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Nach den ethnischen Unruhen im Mai 1969 verlässt Ai Lian, eine junge chinesische Malaysierin, ihre Heimat. In München lernt sie den Engländer Michael Templeton kennen, der, ebenfalls in Malaysia, auf der Kautschukplantage seines Vaters aufgewachsen ist. Sie verlieben sich und reisen zusammen durch Europa. Weihnachten 1973 wollen sie auf dem Anwesen von Michaels Vater verbringen. Bei ihrer Ankunft geschieht jedoch ein Mord, in dessen Aufklärung Ai Lian schnell verwickelt wird. Ein kunstvoll komponierter, unterhaltsamer Gesellschaftsroman, der vom heutigen Malaysia bis in die britische Kolonialzeit und japanische Besatzung zurückreicht.…mehr

Produktbeschreibung
Nach den ethnischen Unruhen im Mai 1969 verlässt Ai Lian, eine junge chinesische Malaysierin, ihre Heimat. In München lernt sie den Engländer Michael Templeton kennen, der, ebenfalls in Malaysia, auf der Kautschukplantage seines Vaters aufgewachsen ist. Sie verlieben sich und reisen zusammen durch Europa. Weihnachten 1973 wollen sie auf dem Anwesen von Michaels Vater verbringen. Bei ihrer Ankunft geschieht jedoch ein Mord, in dessen Aufklärung Ai Lian schnell verwickelt wird. Ein kunstvoll komponierter, unterhaltsamer Gesellschaftsroman, der vom heutigen Malaysia bis in die britische Kolonialzeit und japanische Besatzung zurückreicht.
Autorenporträt
geboren 1943 in Rembau, Negeri Sembilan, Malaysia, studierte in den 60er-Jahren englische Literatur an der Universität Malaya in Kuala Lumpur und in den 70er-Jahren deutsche Literatur an der Ludwig-Maximilian-Universität München. Sie war lange Jahre Unternehmensberaterin und promovierte 2008 an der Nationalen Universität Malaysia. Echoes of Silence (1994/2008) ist ihr erster Roman, und der erste von einer Malaysierin auf Englisch geschriebene Roman nach der Unabhängigkeit. Ihr zweiter Roman Days of Change (2010) stand auf der Longlist des Internationalen Dublin Literary Award.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.09.2022

Früher oder später ist jeder verdächtig

Auf der Flucht vor Rassenunruhen: Chuah Guat Eng führt mit "Echos der Stille" in die blutige Kolonialgeschichte Malaysias.

Ai Lians Tochter gehört zur Generation, die Dinge von der Stange kauft, um sie dann wegzuwerfen. Ihre Eltern unterdessen bewahren ihre wertvollsten Erinnerungen noch auf Papierfotos in einer Keksdose auf. Sie selbst steht irgendwo dazwischen, der Missing Link zwischen Vergangenheit und Zukunft, verzweifelt auf der Suche nach irgendeinem Narrativ, das ihrer Gegenwart einen Sinn verleiht.

Genau so ein Narrativ ist "Echos der Stille" und Ai Lian seine ausgesprochen kluge, selbstreflektierte Ich-Erzählerin. 1994 beschließt die gebürtige Malaysierin, englischsprachig aufgewachsene Nachkommin ethnischer Chinesen, ihrer inzwischen erwachsenen Tochter ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die sie zurückführt zur Kautschukplantage im malaysischen Distrikt Ulu Banir, wo sich 1974 der brutale Mord an einer jungen Frau ereignet; gerade als sie sie mit ihrem Verlobten besucht, dem Erben Michael Templeton.

Über Bande geht es weiter zurück: Ein aus Erinnerungen zusammengesetztes Manuskript dreht die Zeit rückwärts bis in die Vierzigerjahre zu einem zweiten Mord auf der Plantage, diesmal an der Ehefrau des damals noch jungen Plantagenbesitzers Jonathan Templeton. "Im März 1970 verließ ich Malaysia als direkte Reaktion auf die Rassenunruhen vom Mai 1969." Mit diesem Satz beginnt "Echos der Stille", 1994 von Chuah Guat Eng als erster englischsprachiger Roman einer malaysischen Autorin ursprünglich im Selbstverlag herausgebracht.

Nach den Wahlen 1969 brachen, am Ende des Buches hilfreich von Zeittafel und Glossar umrissen, blutige Unruhen in Kuala Lumpur aus, die sich gegen die Malaysier chinesischer Herkunft richteten und politische Reformen nach sich zogen: Fortan wurden die ethnischen Malaysier bevorzugt. Für die übrige Bevölkerung tat sich ein bis heute nicht gefülltes kulturelles Vakuum auf, eine Phase existenzieller Unsicherheit.

Die Figur der Ai Lian spiegelt, wie sich solche historischen Ereignisse auf individuelle Lebensläufe auswirken. 1970 lernt sie im Studium in München einen englischen Plantagenerben kennen und kehrt mit ihm wenige Jahre später als Gast in ihr Heimatland zurück. Ihr Blick auf die Morde in Ulu Banir ist der einer Außenseiterin, überdurchschnittlich gut informiert zwar, aber dennoch. Die gefühlte Objektivität weicht irgendwann Sympathien und latenten Abneigungen, eigenen Vorurteilen, aber auch diese Prozesse denkt Ai Lian mit, nicht ohne gelegentliche Kostproben ihrer zersetzenden Ironie: "Er warf mir einen Seitenblick zu", beobachtet sie einmal den greisen Jonathan, eine altehrwürdig-gütige Kolonialherrenfigur. "Als wolle er sagen: Wen kümmert es, was der Arzt sagt, wissen Sie nicht, dass in Ulu Banir jeder tut, was ich sage? Und dann verlor er das Bewusstsein und sank zu Boden."

Immer mehr löst sich Ai Lian aus ihrer anfänglichen Starre, versucht den Morden auf die Spur zu kommen, und währenddessen verändert sich auch die Beziehung zu ihrem Verlobten, der wie jede Figur in "Echos der Stille" früher oder später zum Kreis der Verdächtigen zählt. Zunächst sind es nur winzige Misstöne, die das Ungleichgewicht in ihrem Verhältnis andeuten, ein geschenkter Armreif, den sie trägt, obwohl er ihr Handgelenk schmerzt. Später spricht sie von Masken, die sie in seiner Gegenwart trägt, obwohl sie ihr vorn und hinten nicht passen. Chuah Guat Eng ist eine Meisterin darin, solche grundverschiedenen Lebensrealitäten in kräftigen Farben zu skizzieren: vom erwachenden kulturellen Bewusstsein einer gebildeten ExilMalaysierin bis zur Panik am Vorabend der japanischen Invasion der Malaiischen Halbinsel 1941. Dazwischen Reißschwenks auf das Leben einer Schweinehirtin, auf den inneren Konflikt eines kleinen Angestellten, der in der Loyalität gegenüber den weißen Arbeitgebern die Chance auf eine bessere Zukunft sieht und doch abgestoßen ist ob der Selbstverständlichkeit, mit der sie auf seinem angestammten Land das Sagen haben.

So setzt sich ein Mosaik (post)kolonialer malaysischer Sensibilitäten im zwanzigsten Jahrhundert zusammen, das vielleicht am ehesten mit Werner Herzogs Konzept der "ekstatischen Wahrheit" zu erfassen ist: einer tieferen Schicht von Wahrheit, die sich nicht nur an Fakten aufhält, die vielmehr durch Stilisierung, Erfindung erreicht wird. Zentraler als die Wahrheitssuche scheint der Autorin ohnehin: überhaupt Worte zu finden.

Das titelgebende Motiv der Stille zieht sich als roter Faden durch ihr Werk: Als Kontrapunkt zum musikalischen Klang, als psychosomatisches Trauma, als zwischenmenschliche Unfähigkeit zu kommunizieren ("Iss mehr und sprich weniger, sagte meine Mutter."), als Instrument staatlicher Kontrolle. Dass Ai Lian diese Stille bricht, indem sie ohne Not zwei Morde neu aufrollt, erfüllt für sie auch eine therapeutische Funktion. Der Krimiplot als Aufarbeitung, als, so nennt es eine von Chuah Guat Engs Figuren, "Wachstumshilfe" für künftige Generationen. KATRIN DOERKSEN

Chuah Guat Eng: "Echos der Stille". Roman.

Aus dem Englischen von Michael Kleeberg.

Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2022.

464 S., geb., 28,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Oberflächlich betrachtet schreibt Chuah Guat Eng in "Echos der Stille" von einer Wahrheitssuche, erklärt Rezensentin Sonia Hartl und konkretisiert: vom Versuch einer Frau, zwei lang zurückliegende Morde an den Partnerinnen eines Plantagenbesitzers aufzuklären - dem Vater ihres verstorbenen Geliebten. In (dieser) Wahrheit jedoch, erzählt die Autorin eigentlich davon, wie die Kolonialgeschichte ihrer Heimat Malaysia verwoben ist mit den Biografien ihrer Figuren - und zwar sowohl der Haupt- als auch der Nebenfiguren. So leidet die Spannung auch nicht unter der Tatsache, dass man als Leserin oder Leser des Rätsels Lösung schon lange vor dem Ende erahnen kann. Denn das eigentlich Fesselnde an dieser Geschichte, so die berührte Rezensentin, sind die vielen aparten, oft fein ironischen Lebensgeschichten und die eindrücklichen Szenen, durch die Chuah Guat Eng ihren Leserinnen und Lesern Malaysia und seine Geschichte näher bringt.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Kolossales Epos und Krimi enggeführt.« Krimibestenliste September, Deutschlandfunk Kultur »Chuah Guat Eng ist eine Meisterin darin, solche grundverschiedenen Lebensrealitäten in kräftigeren Farben zu skizzieren: vom erwachenden kulturellen Bewusstsein einer gebildeten Exil-Malaysierin bis zur Panik am Vorabend der japanischen Invasion der Malaiischen Halbinsel 1941.« Katrin Doerksen, Frankfurter Allgemeine Zeitung »Dieses Buch hat alle Zutaten zu einem echten Schmöker - neudeutsch, aber sehr treffend: Pageturner.« Ingeborg Salomon, Rhein-Neckar-Zeitung »Chuah Guat Eng zeigt hier, wie sich Geschichte auf individuelle Leben auswirkt. Das ist spannend, elegant und bisweilen auch ironisch erzählt und es ist vor allem eine hochinteressante Geschichte« Sonja Hartl, Deutschlandfunk Kultur »Chuah Guat Engs Werk ist zwar exotisch und komplex, jedoch hat sie einen hochspannenden Pageturner um eine dramatische Liebesgeschichte und zwei Morde geschaffen, der nicht mehr aus der Hand zu legen ist, bis die letzte Seite gelesen wurde« ekz