A Seattle Times Best Book of the Year In Seattle of 1962, Walter Cousins, a mild-mannered actuary takes a risk of his own and makes the biggest error of his life: He sleeps with Diane Burroughs, the sexy, not-quite-legal British au pair who's taking care of his children for the summer. When Diane becomes pregnant and leaves their baby on a doorstep, it sets in motion a tragedy of epic proportions. The orphaned child, adopted by an adoring family and named Edward Aaron King, grows up to become a billionaire Internet tycoon and an international celebrity-the "King of Search"-who unknowingly, but inexorably, hurtles through life toward a fate he may have no way of reversing. Sweeping, propulsive, and darkly humorous, Ed King re-imagines one of the world's greatest tragedies-Oedipus Rex-for our own era, bringing contemporary urgency to a tale that still has the power to shock and inform.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2012Wenn Ödipus in der Nähe von Seattle auf seinen Vater trifft
Technik ist der neue Gott: Nach seinem Welterfolg "Schnee, der auf Zedern fällt" wandelt David Guterson auf den Spuren von Homer: "Ed King" buchstabiert aus, wohin Königsein heute führt - in die Hände der Maschinen.
Zu Ödipus' Zeit war die Welt der Götter noch im Lot. Sie hatten Namen und Wesen und Ziele. Heute ist das anders, weshalb schon Max Frisch in "Homo faber" und andere, die sich dem antiken Stoff näherten, die Schwerpunkte etwas verschieben mussten. Immer wirkt bei all diesen literarischen Umsetzungen das kalte Schweigen der Macht gleich kühl. Wer nur, will man in dieses Schweigen hineinrufen, hat denn nun Schuld am Unglück dieses Mannes, der unwissentlich seinen eigenen Vater erschlägt, danach die eigene Mutter ehelicht?
Der bei Seattle lebende David Guterson, 1956 geboren, nimmt zur Antwort in seinem neuen Roman "Ed King" ein Kollektiv, die amerikanische Gesellschaft, scharf in den Blick. Dafür ist er seit seinem großen Erfolg "Schnee, der auf Zedern fällt" (1994) bekannt. Er stößt uns gleich zu Beginn in die Niederungen menschlicher Triebe, zu finden bei Familie Cousins. Dort ist soeben das Au-pair-Mädchen Diane eingezogen, weil die Mutter der Cousins wegen Depressionen in die Klinik musste. Walter, der Vater, ist sofort hingerissen. Die Liaison mit dem Mädchen hat Folgen und einen Namen: Ed King. Diane setzt den Neugeborenen auf den Stufen eines Bürgerhauses aus und lebt danach recht gut von der monatlichen Finanzspritze Walters. So nehmen die Dinge ihren Lauf. Ed wächst gut behütet neben einem jüngeren Bruder auf, ohne das Wissen, ein Adoptivkind zu sein. Beide sind mathematisch begabt, Ed außerdem ein Mädchenschwarm und Fan von Gewaltvideos. Dieser explosive, im frühen Medienzeitalter der siebziger Jahre plazierte Eigenschaftscocktail wird Ed zum Verhängnis, als er eines Tages unbeobachtet einen aggressiven Autofahrer maßregelt und so dessen Tod herbeiführt.
Der Tote ist Walter, Eds leiblicher Vater, und die Welt, in die Guterson seinen modernen Ödipus setzt, ein sich spiegelndes Gebilde aus trügerischen Verlockungen. Man trinkt Smoothies oder trifft auf Psychologen, die selbst dringend der Beratung bedürften. Oder man hat einfach geerbt. Diane, Eds leibliche Mutter, kann in diesen amerikanischen Traum sogar eine Weile einheiraten, mit viel List und dem Willen, den eigenen Körper durch diverse Schönheitsoperationen vor dem Verfall zu bewahren. Aber irgendwann kommt doch ihre dunkle Vergangenheit ans Licht, und die falschen Freunde stoßen sie aus dem Reichenclan aus. Manchmal, sehr selten, denkt sie noch an ihren Sohn und wie alt er wohl jetzt wäre. Dann wieder ist sie mit Überleben beschäftigt, als Hundeausführerin oder professionelle Lebensberaterin, mit nicht geringem Erfolg. Diane ist Gutersons spannendste Figur, eine wendige Ich-AG, immer sich den Gegebenheiten anschmiegend wie ein formloser, weicher Leib. Aber auch für sie gibt es kein Entrinnen aus den Fesseln dieser Ödipus-Geschichte.
Dass Ed King irgendwann in den Armen seiner Mutter Diane landen wird, ist ja nun zu erahnen. Es geht Guterson auch weniger um Spannung, mehr um Unterhaltung und die Anpassung des Ödipus-Stoffs an unsere Zeit. Und so wird der Roman zur Sozialsatire. Er ist auf Übertreibung angelegt, nicht aber auf große Lacher. Diane ist in diesem Dreieck ein sich ständig neu erfindendes Chamäleon und Walter der triebgesteuerte Totalversager, den selbst Frau und Kinder verachten. Auch Ed selbst glaubt an die falschen Götter. Guterson stellt seine Figuren aus wie willenlose Handlungsträger auf einem großen Schachbrett, geführt und gezogen von einer höheren Gewalt.
Aber der Autor - und das ist beim Lesen dann doch ein kleines Problem - weiß zu viel und erzählt streckenweise fließbandmäßig und mit verhaltenem Enthusiasmus, als wäre er selbst gelangweilt, alles das aufzuzählen, was erklärt, warum einer so wird, wie er wird, nämlich Mörder und Inzestpartner. Und es braucht viel Verpackung, um plausibel zu machen, warum hier andere Bedingungen walten als in der Antike. Guterson beschreibt die Figuren durch das, was sie tun, in ihrem blinden Aktivismus. Halten sie doch einmal inne, ist ihnen die Welt schal und hohl, und die Einsamkeit muss schnell vertrieben werden. Technik heißt der neue Gott, dem Ed huldigt, denn Walter hat ihm wenigstens seine Begabung für Zahlen vererbt. Und so startet Ed King, als eine Art Double von Steve Jobs, dem Apple-Gründer, sein gigantisches Unternehmen mit vielsagendem Namen "Pythia" in der elterlichen Garage. Seine Hybris bleibt keine kurzfristige Angelegenheit der Pubertät, sondern lebensprägend. Mit achtzehn will er die Welt verändern. Nach einem Studium in Stanford reitet er schon bald auf den Wogen des Erfolgs: als Entwickler gigantischer Suchmaschinen und König der Firmenübernahmen. Der nachfolgende tiefe Fall ist da eine geradezu natürliche Konsequenz.
Die Welt von heute, wie Guterson sie beschreibt, hat nur gottgleiche Moderatoren für jede Lebenslage, sogar für den bevorstehenden Inzest, angezeigt durch einen Perspektivwechsel: Der Erzähler spricht uns direkt an, erst die Männer, dann die Frauen. Er stellt leger die Gewissensfrage. Und ja - wie stehen wir nun dazu? Wie fühlen wir uns? Dass der Autor für die folgende Szene von einer kleinen amerikanischen Zeitschrift den Bad Sex Award verliehen bekommen hat, ist höchstens die kuriose Randnote einer dennoch klaren Botschaft: Nichts ist hier mehr heilig. Selbst das Schuldlos-schuldig-Werden ist eine derartig gängige Angelegenheit, dass sie im Roman - statt des antiken Chors - lapidar auf Twitter durchgearbeitet wird, freilich ohne abschließendes Urteil: Viele Stimmen, viele Meinungen. Die Orakel unserer Zeit sind gut gefütterte Computer mit Namen "Cybil", Eds Liebling, mit dem er viel Zeit verbringt - und der ihm schließlich verrät, dass er und sein Bruder ein anderes Genom haben, so dass er sich überhaupt erst auf die Spurensuche begibt. Guterson buchstabiert aus, wohin Königsein heute führt: in die Hände der Maschinen. Das alles liest sich nett, kann aber nicht mehr erschrecken - und soll es wohl auch nicht.
Die Schuldfrage reicht Guterson damit an den Leser weiter. Der wird den amerikanischen Traum richten, in dessen Namen dies alles geschieht.
ANJA HIRSCH
David Guterson: "Ed King". Roman.
Aus dem Englischen von Georg Deggerich. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2012. 383 S., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Technik ist der neue Gott: Nach seinem Welterfolg "Schnee, der auf Zedern fällt" wandelt David Guterson auf den Spuren von Homer: "Ed King" buchstabiert aus, wohin Königsein heute führt - in die Hände der Maschinen.
Zu Ödipus' Zeit war die Welt der Götter noch im Lot. Sie hatten Namen und Wesen und Ziele. Heute ist das anders, weshalb schon Max Frisch in "Homo faber" und andere, die sich dem antiken Stoff näherten, die Schwerpunkte etwas verschieben mussten. Immer wirkt bei all diesen literarischen Umsetzungen das kalte Schweigen der Macht gleich kühl. Wer nur, will man in dieses Schweigen hineinrufen, hat denn nun Schuld am Unglück dieses Mannes, der unwissentlich seinen eigenen Vater erschlägt, danach die eigene Mutter ehelicht?
Der bei Seattle lebende David Guterson, 1956 geboren, nimmt zur Antwort in seinem neuen Roman "Ed King" ein Kollektiv, die amerikanische Gesellschaft, scharf in den Blick. Dafür ist er seit seinem großen Erfolg "Schnee, der auf Zedern fällt" (1994) bekannt. Er stößt uns gleich zu Beginn in die Niederungen menschlicher Triebe, zu finden bei Familie Cousins. Dort ist soeben das Au-pair-Mädchen Diane eingezogen, weil die Mutter der Cousins wegen Depressionen in die Klinik musste. Walter, der Vater, ist sofort hingerissen. Die Liaison mit dem Mädchen hat Folgen und einen Namen: Ed King. Diane setzt den Neugeborenen auf den Stufen eines Bürgerhauses aus und lebt danach recht gut von der monatlichen Finanzspritze Walters. So nehmen die Dinge ihren Lauf. Ed wächst gut behütet neben einem jüngeren Bruder auf, ohne das Wissen, ein Adoptivkind zu sein. Beide sind mathematisch begabt, Ed außerdem ein Mädchenschwarm und Fan von Gewaltvideos. Dieser explosive, im frühen Medienzeitalter der siebziger Jahre plazierte Eigenschaftscocktail wird Ed zum Verhängnis, als er eines Tages unbeobachtet einen aggressiven Autofahrer maßregelt und so dessen Tod herbeiführt.
Der Tote ist Walter, Eds leiblicher Vater, und die Welt, in die Guterson seinen modernen Ödipus setzt, ein sich spiegelndes Gebilde aus trügerischen Verlockungen. Man trinkt Smoothies oder trifft auf Psychologen, die selbst dringend der Beratung bedürften. Oder man hat einfach geerbt. Diane, Eds leibliche Mutter, kann in diesen amerikanischen Traum sogar eine Weile einheiraten, mit viel List und dem Willen, den eigenen Körper durch diverse Schönheitsoperationen vor dem Verfall zu bewahren. Aber irgendwann kommt doch ihre dunkle Vergangenheit ans Licht, und die falschen Freunde stoßen sie aus dem Reichenclan aus. Manchmal, sehr selten, denkt sie noch an ihren Sohn und wie alt er wohl jetzt wäre. Dann wieder ist sie mit Überleben beschäftigt, als Hundeausführerin oder professionelle Lebensberaterin, mit nicht geringem Erfolg. Diane ist Gutersons spannendste Figur, eine wendige Ich-AG, immer sich den Gegebenheiten anschmiegend wie ein formloser, weicher Leib. Aber auch für sie gibt es kein Entrinnen aus den Fesseln dieser Ödipus-Geschichte.
Dass Ed King irgendwann in den Armen seiner Mutter Diane landen wird, ist ja nun zu erahnen. Es geht Guterson auch weniger um Spannung, mehr um Unterhaltung und die Anpassung des Ödipus-Stoffs an unsere Zeit. Und so wird der Roman zur Sozialsatire. Er ist auf Übertreibung angelegt, nicht aber auf große Lacher. Diane ist in diesem Dreieck ein sich ständig neu erfindendes Chamäleon und Walter der triebgesteuerte Totalversager, den selbst Frau und Kinder verachten. Auch Ed selbst glaubt an die falschen Götter. Guterson stellt seine Figuren aus wie willenlose Handlungsträger auf einem großen Schachbrett, geführt und gezogen von einer höheren Gewalt.
Aber der Autor - und das ist beim Lesen dann doch ein kleines Problem - weiß zu viel und erzählt streckenweise fließbandmäßig und mit verhaltenem Enthusiasmus, als wäre er selbst gelangweilt, alles das aufzuzählen, was erklärt, warum einer so wird, wie er wird, nämlich Mörder und Inzestpartner. Und es braucht viel Verpackung, um plausibel zu machen, warum hier andere Bedingungen walten als in der Antike. Guterson beschreibt die Figuren durch das, was sie tun, in ihrem blinden Aktivismus. Halten sie doch einmal inne, ist ihnen die Welt schal und hohl, und die Einsamkeit muss schnell vertrieben werden. Technik heißt der neue Gott, dem Ed huldigt, denn Walter hat ihm wenigstens seine Begabung für Zahlen vererbt. Und so startet Ed King, als eine Art Double von Steve Jobs, dem Apple-Gründer, sein gigantisches Unternehmen mit vielsagendem Namen "Pythia" in der elterlichen Garage. Seine Hybris bleibt keine kurzfristige Angelegenheit der Pubertät, sondern lebensprägend. Mit achtzehn will er die Welt verändern. Nach einem Studium in Stanford reitet er schon bald auf den Wogen des Erfolgs: als Entwickler gigantischer Suchmaschinen und König der Firmenübernahmen. Der nachfolgende tiefe Fall ist da eine geradezu natürliche Konsequenz.
Die Welt von heute, wie Guterson sie beschreibt, hat nur gottgleiche Moderatoren für jede Lebenslage, sogar für den bevorstehenden Inzest, angezeigt durch einen Perspektivwechsel: Der Erzähler spricht uns direkt an, erst die Männer, dann die Frauen. Er stellt leger die Gewissensfrage. Und ja - wie stehen wir nun dazu? Wie fühlen wir uns? Dass der Autor für die folgende Szene von einer kleinen amerikanischen Zeitschrift den Bad Sex Award verliehen bekommen hat, ist höchstens die kuriose Randnote einer dennoch klaren Botschaft: Nichts ist hier mehr heilig. Selbst das Schuldlos-schuldig-Werden ist eine derartig gängige Angelegenheit, dass sie im Roman - statt des antiken Chors - lapidar auf Twitter durchgearbeitet wird, freilich ohne abschließendes Urteil: Viele Stimmen, viele Meinungen. Die Orakel unserer Zeit sind gut gefütterte Computer mit Namen "Cybil", Eds Liebling, mit dem er viel Zeit verbringt - und der ihm schließlich verrät, dass er und sein Bruder ein anderes Genom haben, so dass er sich überhaupt erst auf die Spurensuche begibt. Guterson buchstabiert aus, wohin Königsein heute führt: in die Hände der Maschinen. Das alles liest sich nett, kann aber nicht mehr erschrecken - und soll es wohl auch nicht.
Die Schuldfrage reicht Guterson damit an den Leser weiter. Der wird den amerikanischen Traum richten, in dessen Namen dies alles geschieht.
ANJA HIRSCH
David Guterson: "Ed King". Roman.
Aus dem Englischen von Georg Deggerich. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2012. 383 S., geb., 22,99 [Euro].
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