Das Verhältnis zwischen Konrad Adenauer und Anthony Eden, dem britischen Außen- bzw. Premierminister 1951-1957, war ein wichtiger Faktor im Prozess der Einbindung der Bundesrepublik in das Bündnis der westlichen Demokratien. Die Bedeutung dieses Verhältnisses wurde bisher nur unzureichend wahrgenommen. Nun wird es zum ersten Male seinem Gewicht angemessen analysiert.
Ein wichtiges Buch über die britische und deutsche Außenpolitik in einer entscheidenden Phase der Nachkriegsgeschichte - und zugleich ein Buch über die Bedeutung der Persönlichkeit in der Politik.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2003Drei Ängste
Deutschlandpolitik unter Churchill und Eden
Yvonne Kipp: Eden, Adenauer und die deutsche Frage. Britische Deutschlandpolitik im internationalen Spannungsfeld 1951-1957. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2002. 441 Seiten, 51,60 [Euro].
Hat die britische Regierung unter Premierminister Churchill und Außenminister Eden in den fünfziger Jahren die Wiedervereinigung Deutschlands ernsthaft angestrebt oder eine Politik des Status quo zum Erhalt der Teilung verfolgt? Diese Frage wird seit langem in der Zeitgeschichtsforschung diskutiert. Als die Konservativen im Herbst 1951 die Regierung übernahmen, befanden sich die Verhandlungen über die Westbindung der Bundesrepublik in der entscheidenden Phase. Eden versprach sich von der Wiederbewaffnung die Stärkung der westlichen Verteidigung, verringerte Ausgabensteigerungen für Rüstungsanstrengungen und bessere Ausgangsbedingungen für Verhandlungen mit der Sowjetunion. Westintegration und fortdauernde Teilung sicherten zwar den Briten Mitsprache. Damit war Deutschland seiner Ansicht nach aber nur bedingt unter Kontrolle zu halten. Ihn plagten vornehmlich drei Ängste: die außenpolitische Unberechenbarkeit der Deutschen angesichts der strategischen Lage, ihre Demokratieunfähigkeit und ein wiederaufkeimender Nationalismus.
Zeitlebens dachte Eden in Kategorien des britischen Empires, suchte er das Wiedererstarken Deutschlands, dessen Schaukelpolitik oder gar eine deutsch-sowjetische Allianz zu verhindern. Durch ständiges Ausloten von Verhandlungsoptionen wollte er einem Krieg mit der Sowjetunion vorbeugen. Der eigentliche Dissens zwischen Eden und Adenauer bestand daher in ihrer unterschiedlichen Risikobereitschaft. Während der Kanzler die errungene Freiheit nicht aufs Spiel setzen wollte, auch nicht zugunsten eines neutralen wiedervereinigten Deutschlands, war Eden bereit, kalkulierbare Risiken einzugehen, um die deutsche Frage mit den Sowjets zu lösen. Das zeigte seine Reaktion auf die Stalin-Note vom März 1952. Eden glaubte an die Ernsthaftigkeit des Angebots und befürwortete Verhandlungen, obgleich er das Wagnis einer Neutralisierung Deutschlands einzuschätzen wußte. Doch war er von einem "Rapallo-Komplex" beseelt, der tiefsitzenden Furcht vor einer Verständigung zwischen Bonn und Moskau. Mit der DDR, den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie und der Wiederbelebung des Osthandels verfügten die Sowjets über wichtige Trümpfe für die Wiedervereinigung.
Adenauer hingegen befürchtete vor allem ein Viermächte-Komplott zu Lasten Deutschlands, als Churchill im Mai 1953 mit dem Vorschlag eines Locarno-Vertrages Moskau unnötig Avancen machte. Mit Argwohn verfolgte Eden wiederum Adenauers Moskau-Reise im September 1955. Daß der kalte Krieger vom Rhein aktiv Ostpolitik betrieb, nährte bei dem Briten Zweifel, die Deutschen könnten langfristig mit der Teilung unzufrieden sein und wegen ihres überhöhten Nationalbewußtseins diesen Zustand zu überwinden trachten.
Edens Sorge, die Westintegrationspolitik greife zu kurz, um die Gefahren einer militärischen Konfrontation in Deutschland zu verringern, war aus britischer Sicht verständlich. Sein Vorschlag zur Truppenreduzierung entlang des Eisernen Vorhangs, der erste Ansatz zu einer Politik vertrauensbildender Maßnahmen, entsprach nach der Genfer Konferenz 1955 kurzzeitiger Entspannungseuphorie, jedoch nicht den Realitäten der Blockbildung. Adenauer hielt derlei Angebote für gefährlich, weil sie den westlichen Bündniszusammenhalt schwächten.
Erst Chruschtschows Besuch im April 1956 in London machte Eden klar: Die Sowjets erkannten Großbritannien bei der Lösung der deutschen Frage nicht als hauptsächlichen Verhandlungspartner an. Diese Erkenntnis schmerzte um so mehr, da Eden immer noch von der Weltmachtrolle des Vereinigten Königreichs ausging. Yvonne Kipp findet einleuchtende Antworten, warum in den fünfziger Jahren die deutsch-britischen Beziehungen im Gegensatz zum deutsch-französischen Verhältnis keine Schlüsselstellung für die Zukunft Europas einnahmen. Adenauer und Eden begegneten einander mit Mißtrauen. Der britische Außenminister verkannte, daß ein Großteil der Westdeutschen nicht um jeden Preis nach Wiedervereinigung strebte. Wirkliche Ursachen dieser Fehlperzeption waren sein präformiertes Weltbild von den martialischen Deutschen und ein beträchtliches Maß an Arroganz. Eden dachte rückwärtsgewandt, nahm den Wandel der westdeutschen Gesellschaft nach 1945 nicht zur Kenntnis und sah in der Bundesrepublik lediglich ein anderes wilhelminisches Deutschland. Genau das suchte Adenauer zu überwinden, indem er deutschland- und europapolitisch auf die Westintegration als modernes Zukunftskonzept und Weg zur Wiedervereinigung setzte.
Der Wert dieser Studie liegt in der zusammenfassenden Darstellung britischer Politik gegenüber der Bundesrepublik. Leider verzichtete Kipp auf SED-Quellen und blendete die DDR weitgehend aus. Damit ist die Chance einer Gesamtbetrachtung der Deutschlandpolitik unter Churchill und Eden vergeben worden.
HANNS JÜRGEN KÜSTERS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Deutschlandpolitik unter Churchill und Eden
Yvonne Kipp: Eden, Adenauer und die deutsche Frage. Britische Deutschlandpolitik im internationalen Spannungsfeld 1951-1957. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2002. 441 Seiten, 51,60 [Euro].
Hat die britische Regierung unter Premierminister Churchill und Außenminister Eden in den fünfziger Jahren die Wiedervereinigung Deutschlands ernsthaft angestrebt oder eine Politik des Status quo zum Erhalt der Teilung verfolgt? Diese Frage wird seit langem in der Zeitgeschichtsforschung diskutiert. Als die Konservativen im Herbst 1951 die Regierung übernahmen, befanden sich die Verhandlungen über die Westbindung der Bundesrepublik in der entscheidenden Phase. Eden versprach sich von der Wiederbewaffnung die Stärkung der westlichen Verteidigung, verringerte Ausgabensteigerungen für Rüstungsanstrengungen und bessere Ausgangsbedingungen für Verhandlungen mit der Sowjetunion. Westintegration und fortdauernde Teilung sicherten zwar den Briten Mitsprache. Damit war Deutschland seiner Ansicht nach aber nur bedingt unter Kontrolle zu halten. Ihn plagten vornehmlich drei Ängste: die außenpolitische Unberechenbarkeit der Deutschen angesichts der strategischen Lage, ihre Demokratieunfähigkeit und ein wiederaufkeimender Nationalismus.
Zeitlebens dachte Eden in Kategorien des britischen Empires, suchte er das Wiedererstarken Deutschlands, dessen Schaukelpolitik oder gar eine deutsch-sowjetische Allianz zu verhindern. Durch ständiges Ausloten von Verhandlungsoptionen wollte er einem Krieg mit der Sowjetunion vorbeugen. Der eigentliche Dissens zwischen Eden und Adenauer bestand daher in ihrer unterschiedlichen Risikobereitschaft. Während der Kanzler die errungene Freiheit nicht aufs Spiel setzen wollte, auch nicht zugunsten eines neutralen wiedervereinigten Deutschlands, war Eden bereit, kalkulierbare Risiken einzugehen, um die deutsche Frage mit den Sowjets zu lösen. Das zeigte seine Reaktion auf die Stalin-Note vom März 1952. Eden glaubte an die Ernsthaftigkeit des Angebots und befürwortete Verhandlungen, obgleich er das Wagnis einer Neutralisierung Deutschlands einzuschätzen wußte. Doch war er von einem "Rapallo-Komplex" beseelt, der tiefsitzenden Furcht vor einer Verständigung zwischen Bonn und Moskau. Mit der DDR, den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie und der Wiederbelebung des Osthandels verfügten die Sowjets über wichtige Trümpfe für die Wiedervereinigung.
Adenauer hingegen befürchtete vor allem ein Viermächte-Komplott zu Lasten Deutschlands, als Churchill im Mai 1953 mit dem Vorschlag eines Locarno-Vertrages Moskau unnötig Avancen machte. Mit Argwohn verfolgte Eden wiederum Adenauers Moskau-Reise im September 1955. Daß der kalte Krieger vom Rhein aktiv Ostpolitik betrieb, nährte bei dem Briten Zweifel, die Deutschen könnten langfristig mit der Teilung unzufrieden sein und wegen ihres überhöhten Nationalbewußtseins diesen Zustand zu überwinden trachten.
Edens Sorge, die Westintegrationspolitik greife zu kurz, um die Gefahren einer militärischen Konfrontation in Deutschland zu verringern, war aus britischer Sicht verständlich. Sein Vorschlag zur Truppenreduzierung entlang des Eisernen Vorhangs, der erste Ansatz zu einer Politik vertrauensbildender Maßnahmen, entsprach nach der Genfer Konferenz 1955 kurzzeitiger Entspannungseuphorie, jedoch nicht den Realitäten der Blockbildung. Adenauer hielt derlei Angebote für gefährlich, weil sie den westlichen Bündniszusammenhalt schwächten.
Erst Chruschtschows Besuch im April 1956 in London machte Eden klar: Die Sowjets erkannten Großbritannien bei der Lösung der deutschen Frage nicht als hauptsächlichen Verhandlungspartner an. Diese Erkenntnis schmerzte um so mehr, da Eden immer noch von der Weltmachtrolle des Vereinigten Königreichs ausging. Yvonne Kipp findet einleuchtende Antworten, warum in den fünfziger Jahren die deutsch-britischen Beziehungen im Gegensatz zum deutsch-französischen Verhältnis keine Schlüsselstellung für die Zukunft Europas einnahmen. Adenauer und Eden begegneten einander mit Mißtrauen. Der britische Außenminister verkannte, daß ein Großteil der Westdeutschen nicht um jeden Preis nach Wiedervereinigung strebte. Wirkliche Ursachen dieser Fehlperzeption waren sein präformiertes Weltbild von den martialischen Deutschen und ein beträchtliches Maß an Arroganz. Eden dachte rückwärtsgewandt, nahm den Wandel der westdeutschen Gesellschaft nach 1945 nicht zur Kenntnis und sah in der Bundesrepublik lediglich ein anderes wilhelminisches Deutschland. Genau das suchte Adenauer zu überwinden, indem er deutschland- und europapolitisch auf die Westintegration als modernes Zukunftskonzept und Weg zur Wiedervereinigung setzte.
Der Wert dieser Studie liegt in der zusammenfassenden Darstellung britischer Politik gegenüber der Bundesrepublik. Leider verzichtete Kipp auf SED-Quellen und blendete die DDR weitgehend aus. Damit ist die Chance einer Gesamtbetrachtung der Deutschlandpolitik unter Churchill und Eden vergeben worden.
HANNS JÜRGEN KÜSTERS
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Seit langen wird in der Zeitgeschichtsforschung die Frage diskutiert, ob die britische Regierung unter Premierminister Churchill und Außenminister Eden in den fünfziger Jahren die Wiedervereinigung Deutschlands ernsthaft angestrebt oder eine Politik des Status quo zum Erhalt der Teilung verfolgt hat, weiß Rezensent Hanns Jürgen Küsters. Eine Frage, der Yvonne Kipp nun in ihrem Buch "Eden, Adenauer und die deutsche Frage" nachgeht. Küsters erblickt den Wert von Kipps Studie vor allem in der "zusammenfassenden Darstellung" britischer Politik gegenüber der Bundesrepublik. Er hebt hervor, dass Kipp "einleuchtende Antworten" auf die Frage findet, warum in den fünfziger Jahren die deutsch-britischen Beziehungen im Gegensatz zum deutsch-französischen Verhältnis keine Schlüsselstellung für die Zukunft Europas einnahmen. Für bedauerlich hält er allerdings, dass Kipp auf die Auswertung von SED-Quellen verzichtet und die DDR weitgehend ausblendet. "Damit", so der Rezensent resümierend, "ist die Chance einer Gesamtbetrachtung der Deutschlandpolitik unter Churchill und Eden vergeben worden."
© Perlentaucher Medien GmbH
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