungen für die Wahrnehmung, Interpretation und Bewältigung von Dysarthrophonien und ihren Grunderkrankungen als kritische Lebensereignisse aus Sicht der Betroffenen konstituierend sind. Menschen mit den Grunderkrankungen Chorea Huntington, Heredo Ataxie, Morbus Parkinson, Multipler Sklerose und Schlaganfall wurden dazu anhand semi-strukturierter Interviews befragt. Eine kriteriengeleitete qualitative Inhaltsanalyse diente als Auswertungs- und Interpretationsmethodik. Die Ergebnisse verdeutlichen, daß die sogenannte "Expertenwirklichkeit", zum Beispiel dokumentiert durch eine Bewertung der Verständlichkeit, oft nicht mit der Lebenswirklichkeit der Klienten übereinstimmt. Eine von Patient und Sprachtherapeut vorgenommene unterschiedliche Bewertung von dysarthrischen Symptomen gilt es in therapeutischen Prozessen zu berücksichtigen. Sprachtherapeutische Betreuung von Menschen mit Dysarthrie/Dysarthrophonie muß über eine medizinisch-linguistische Sichtweise hinausgehen und eine umfassende Unterstützung der individuellen Bewältigungsmöglichkeiten leisten.