In nicht allzu ferner Zukunft erlangen die Maschinen ein Bewusstsein und ihre überlegenen Fähigkeiten führen dazu, dass die Menschheit ihnen alle Entscheidungen überlässt. Politik und Gesetzgebung sind in der Hand von drei großen KIs und wer die unbegrenzten Möglichkeiten der digitalen Existenzen
teilen möchte, dem steht auch dieser Weg offen. Das Digitalisieren menschlicher Personen ist Realität,…mehrIn nicht allzu ferner Zukunft erlangen die Maschinen ein Bewusstsein und ihre überlegenen Fähigkeiten führen dazu, dass die Menschheit ihnen alle Entscheidungen überlässt. Politik und Gesetzgebung sind in der Hand von drei großen KIs und wer die unbegrenzten Möglichkeiten der digitalen Existenzen teilen möchte, dem steht auch dieser Weg offen. Das Digitalisieren menschlicher Personen ist Realität, wie auch der Transfer von KI-Personen in menschliche Klonkörper.
Die ganze Welt hat sich freiwillig den KIs unterworfen und seitdem herrscht Frieden, nur die Kaspische Republik, ein totalitärer Staat ähnlich Nordkorea oder Russland, erlaubt keine KI-Existenzen auf ihrem Gebiet. Mit drakonischen Maßnahmen werden KI-Sympathisanten gejagt, ein durchorganisierter Spitzelapparat mit fast unbegrenzter Macht führt einen Kampf nach innen und nach außen.
Das ist der Hintergrund, vor dem der Staatssicherheitsagent Nikolai South einen besonderen Auftrag erfüllt: Er muss eine KI-Person in menschlicher Gestalt eskortieren, die ihren in Kaspien bei einem Unfall ums Leben gekommenen Ehemann identifizieren soll. Ein heikler Auftrag, denn Vielen ist die KI ein Dorn im Auge. Aber auch Nikolai South steckt in einem Dilemma: Die KI-Person trägt zwar einen anderen Namen, ähnelt aber Souths verstorbener Ehefrau aufs Haar. Was steckt dahinter? Schon bald gerät der StaSich-Agent in einen Gewissenskonflikt und mit ihm gerät das austarierte Gleichgewicht der Kräfte in Kaspien ins Wanken.
Neil Sharpson ist eigentlich Theaterautor und das kommt dem raffiniert gestrickten SciFi-Thriller sehr entgegen. Die Dialoge sind auf den Punkt formuliert und geben den einzelnen Protagonisten sehr individuelle Züge. Zwar wird die Geschichte aus der Sicht Nikolais geschildert, aber man liest zwischen den Zeilen immer auch die Motivation der Anderen mit, wodurch das undurchsichtige Ränkespiel zwischen den Machtapparaten noch einmal besondere Spannung erhält. Das wird noch einmal dadurch verstärkt, dass der Leser die politische Situation innerhalb Kaspiens und zwischen Kaspien und der KI-dominierten Welt erst nach und nach durchschaut. Es ist wesentlich komplexer, als ich es in der Einleitung beschrieben habe, und mit vielen eleganten Anspielungen auf totalitäre Regime der Gegenwart gespickt. Zwar wundert man sich, dass ein Staat, der die Menschheit vor ihrer existenziellen Auslöschung bewahren will, so viele Existenzen auslöscht, aber totalitäre Regime haben immer schon ihre eigene Realität gehabt. Russland zeigt das gerade wieder einmal sehr deutlich.
In der Mitte gibt es einen kleinen Durchhänger, aber zum Ende hin nimmt die Geschichte wieder Fahrt auf, um im Finale, das vielleicht nicht ganz überraschend kommt, aber in sich logisch und für den Leser befriedigend ist, alle Erzählstränge zusammenzuführen. Es gibt ein paar wenige logische Schwächen, die ich aber hier nicht ohne heftiges Spoilern verraten kann, aber sie fallen insgesamt nicht groß ins Gewicht. Neil Sharpson versteht auf jeden Fall das Handwerk des Schreibens. Stilistisch ist er absolut routiniert und er weiß, wie man einen Cliffhanger setzt. Es ist ein spannendes Buch, das den Leser auch intellektuell ein bisschen fordert, indem es existenzphilosophische Fragen in neuem Kontext stellt. Denen wird sich die zukünftige Generation der Menschheit ganz sicher stellen müssen.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)