Bissig, ätzend und mit blasphemischem Witz - in Echos Knochen treibt der junge Beckett sein anspielungsreiches, selbstreflexiv ironisches Erzählen auf die Spitze.
Als Samuel Beckett 1933 den Erzählzyklus More Pricks than Kicks (Mehr Prügel als Flügel) einreichte, fand der Lektor das Manuskript etwas schmal, er bat um einen weiteren Beitrag, und Beckett schrieb Echo's Bones. Dafür holte er Belacqua, den Helden der bisherigen Geschichten, der bei einer Operation gestorben war, zurück. Der Lektor las den Text, er war ihm zu wild, und Beckett »vergrub« ihn. Erst 2014 ist die Erzählung publiziert worden: Beckett versetzte Belacqua in eine Unterwelt der Mythen und Gespenster und konfrontierte ihn mit den Ausgeburten seiner maßlosen Belesenheit. Es war sein letzter und radikalster Versuch, die explodierende innere Welt zu bändigen, bevor er sich in eine Psychoanalyse begab und die Wende hin zur französischen Sprache und zu Strenge und Kargheit vollzog.
»Belacqua ist ein Mensch, der, gestorben und begraben, wiederhergestellt für den Dschungel, ja wirklich für den Dschungel, restlos erschöpft und im Vollgefühl seiner Schwächen tagein, tagaus von Herzrasen geplagt, zigarrerauchend und nasebohrend und ganz schrecklich unter seinem Ausgesetztsein leidend auf dem Zaun hockt ...«
Als Samuel Beckett 1933 den Erzählzyklus More Pricks than Kicks (Mehr Prügel als Flügel) einreichte, fand der Lektor das Manuskript etwas schmal, er bat um einen weiteren Beitrag, und Beckett schrieb Echo's Bones. Dafür holte er Belacqua, den Helden der bisherigen Geschichten, der bei einer Operation gestorben war, zurück. Der Lektor las den Text, er war ihm zu wild, und Beckett »vergrub« ihn. Erst 2014 ist die Erzählung publiziert worden: Beckett versetzte Belacqua in eine Unterwelt der Mythen und Gespenster und konfrontierte ihn mit den Ausgeburten seiner maßlosen Belesenheit. Es war sein letzter und radikalster Versuch, die explodierende innere Welt zu bändigen, bevor er sich in eine Psychoanalyse begab und die Wende hin zur französischen Sprache und zu Strenge und Kargheit vollzog.
»Belacqua ist ein Mensch, der, gestorben und begraben, wiederhergestellt für den Dschungel, ja wirklich für den Dschungel, restlos erschöpft und im Vollgefühl seiner Schwächen tagein, tagaus von Herzrasen geplagt, zigarrerauchend und nasebohrend und ganz schrecklich unter seinem Ausgesetztsein leidend auf dem Zaun hockt ...«
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.2019Skelettchoreographie der virtuosen Art
Mit "Echos Knochen" erscheint eine frühe Erzählung von Samuel Beckett, die ihrer Zeit zu weit voraus war
Das Buch ist brandneu, erst am vergangenen Montag erschienen, und inhaltlich bietet es auch etwas bislang Unbekanntes, aber der Buchtitel "Echos Knochen" ist Lesern von Samuel Beckett vertraut. "Echo's Bones" hieß nämlich auch ein 1935 erschienener Gedichtband des irischen Schriftstellers, der damals in London lebte, bevor er zwei Jahre später endgültig nach Frankreich übersiedelte. Die Jahre zwischen seinem ersten Paris-Aufenthalt 1928 bis 1930, als der 1906 geborene Beckett sich im Kreis des dort lebenden James Joyce bewegte, und der Rückkehr in die französische Hauptstadt 1937 sind die Zeit einer dramatischen literarischen Entscheidung: der Lösung aus dem schweren Schatten von Joyce und aus der akademischen Karriere am Trinity College in Dublin zugunsten einer freien Existenz als Schriftsteller, der fortan vor allem in Kafka sein Vorbild sah. Und unter diesem Einfluss hatte Beckett im Herbst 1933 eine Erzählung geschrieben, die auch schon den Titel "Echo's Bones" trug, aber von seinem damaligen Verlag abgelehnt worden war und zu Lebzeiten des Autors unpubliziert blieb. Deren deutsche Übersetzung ist der Inhalt des jetzt erschienenen Buchs. Ein neuer Beckett, auch wenn der Text schon 86 Jahre alt ist.
Typoskripte zur Erzählung haben sich in zwei amerikanischen Universitätsbibliotheken erhalten, so dass 2014 die englische Erstveröffentlichung erfolgen konnte, damals herausgegeben von Mark Nixon. Seine Einführung und Kommentare sind auch in die deutsche Ausgabe eingeflossen - die Einführung ganz, die Kommentare zumindest teilweise, denn sie waren Ausgangsbasis für die Erläuterungen, die der deutsche Übersetzer Chris Hirte nebst einem Nachwort dem Buch beigegeben hat, das auf diese Weise bei einer reinen Erzählungslänge von sechzig Seiten auf den doppelten Umfang kommt.
Sechzig Seiten Beckett sind kein Pappenstiel, zumal nicht die von "Echos Knochen". Dass die Übertragung ins Deutsche fünf Jahre dauerte, lag allerdings vor allem daran, dass Hirte in derselben Zeit auch die Übersetzung der vierbändigen vieltausendseitigen Beckett-Briefausgabe des Suhrkamp Verlags besorgte und darüber nach Elmar Tophoven zur zweiten "deutschen Stimme" des Schriftstellers geworden ist. Gut, dass man ihm nun auch das Prosastück überlassen hat, und in seinem Nachwort kann man von Hirtes wachsender Begeisterung für "Echos Knochen" erfahren, die sich der langen Beschäftigung mit dem Text verdankt. Als Becketts Lektor und Freund Charles Prentice die Erzählung am 13. November 1933 ablehnte, hatte der gerade einmal ein Wochenende mit der Lektüre zugebracht und war ratlos: "Sie ist ein Albtraum . . . Es tut mir wirklich leid, und es ärgert mich, dass ich so begriffsstutzig bin, aber ich hoffe, ich bin nicht ganz und gar vernagelt. ,Echo's Bones' hat mich wahrlich getroffen wie ein Schlag auf den Kopf."
Was Prentice derart kalt erwischt hatte, war die Stimme einer künftigen Literatur. Einmal der von Beckett selbst, denn in "Echos Knochen" zeigen sich schon Strategien, Motive und Figurenkonstellationen, die nach dem Zweiten Weltkrieg seine epochemachenden Dramen und den Jahrhundertroman "Molloy" prägen würden. Es ist vor allem die an Kafka geschulte beckettsche Traumatmosphäre (Prentice wählte mit seiner Albtraum-Metapher also genau die richtige Kategorie) dieser Texte, die in der Erzählung von 1933 um anderthalb Jahrzehnte vorweggenommen wurde. Aber darin wird auch geradezu postmodern erzählt, indem sich Lektüreschicht auf Lektüreschicht häuft, als wären da schon Italo Calvino oder Thomas Pynchon am Werk - allerdings auf der Basis eines literarischen Kanons, der seine Wurzeln in theologischen und schwarzromantischen Schriften hat. Und - wie es sich für einen englischsprachigen Schriftsteller gehört - in Shakespeare.
Erzählt wird Folgendes: Belacqua Shuah, Alter Ego des Autors und Hauptfigur einer von Beckett mit seinem Verlag fest verabredeten Sammlung von Erzählungen, die schon im Sommer 1933 abgeliefert worden war, ist nach seinem Tod, der in einer dieser Erzählungen stattfand, bestattet worden, findet sich zu Beginn von "Echos Knochen" jedoch außerhalb des Grabs und wird nacheinander in Gespräche mit drei lebenden Protagonisten verwickelt: der Prostituierten Zaborovna Privet, dem unfruchtbaren Landadeligen Lord Gall of Wormwood und dem Leichenschänder Mick Doyle. Das Ganze findet dialogreich in äußerst kargen Szenerien statt, die die Regieanweisungen zu "Warten auf Godot" schon ahnen lassen, und natürlich ist die Unterhaltung Belacquas mit Mick die deutlichste - aber nicht einzige! - Reminiszenz an Shakespeare.
"Echos Knochen" ist ein Fest für Literaturliebhaber, weil Augustinus zitiert wird, Goethe und besonders intensiv Dante, dessen "Commedia" sich auch der Name von Belacqua verdankt. Im vierten Gesang findet er sich unter den Verdammten, und da man da noch ganz am Anfang des Abstiegs in die Hölle ist, ist die Sünde Belacquas nicht gravierend: Passivität. Darin erkannte sich der Beckett jener Jahre wieder, dessen erster Roman "Traum von mehr bis minder schönen Frauen" 1932 abgelehnt worden war, was den Schriftsteller in existentielle Zweifel stürzte, welchen Weg er beschreiten solle. Er hatte Prosa geschrieben, übersetzt, gedichtet, Philologie betrieben und war gereist, unter anderem 1932 auch nach Deutschland. Beckett plünderte den Roman für seinen Erzählungsband, kam sich also wenig kreativ vor - eine Lethargie, aus der ihn erst die Anfrage von Prentice, ob er nicht aus verkaufstaktischen Gründen noch eine längere Erzählung nachreichen könnte, riss. Mit "Echo's Bones" (der Titel ist eine Ovid-Anspielung) versuchte er etwas Neues, und als es auf Unverständnis stieß, spielte er zwar Prentice gegenüber den davon Unberührten, doch in anderen Briefen jener Wochen kommt die tiefe Enttäuschung über die Ablehnung zum Ausdruck.
Leicht zu lesen ist es nicht, was Beckett in der Erzählung treibt; mehrfache Lektüre sei empfohlen, viel Zeit kostet sie ja nicht. Dafür wird nicht nur die Dichte des Textes durchschaubarer, sondern auch die Fülle an Anspielungen immer größer, denn Beckett brachte auch Alltagseindrücke mit ins Geschehen, vor allem aus der Welt des Kinos. Nur ein Beispiel dafür: Auch wenn er Walt Disney in "Echos Knochen" als "Mark Disney" erwähnt, ist dessen Name im Kontext einer Friedhofsszene ganz am Platze, hatte der amerikanische Produzent doch 1929 mit seinem Kurztrickfilm "Skeleton Dance" weltweit Furore gemacht. Die überschäumende Phantasie dieser Knochenchoreographie ist wie eine Blaupause für den Stil von "Echos Knochen" - bis dahin, dass auch die Filmmusik bei Disney ein einziges Zitatgewitter ist.
So ist diese Beckett-Publikation kein Lückenfüller, sondern ein Eckstein der ästhetischen Entwicklung des späteren Literaturnobelpreisträgers. Aus dem persönlichen Tief der dreißiger Jahre befreiten ihn dann unfreiwillig erst der Krieg und die Zeit in der Résistance. Wenigstens den Titel "Echo's Bones" hatte er aber in ein Gedicht gerettet. Und wenn Beckett Hamm im "Endspiel" sagen lässt: "Das Ende ist am Anfang, und doch macht man weiter", klingt das wie ein später Reflex auf die Desillusionierungen als junger Schriftsteller.
ANDREAS PLATTHAUS
Samuel Beckett: "Echos Knochen".
Hrsg. und mit Einführung von Mark Nixon. Aus dem Englischen und Nachwort von Chris Hirte. Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 123 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit "Echos Knochen" erscheint eine frühe Erzählung von Samuel Beckett, die ihrer Zeit zu weit voraus war
Das Buch ist brandneu, erst am vergangenen Montag erschienen, und inhaltlich bietet es auch etwas bislang Unbekanntes, aber der Buchtitel "Echos Knochen" ist Lesern von Samuel Beckett vertraut. "Echo's Bones" hieß nämlich auch ein 1935 erschienener Gedichtband des irischen Schriftstellers, der damals in London lebte, bevor er zwei Jahre später endgültig nach Frankreich übersiedelte. Die Jahre zwischen seinem ersten Paris-Aufenthalt 1928 bis 1930, als der 1906 geborene Beckett sich im Kreis des dort lebenden James Joyce bewegte, und der Rückkehr in die französische Hauptstadt 1937 sind die Zeit einer dramatischen literarischen Entscheidung: der Lösung aus dem schweren Schatten von Joyce und aus der akademischen Karriere am Trinity College in Dublin zugunsten einer freien Existenz als Schriftsteller, der fortan vor allem in Kafka sein Vorbild sah. Und unter diesem Einfluss hatte Beckett im Herbst 1933 eine Erzählung geschrieben, die auch schon den Titel "Echo's Bones" trug, aber von seinem damaligen Verlag abgelehnt worden war und zu Lebzeiten des Autors unpubliziert blieb. Deren deutsche Übersetzung ist der Inhalt des jetzt erschienenen Buchs. Ein neuer Beckett, auch wenn der Text schon 86 Jahre alt ist.
Typoskripte zur Erzählung haben sich in zwei amerikanischen Universitätsbibliotheken erhalten, so dass 2014 die englische Erstveröffentlichung erfolgen konnte, damals herausgegeben von Mark Nixon. Seine Einführung und Kommentare sind auch in die deutsche Ausgabe eingeflossen - die Einführung ganz, die Kommentare zumindest teilweise, denn sie waren Ausgangsbasis für die Erläuterungen, die der deutsche Übersetzer Chris Hirte nebst einem Nachwort dem Buch beigegeben hat, das auf diese Weise bei einer reinen Erzählungslänge von sechzig Seiten auf den doppelten Umfang kommt.
Sechzig Seiten Beckett sind kein Pappenstiel, zumal nicht die von "Echos Knochen". Dass die Übertragung ins Deutsche fünf Jahre dauerte, lag allerdings vor allem daran, dass Hirte in derselben Zeit auch die Übersetzung der vierbändigen vieltausendseitigen Beckett-Briefausgabe des Suhrkamp Verlags besorgte und darüber nach Elmar Tophoven zur zweiten "deutschen Stimme" des Schriftstellers geworden ist. Gut, dass man ihm nun auch das Prosastück überlassen hat, und in seinem Nachwort kann man von Hirtes wachsender Begeisterung für "Echos Knochen" erfahren, die sich der langen Beschäftigung mit dem Text verdankt. Als Becketts Lektor und Freund Charles Prentice die Erzählung am 13. November 1933 ablehnte, hatte der gerade einmal ein Wochenende mit der Lektüre zugebracht und war ratlos: "Sie ist ein Albtraum . . . Es tut mir wirklich leid, und es ärgert mich, dass ich so begriffsstutzig bin, aber ich hoffe, ich bin nicht ganz und gar vernagelt. ,Echo's Bones' hat mich wahrlich getroffen wie ein Schlag auf den Kopf."
Was Prentice derart kalt erwischt hatte, war die Stimme einer künftigen Literatur. Einmal der von Beckett selbst, denn in "Echos Knochen" zeigen sich schon Strategien, Motive und Figurenkonstellationen, die nach dem Zweiten Weltkrieg seine epochemachenden Dramen und den Jahrhundertroman "Molloy" prägen würden. Es ist vor allem die an Kafka geschulte beckettsche Traumatmosphäre (Prentice wählte mit seiner Albtraum-Metapher also genau die richtige Kategorie) dieser Texte, die in der Erzählung von 1933 um anderthalb Jahrzehnte vorweggenommen wurde. Aber darin wird auch geradezu postmodern erzählt, indem sich Lektüreschicht auf Lektüreschicht häuft, als wären da schon Italo Calvino oder Thomas Pynchon am Werk - allerdings auf der Basis eines literarischen Kanons, der seine Wurzeln in theologischen und schwarzromantischen Schriften hat. Und - wie es sich für einen englischsprachigen Schriftsteller gehört - in Shakespeare.
Erzählt wird Folgendes: Belacqua Shuah, Alter Ego des Autors und Hauptfigur einer von Beckett mit seinem Verlag fest verabredeten Sammlung von Erzählungen, die schon im Sommer 1933 abgeliefert worden war, ist nach seinem Tod, der in einer dieser Erzählungen stattfand, bestattet worden, findet sich zu Beginn von "Echos Knochen" jedoch außerhalb des Grabs und wird nacheinander in Gespräche mit drei lebenden Protagonisten verwickelt: der Prostituierten Zaborovna Privet, dem unfruchtbaren Landadeligen Lord Gall of Wormwood und dem Leichenschänder Mick Doyle. Das Ganze findet dialogreich in äußerst kargen Szenerien statt, die die Regieanweisungen zu "Warten auf Godot" schon ahnen lassen, und natürlich ist die Unterhaltung Belacquas mit Mick die deutlichste - aber nicht einzige! - Reminiszenz an Shakespeare.
"Echos Knochen" ist ein Fest für Literaturliebhaber, weil Augustinus zitiert wird, Goethe und besonders intensiv Dante, dessen "Commedia" sich auch der Name von Belacqua verdankt. Im vierten Gesang findet er sich unter den Verdammten, und da man da noch ganz am Anfang des Abstiegs in die Hölle ist, ist die Sünde Belacquas nicht gravierend: Passivität. Darin erkannte sich der Beckett jener Jahre wieder, dessen erster Roman "Traum von mehr bis minder schönen Frauen" 1932 abgelehnt worden war, was den Schriftsteller in existentielle Zweifel stürzte, welchen Weg er beschreiten solle. Er hatte Prosa geschrieben, übersetzt, gedichtet, Philologie betrieben und war gereist, unter anderem 1932 auch nach Deutschland. Beckett plünderte den Roman für seinen Erzählungsband, kam sich also wenig kreativ vor - eine Lethargie, aus der ihn erst die Anfrage von Prentice, ob er nicht aus verkaufstaktischen Gründen noch eine längere Erzählung nachreichen könnte, riss. Mit "Echo's Bones" (der Titel ist eine Ovid-Anspielung) versuchte er etwas Neues, und als es auf Unverständnis stieß, spielte er zwar Prentice gegenüber den davon Unberührten, doch in anderen Briefen jener Wochen kommt die tiefe Enttäuschung über die Ablehnung zum Ausdruck.
Leicht zu lesen ist es nicht, was Beckett in der Erzählung treibt; mehrfache Lektüre sei empfohlen, viel Zeit kostet sie ja nicht. Dafür wird nicht nur die Dichte des Textes durchschaubarer, sondern auch die Fülle an Anspielungen immer größer, denn Beckett brachte auch Alltagseindrücke mit ins Geschehen, vor allem aus der Welt des Kinos. Nur ein Beispiel dafür: Auch wenn er Walt Disney in "Echos Knochen" als "Mark Disney" erwähnt, ist dessen Name im Kontext einer Friedhofsszene ganz am Platze, hatte der amerikanische Produzent doch 1929 mit seinem Kurztrickfilm "Skeleton Dance" weltweit Furore gemacht. Die überschäumende Phantasie dieser Knochenchoreographie ist wie eine Blaupause für den Stil von "Echos Knochen" - bis dahin, dass auch die Filmmusik bei Disney ein einziges Zitatgewitter ist.
So ist diese Beckett-Publikation kein Lückenfüller, sondern ein Eckstein der ästhetischen Entwicklung des späteren Literaturnobelpreisträgers. Aus dem persönlichen Tief der dreißiger Jahre befreiten ihn dann unfreiwillig erst der Krieg und die Zeit in der Résistance. Wenigstens den Titel "Echo's Bones" hatte er aber in ein Gedicht gerettet. Und wenn Beckett Hamm im "Endspiel" sagen lässt: "Das Ende ist am Anfang, und doch macht man weiter", klingt das wie ein später Reflex auf die Desillusionierungen als junger Schriftsteller.
ANDREAS PLATTHAUS
Samuel Beckett: "Echos Knochen".
Hrsg. und mit Einführung von Mark Nixon. Aus dem Englischen und Nachwort von Chris Hirte. Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 123 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Ein Juwel aus dem Nachlass des großen Samuel Beckett ... Der spätere Literatur-Nobelpreisträger findet in diesem frühen Geniestreich zu seinem einzigartigen Erzählstil - und beeindruckt mit seinem grimmigen Humor.« stern 20191223