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Diese Romane handeln von einem skurrilen und phantastiebegabten Außenseiter, der sich mit brillanten Wortspielen und Sprachwindungen einen Weg durch zwei Lebensabschnitte und das Erwachsenwerden hindurchlamentiert. Schauplatz sind die heutigen Südstaaten der USA, aus deren Geschichte und Alltagskultur Powell Mannigfaltiges schöpft und nebeneinanderstellt: Elvis und Hawthorne, amerikanisches Flaschenbier und amerikanischen Bürgerkrieg, wilde Dalmatiner und willige Cousinen.

Produktbeschreibung
Diese Romane handeln von einem skurrilen und phantastiebegabten Außenseiter, der sich mit brillanten Wortspielen und Sprachwindungen einen Weg durch zwei Lebensabschnitte und das Erwachsenwerden hindurchlamentiert. Schauplatz sind die heutigen Südstaaten der USA, aus deren Geschichte und Alltagskultur Powell Mannigfaltiges schöpft und nebeneinanderstellt: Elvis und Hawthorne, amerikanisches Flaschenbier und amerikanischen Bürgerkrieg, wilde Dalmatiner und willige Cousinen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.1997

Gewaschener Hund
Wieder da: Padgett Powells Jugendheld / Von Michael Allmaier

Totgesagte leben länger - das gilt wohl auch für die Orte der Literatur. Wer Faulkner oder Tennessee Williams liest, muß glauben, daß der amerikanische Süden schon damals in den letzten Zügen lag. Verfallende Herrenhäuser, trunksüchtige Patriarchen, nervenschwache Ladies in abgetragenen Ballkostümen und ein degenerierter Nachwuchs, dessen Träume um Sex und Selbstmord kreisen - so ungefähr hat es sich eingeprägt.

Padgett Powell setzt noch eins drauf. Selbst in Florida zu Hause, erschafft er für seinen ersten Roman die Stadt Edisto, ein besonders trostloses Nest in South Carolina. Edisto ist ein Ort, der seine Geschichte hinter sich hat und im Begriff steht, wieder Wüste zu werden. Hier leben nur noch Schwarze, die zu arm sind, um wegzuziehen. Letztes Relikt des alten Südens ist die Familie Manigault, soweit man bei ihr noch von einer Familie sprechen kann. Der Vater, ein reaktionärer Geschäftsmann vom alten Schlag, lebt in einer Nachbarstadt mit seiner Sekretärin. Die Mutter schwelgt noch im Glanz vergangener Zeiten und kultiviert ihre Leidenschaft für Bücher und Alkohol. Die schwarzen Nachbarn nennen sie "die Herzogin". Der zwölfjährige Simons geriert sich als frühreifer Lümmel.

"Edisto" ist auch der Titel des Buchs, das 1984 erschien, mehrere Preise erhielt und den damals zweiunddreißigjährigen Padgett Powell in den Vereinigten Staaten bekannt machte. Der deutschen Übersetzung, die ein Jahr später bei Suhrkamp erschien, war kein solcher Erfolg beschieden. Der Berlin Verlag legte sie jetzt noch einmal auf, zusammen mit Powells neuem Roman, der "Rückkehr nach Edisto" heißt und an die Handlung des ersten anknüpft. Es gibt die beiden Bände nur gemeinsam im Schuber. Man kann darüber streiten, ob das klug war, da sie sich in ihrem Niveau recht deutlich unterscheiden.

In beiden Romanen geschieht nicht viel. Sie schildern vor allem die merkwürdige Gedankenwelt von Simons, der als Ich-rzähler auftritt. Die Literatur, die er anstelle von Spielzeug erhielt, hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Er empfängt den Leser mit der altersuntypischen Behauptung, er sei gerade in der Pubertät. So ganz stimmt es wohl auch nicht. Er ist eher in dem Alter, in dem man sich mit Tricks in Ohnmacht versetzt und Geschichten über exotische Todesarten austauscht. Nur gibt es niemanden, mit dem er das tun könnte. Freunde hat er anscheinend nicht. Und während seine Mutter ihn zum Dichter formen möchte, verbringt er seine Tage in der Kneipe bei den Schwarzen und versucht, möglichst unauffällig das Bier wegzugießen, das er, um Eindruck zu schinden, in Mengen bestellt. Dann jedoch freundet er sich mit einem geheimnisvollen Mann an, den er Taurus nennt und der für eine Weile der Liebhaber der Mutter wird.

Man lasse sich vom Klappentext nicht täuschen. Simons Manigault ist nicht "überaus sympathisch". Er ist sogar ein ziemlicher Widerling, und das gibt dem Buch seinen Witz. Er vergrault die Verehrer seiner Mutter, und wenn es ihm langweilig wird, erzählt er dem Dienstmädchen, da sei jemand von der Sozialversicherung am Telefon. Auch als Erzähler ist er alles andere als vertrauenswürdig. Überall sieht er Sex, Drogenexzesse und Kämpfe auf Leben und Tod. Sein Vater, den er nicht mag, soll angeblich dem Ku-Klux-Klan angehören. Je länger man liest, um so rätselhafter wird diese Erzählerfigur. Es geht um den zwölfjährigen Simons, aber wie alt ist er zum Zeitpunkt der Niederschrift? Manchmal scheint es, als ob ein Erwachsener die Tagebuchnotizen seiner Kindheit in neue Worte faßte.

Powell besitzt ein außerordentliches Sprachgefühl und einen sehr eigenen Stil, der vor allem in der Beschränkung wirkt. Ein Zimmer riecht "wie frisch gewaschener Hund", ein anderes hat man grün gestrichen - "sehr beruhigende Grüntöne, wie sie in Schulen verwendet werden, um die Hypers ruhigzustellen". Man stellt sich vor, daß der Erzähler Kaugummi kaut und ein wenig mit den Händen rudert, als fehlten ihm die Worte. Ganz selten einmal wirkt diese Pose einstudiert, und der Leser merkt, daß er nun belustigt oder gerührt sein soll. Viel öfter aber gelingen dem Verfasser schmucklose Sätze von großer Eindringlichkeit: "Ich hatte eins dieser weißen Herzen, und wenn die klopfen, dann geht das so: dann - dann; und Taurus hatte eins, das so geht: jetzt - dann; und bei den Typen in Grand gingen sie jetzt - jetzt. Und das kann man nicht ändern, indem man beschließt, cool zu sein."

Übersetzungen von Harry Rowohlt klingen immer ein wenig nach Harry Rowohlt, was aber sicher nicht das Schlechteste ist, das einem Text passieren kann. Jedenfalls gelingt es ihm sehr gut, die vielen Klangfarben und Dialekte, mit denen der Autor spielt, plausibel ins Deutsche zu übertragen, auch wenn es ein wenig irritiert, im selben Buch mal von "Stutzern", mal von "Narren" und mal von "Spastis" zu lesen. Er hat außerdem den Text mit einer Reihe unterhaltsamer Anmerkungen versehen, die dem Leser in Erinnerung halten, daß hier ein Übersetzer seine Arbeit ernst nimmt.

Rechtfertigen kann diese Edition natürlich nur der zweite, neue Band, und der ist bei aller Ähnlichkeit leider mißlungen. Man vergißt leicht, wie fragil ein literarisches Werk sein kann. Der Weg vom guten bis zum schlechten Buch ist oft kürzer als bis zum mittelmäßigen. Padgett Powell ist für amerikanische Verhältnisse ein Avantgardist. Er entwickelt sein Werk nicht auf dem Gerüst einer unterhaltsamen Geschichte. Konventionelle Erzählprosa, sagt er, langweile ihn. Ein Buch, das nur von seiner Sprache, Perspektive oder Philosophie zusammengehalten wird, ist freilich eleganter. Aber es geht auch viel leichter schief.

Zwischen "Edisto" und "Rückkehr nach Edisto" sind dreizehn Jahre vergangen, in der Zeitrechnung des Werks wie auch in Wirklichkeit. Powell hat zwei weitere Romane geschrieben, von denen einer, "Eine Frau mit Namen Drown", auch auf deutsch erschien. Simons Manigault hat seine Internatszeit hinter sich gebracht und aufs Geratewohl Architektur studiert. Es gerät aber nicht. Er zieht eine Weile umher, besucht Taurus, der mittlerweile als Förster in Louisiana lebt, und beginnt eine Liebschaft mit seiner Cousine. Und wie seine Mutter ergibt auch er sich allmählich dem Alkohol.

Ein Problem mit Betrunkenen ist bekanntlich, daß sie sich auch dann für geistreich halten, wenn sie gerade ziemlich blöd sind. Und das ist es auch, was die Gesellschaft des Erzählers im zweiten Band lästig werden läßt. Er muß in den unterschlagenen dreizehn Jahren eine Menge erlebt haben, genug jedenfalls, um mit einer Fülle breiiger Lebensweisheiten aufzuwarten. Er hat genug Frauen verlassen, um zu wissen. Er hat lang genug gebraucht, um zu verstehen. Er hat zuviel gesehen, um zu glauben. So geht es seitenlang.

Das also ist aus dem altklugen Zwölfjährigen geworden. Er ist älter, aber nicht klüger geworden. "Meine Freiheit ist Frechheit", sagt Simons Manigault einmal. Aber frech sein kann man nur als Kind. Als Erwachsener klingt er wehleidig und pathetisch in seinem Überdruß: "Das Leben ist ein gigantischer Vorschlag, der einem in so schwer faßbaren und glatten Formulierungen und so schnell unterbreitet wird, daß man nur kichernd vor dem Marktschreier stehen kann, hier haben Sie meinen Dollar, ich spiele mit, ich muß ja, und verlieren werde ich sowieso. An manchen Tagen, in manchen Nächten möchte man kindischerweise die Schiebung sehen, die Magneten oder die Strippen . . . Leben ist nicht Kriegen, sondern Verpassen."

Padgett Powell ist ein guter Erzähler. Doch in diesem Buch hat er es versäumt, zum Bierernst seiner Figur ein Gegengewicht zu setzen. Das hätte die feine Ironie sein können, die man im ersten Band fand oder zumindest vermutete, ein eleganterer Stil oder einfach eine geschlossene Handlung. So muß man vermuten, daß die Schwäche des Helden die Schwäche des Autors ist, seine eigene Schaffenskrise, die er im Roman verwertet.

Padgett Powell: "Edisto / Rückkehr nach Edisto". Romane. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Harry Rowohlt. Berlin Verlag, Berlin 1997. Zwei Bände, zus. 379 S., geb., zus. 48,- DM.

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