Es waren stürmische Zeiten in Bayern vor genau 100 Jahren: König Ludwig III. floh mit seiner Familie vor den Revolutionären, die den Volksstaat ausgerufen hatten.
Dabei ging es fast slapstickartig zu: Auf die Fluchtautos mussten erst noch Reifen montiert werden, die Krönchen auf dem Kühler wurden
von Wildlederhandschuhen einer Prinzessin verdeckt.
Ein überaus filmreifes Szenario, das der Leser…mehrEs waren stürmische Zeiten in Bayern vor genau 100 Jahren: König Ludwig III. floh mit seiner Familie vor den Revolutionären, die den Volksstaat ausgerufen hatten.
Dabei ging es fast slapstickartig zu: Auf die Fluchtautos mussten erst noch Reifen montiert werden, die Krönchen auf dem Kühler wurden von Wildlederhandschuhen einer Prinzessin verdeckt.
Ein überaus filmreifes Szenario, das der Leser hier anhand von Tagebucheinträgen vor allem von Prinzessin Wiltrud, aber auch ihrer Schwestern Helmtrud und Hildegard sowie der Bediensteten Fanny Scheidl nachvollziehen darf.
Trotz der umfangreichen Recherche von Christiane Böhm, die unzählige Originalschriften im Wittelsbacher Hausarchiv sichten konnte, bin ich vom veröffentlichten Werk ein wenig enttäuscht. Zum einen hätte ich mir eine umfangreichere Einführung gewünscht, nicht jedem Leser sind die damaligen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Bayern ausreichend präsent, um die Notizen der Königstöchter entsprechend einordnen zu können. Zum anderen scheint mir die Auswahl der veröffentlichten Textpassagen nicht optimal, die Prinzessinnen neigen teils zu literarischen Längen, hier hätte man zugunsten des Leseflusses manches kürzen können. Die Aufzeichnungen Fanny Scheidls sind dagegen erfrischend knapp, sie kommt schnell und direkt auf den Punkt. (Leider finden sich nur wenige Texte von ihr im Buch.)
Eine wirkliche Bereicherung stellen die vielen historischen, teils bislang unpublizierten Fotos dar, die die Geschichte noch anschaulicher machen als allein der Text. Die Gestaltung des Büchleins ist hochwertig, mit viel Liebe zum Detail. Allerdings mindern zwei Landschaftskarten mit extrem schlechter Auflösung sowie eine sehr dunkle Abbildung den guten Gesamteindruck; hier ist auf eine verbesserte Neuauflage zu hoffen.
Einen weiteren Kritikpunkt stellen für mich die extrem häufigen Anmerkungen dar. Dies hemmt durch das permanente Hin- und Herblättern den Lesefluss doch sehr, da hilft auch das Lesebändchen nur bedingt. Zudem sind einige Anmerkungen banal, um nicht zu sagen: überflüssig. Und es gibt Anmerkungen, die wiederum auf das Personenverzeichnis weiterverweisen - noch mehr Blättern ...
Die Personenverzeichnisse an sich sind sehr gut. Ungewöhnlich aber sehr hilfreich fand ich, dass sich dort die jeweilige Altersangabe der Person im Herbst 1918 findet. So muss man nicht erst anfangen zu rechnen, sondern sieht gleich, wie alt die Protagonisten zum Zeitpunkt des Geschehens waren.
Mein Fazit: Für Geschichtsfans sicher ein Muss, für alle anderen ist die Perspektive aus Sicht der bayerischen Prinzessinnen auf die Revolution interessant, man sollte aber bereit sein, selbst einige Hintergrundinformationen zu recherchieren. Jedenfalls hat das Buch meine Neugierde auf den weiteren Lebensweg von Prinzessin Wiltrud geweckt, dafür danke ich!