In the wake of the financial crisis and the Great Recession, economics seems anything but a science. In this sharp, masterfully argued book, Dani Rodrik, a leading critic from within, takes a close look at economics to examine when it falls short and when it works, to give a surprisingly upbeat account of the discipline. Drawing on the history of the field and his deep experience as a practitioner, Rodrik argues that economics can be a powerful tool that improves the world-but only when economists abandon universal theories and focus on getting the context right. Economics Rules argues that the discipline's much-derided mathematical models are its true strength. Models are the tools that make economics a science. Too often, however, economists mistake a model for the model that applies everywhere and at all times. In six chapters that trace his discipline from Adam Smith to present-day work on globalization, Rodrik shows how diverse situations call for different models. Each model tells a partial story about how the world works. These stories offer wide-ranging, and sometimes contradictory, lessons-just as children's fables offer diverse morals. Whether the question concerns the rise of global inequality, the consequences of free trade, or the value of deficit spending, Rodrik explains how using the right models can deliver valuable new insights about social reality and public policy. Beyond the science, economics requires the craft to apply suitable models to the context. The 2008 collapse of Lehman Brothers challenged many economists' deepest assumptions about free markets. Rodrik reveals that economists' model toolkit is much richer than these free-market models. With pragmatic model selection, economists can develop successful antipoverty programs in Mexico, growth strategies in Africa, and intelligent remedies for domestic inequality. At once a forceful critique and defense of the discipline, Economics Rules charts a path toward a more humble but more effective science.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2015Kontext ist alles
Einblicke in die Welt moderner Ökonomen
Wer sich für ökonomische Fragen interessiert und in den kommenden Monaten nur ein Buch lesen will, sollte an diesem Werk nicht vorübergehen. Dani Rodrik beschreibt, wie moderne Ökonomen arbeiten, was sie leisten, was man von ihnen erwarten darf und wo sie sich überschätzen. Das Buch setzt mit seiner eigenen Profession auseinander und nimmt gleichzeitig Kritik von Außenstehenden auf. Rodrik, einer der wichtigsten Entwicklungsökonomen unserer Zeit, weiß, dass Ökonomen allenfalls Kritik aus der eigenen Zunft akzeptieren. In der härtesten Münze, die moderne Ökonomen akzeptieren - Publikationen in angesehenen Fachzeitschriften -, kann der in der Türkei geborene Harvard-Professor problemlos zahlen.
Rodriks grundlegende Thesen lauten: Es ist gut, dass Ökonomen üblicherweise mit Hilfe von Modellen, also abstrakten, meist mathematisch formulierten Konstruktionen, arbeiten: "Modelle sind sowohl die Stärke als auch die Achillesferse der Ökonomik. Sie machen aus der Ökonomik eine Wissenschaft." Ihre Kernbestandteile sind klar definierte Annahmen und Mechanismen, die menschliches Verhalten abbilden. Aber: Es existiert nach seiner Überzeugung nicht ein Modell, mit denen Ökonomen die ganze Welt erklären können, sondern es gibt eine wachsende Zahl verschiedener Modelle, und die Wahl des richtigen Modells für die Behandlung eines ökonomischen Themas ist vom Kontext abhängig: "Die Ökonomik ist eine Sozialwissenschaft, und Gesellschaften haben keine fundamentalen Gesetze - jedenfalls nicht auf die gleiche Weise wie Naturwissenschaften."
Ein simples Beispiel: Wer einen Markt mit vielen Anbietern und Nachfragern analysieren will, kann mit Hilfe traditioneller Analysen, bei der jeder Anbieter und Nachfrager sich nach seinen individuellen Präferenzen verhält, mehr Erkenntnisse gewinnen als auf den ersten Blick erkennbar. Strategisches Verhalten in Form von beispielsweise Kooperationen bringt hier jedoch nichts. Nun betrachten wir einen Markt, den sich zwei große Anbieter teilen. Hier nützt traditionelle Marktanalyse nichts, aber schon ein einfaches spieltheoretisches Modell wie das bekannte "Gefangenendilemma" verspricht Einsichten. Um Möglichkeiten und Grenzen von Modellen zu verdeutlichen, vergleicht Rodrik sie mit Fabeln: Sie sind (in der Regel) kurz und auf den Punkt gebracht. "Ein ökonomisches Modell erzählt immer eine Geschichte", sagt auch der bekannte Ökonom Hal Varian. Urteilskraft ist gefordert, um das jeweils geeignetste Modell heranzuziehen.
Außenseiter fragen: Entrückt die ausgiebige Verwendung von Mathematik die Modelle nicht der Realität? Nein, konstatiert Rodrik. Der Grund, warum Ökonomen Mathematik verwenden, werde meist missverstanden. Es gehe nicht um die Demonstration höheren Wissens: "Mathematik spielt im Wesentlichen zwei Rollen in der Ökonomik, die beide kein Ruhmesblatt sind: Erstens ermöglicht die Mathematik die klare und transparente Darstellung der Elemente eines Modells. Die zweite Tugend der Mathematik ist, dass sie die interne Konsistenz eines Modells garantiert - einfach ausgedrückt, dass die Resultate aus den Annahmen folgen." Verbale Darlegungen beinhalteten dagegen die Gefahr von logischen Fehlschlüssen oder die Auslassung wesentlicher Sachverhalte und kollabierten oft, wenn man sie mathematisch formuliere: "Ich sage meinen Studenten: Ökonomen benutzen Mathematik nicht, weil sie so schlau sind, sondern weil sie nicht schlau genug sind." Im Prinzip erforderten ökonomische Modelle keine Mathematik, und es sei nicht die Mathematik, die Modelle nützlich oder wissenschaftlich mache.
So wie Außenseiter die Rolle der Mathematik zu kritisch sähen, gäbe es am anderen Ende des Spektrums Ökonomen, die sich leider in die Mathematik verliebt hätten. Rodrik erinnert aber daran, dass wesentliche wirtschaftliche Anwendungen aus hochmathematischen und scheinbar abstrusen Modellen abgeleitet wurden. Er erwähnt unter anderem die mit Nobelpreisen ausgezeichnete Auktionstheorie.
Mit diesem Grundgerüst arbeitet sich Rodrik durch die Frage, wie Ökonomen Modelle bauen und wie Ökonomen die für konkrete Fragestellungen geeigneten Modelle wählen. Danach behandelt er den Zusammenhang von Modellen und Theorien. Anschließend setzt er sich mit typischen Fehlern von Ökonomen auseinander. Im abschließenden Kapitel bewertet er die Kritik von Außenstehenden an der modernen Wirtschaftslehre.
Hier greift er den gerade auch in Deutschland geäußerten Vorwurf auf, es fehle an einem Methodenpluralismus. Keine akademische Disziplin gestatte die Anwendung von Methoden, die sich zu weit von den verwendeten Praktiken unterschieden, stellt Rodrik klar: "Ein aufstrebender Ökonom muss klare Modelle formulieren und die dazu passenden statistischen Techniken anwenden können." Vor allem Empirie sei heute wichtig. Rodrik ist ein interner Kritiker, aber kein externer Revoluzzer.
Dies ist kein dickes, aber ein wichtiges Buch. Nicht, dass alles unumstritten wäre, was Rodrik schreibt - er zieht seit Jahren innerhalb seines Faches, in dem er häufiger als unorthodox wahrgenommen wird, auch Kritik auf sich. Aber es ist ein schönes Buch in seiner Komposition und in der Art, wie der Verfasser scheinbar komplizierte Zusammenhänge auch für interessierte Laien verständlich schildern kann. Rodrik stellt viele verschiedene Modelle vor, erklärt, warum alte Modelle nicht einfach vergessen werden, und bringt zahlreiche praktische wirtschaftspolitische Anwendungen, die aus scheinbar hochtheoretischen Konstrukten folgen. Mittendrin schreibt er auf wenigen Seiten eine konzise Dogmengeschichte.
Rodrik schildert die Anfälligkeit von Ökonomen für Ideologien und Moden und ihre Fehleinschätzungen, die ihnen gerade in Phasen von Selbstzufriedenheit unterlaufen. Auch Rodriks eigene Arbeiten sind offen für Zweifel und Widerspruch. Es handelt sich um eine Wissenschaft, die von nicht perfekten Menschen betrieben wird, die eine Welt beschreiben, deren Bevölkerung sich nicht wie ein Heer kalkulier- und steuerbarer Roboter verhält. Es ist eine sehr schöne Wissenschaft.
GERALD BRAUNBERGER
Dani Rodrik: Economics rules. W.W. Norton. New York 2015. 254 Seiten. 27,95 Dollar
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Einblicke in die Welt moderner Ökonomen
Wer sich für ökonomische Fragen interessiert und in den kommenden Monaten nur ein Buch lesen will, sollte an diesem Werk nicht vorübergehen. Dani Rodrik beschreibt, wie moderne Ökonomen arbeiten, was sie leisten, was man von ihnen erwarten darf und wo sie sich überschätzen. Das Buch setzt mit seiner eigenen Profession auseinander und nimmt gleichzeitig Kritik von Außenstehenden auf. Rodrik, einer der wichtigsten Entwicklungsökonomen unserer Zeit, weiß, dass Ökonomen allenfalls Kritik aus der eigenen Zunft akzeptieren. In der härtesten Münze, die moderne Ökonomen akzeptieren - Publikationen in angesehenen Fachzeitschriften -, kann der in der Türkei geborene Harvard-Professor problemlos zahlen.
Rodriks grundlegende Thesen lauten: Es ist gut, dass Ökonomen üblicherweise mit Hilfe von Modellen, also abstrakten, meist mathematisch formulierten Konstruktionen, arbeiten: "Modelle sind sowohl die Stärke als auch die Achillesferse der Ökonomik. Sie machen aus der Ökonomik eine Wissenschaft." Ihre Kernbestandteile sind klar definierte Annahmen und Mechanismen, die menschliches Verhalten abbilden. Aber: Es existiert nach seiner Überzeugung nicht ein Modell, mit denen Ökonomen die ganze Welt erklären können, sondern es gibt eine wachsende Zahl verschiedener Modelle, und die Wahl des richtigen Modells für die Behandlung eines ökonomischen Themas ist vom Kontext abhängig: "Die Ökonomik ist eine Sozialwissenschaft, und Gesellschaften haben keine fundamentalen Gesetze - jedenfalls nicht auf die gleiche Weise wie Naturwissenschaften."
Ein simples Beispiel: Wer einen Markt mit vielen Anbietern und Nachfragern analysieren will, kann mit Hilfe traditioneller Analysen, bei der jeder Anbieter und Nachfrager sich nach seinen individuellen Präferenzen verhält, mehr Erkenntnisse gewinnen als auf den ersten Blick erkennbar. Strategisches Verhalten in Form von beispielsweise Kooperationen bringt hier jedoch nichts. Nun betrachten wir einen Markt, den sich zwei große Anbieter teilen. Hier nützt traditionelle Marktanalyse nichts, aber schon ein einfaches spieltheoretisches Modell wie das bekannte "Gefangenendilemma" verspricht Einsichten. Um Möglichkeiten und Grenzen von Modellen zu verdeutlichen, vergleicht Rodrik sie mit Fabeln: Sie sind (in der Regel) kurz und auf den Punkt gebracht. "Ein ökonomisches Modell erzählt immer eine Geschichte", sagt auch der bekannte Ökonom Hal Varian. Urteilskraft ist gefordert, um das jeweils geeignetste Modell heranzuziehen.
Außenseiter fragen: Entrückt die ausgiebige Verwendung von Mathematik die Modelle nicht der Realität? Nein, konstatiert Rodrik. Der Grund, warum Ökonomen Mathematik verwenden, werde meist missverstanden. Es gehe nicht um die Demonstration höheren Wissens: "Mathematik spielt im Wesentlichen zwei Rollen in der Ökonomik, die beide kein Ruhmesblatt sind: Erstens ermöglicht die Mathematik die klare und transparente Darstellung der Elemente eines Modells. Die zweite Tugend der Mathematik ist, dass sie die interne Konsistenz eines Modells garantiert - einfach ausgedrückt, dass die Resultate aus den Annahmen folgen." Verbale Darlegungen beinhalteten dagegen die Gefahr von logischen Fehlschlüssen oder die Auslassung wesentlicher Sachverhalte und kollabierten oft, wenn man sie mathematisch formuliere: "Ich sage meinen Studenten: Ökonomen benutzen Mathematik nicht, weil sie so schlau sind, sondern weil sie nicht schlau genug sind." Im Prinzip erforderten ökonomische Modelle keine Mathematik, und es sei nicht die Mathematik, die Modelle nützlich oder wissenschaftlich mache.
So wie Außenseiter die Rolle der Mathematik zu kritisch sähen, gäbe es am anderen Ende des Spektrums Ökonomen, die sich leider in die Mathematik verliebt hätten. Rodrik erinnert aber daran, dass wesentliche wirtschaftliche Anwendungen aus hochmathematischen und scheinbar abstrusen Modellen abgeleitet wurden. Er erwähnt unter anderem die mit Nobelpreisen ausgezeichnete Auktionstheorie.
Mit diesem Grundgerüst arbeitet sich Rodrik durch die Frage, wie Ökonomen Modelle bauen und wie Ökonomen die für konkrete Fragestellungen geeigneten Modelle wählen. Danach behandelt er den Zusammenhang von Modellen und Theorien. Anschließend setzt er sich mit typischen Fehlern von Ökonomen auseinander. Im abschließenden Kapitel bewertet er die Kritik von Außenstehenden an der modernen Wirtschaftslehre.
Hier greift er den gerade auch in Deutschland geäußerten Vorwurf auf, es fehle an einem Methodenpluralismus. Keine akademische Disziplin gestatte die Anwendung von Methoden, die sich zu weit von den verwendeten Praktiken unterschieden, stellt Rodrik klar: "Ein aufstrebender Ökonom muss klare Modelle formulieren und die dazu passenden statistischen Techniken anwenden können." Vor allem Empirie sei heute wichtig. Rodrik ist ein interner Kritiker, aber kein externer Revoluzzer.
Dies ist kein dickes, aber ein wichtiges Buch. Nicht, dass alles unumstritten wäre, was Rodrik schreibt - er zieht seit Jahren innerhalb seines Faches, in dem er häufiger als unorthodox wahrgenommen wird, auch Kritik auf sich. Aber es ist ein schönes Buch in seiner Komposition und in der Art, wie der Verfasser scheinbar komplizierte Zusammenhänge auch für interessierte Laien verständlich schildern kann. Rodrik stellt viele verschiedene Modelle vor, erklärt, warum alte Modelle nicht einfach vergessen werden, und bringt zahlreiche praktische wirtschaftspolitische Anwendungen, die aus scheinbar hochtheoretischen Konstrukten folgen. Mittendrin schreibt er auf wenigen Seiten eine konzise Dogmengeschichte.
Rodrik schildert die Anfälligkeit von Ökonomen für Ideologien und Moden und ihre Fehleinschätzungen, die ihnen gerade in Phasen von Selbstzufriedenheit unterlaufen. Auch Rodriks eigene Arbeiten sind offen für Zweifel und Widerspruch. Es handelt sich um eine Wissenschaft, die von nicht perfekten Menschen betrieben wird, die eine Welt beschreiben, deren Bevölkerung sich nicht wie ein Heer kalkulier- und steuerbarer Roboter verhält. Es ist eine sehr schöne Wissenschaft.
GERALD BRAUNBERGER
Dani Rodrik: Economics rules. W.W. Norton. New York 2015. 254 Seiten. 27,95 Dollar
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