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Im Zuge des so genannten "more economic approach" sind in letzter Zeit in der EU Meinungen geäussert und Vorschriften erlassen worden, die dazu führen könnten, dass inskünftig Wettbewerbsbeschränkungen zunehmend unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Effizienz betrachtet werden. Mit diesem Ansatz werden wirtschaftliche Verhaltensweisen von Unternehmen nicht mehr danach beurteilt, wie sie die Handlungs- bzw. Wettbewerbsfreiheit beschränken, sondern danach, ob diese im Ergebnis die wirtschaftliche Wohlfahrt befördern oder aber vermindern. Grundfrage der vorliegenden Untersuchung ist, ob…mehr

Produktbeschreibung
Im Zuge des so genannten "more economic approach" sind in letzter Zeit in der EU Meinungen geäussert und Vorschriften erlassen worden, die dazu führen könnten, dass inskünftig Wettbewerbsbeschränkungen zunehmend unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Effizienz betrachtet werden. Mit diesem Ansatz werden wirtschaftliche Verhaltensweisen von Unternehmen nicht mehr danach beurteilt, wie sie die Handlungs- bzw. Wettbewerbsfreiheit beschränken, sondern danach, ob diese im Ergebnis die wirtschaftliche Wohlfahrt befördern oder aber vermindern. Grundfrage der vorliegenden Untersuchung ist, ob ökonomische Effizienz ein für das Wettbewerbsrecht attraktives rechtspolitisches Ziel darstellt. Da die "neue Wettbewerbspolitik" das Gemeinwohl befördern will, untersucht Adrian Künzler unter Bezugnahme auf den klassischen Utilitarismus zunächst das ökonomische Verhaltenskonzept und thematisiert den ökonomischen Wohlfahrtsbegriff. Anschließend geht er der Frage nach, ob wirtschaftliche Wohlfahrt ein Entscheidungskriterium darstellt, das für die Beurteilung konkreter Fälle bei der Rechtsanwendung brauchbar ist. Unter Berücksichtigung der zur Zeit einschlägigen wissenschaftstheoretischen Erkenntnisse zeigt er, dass Wettbewerbskonzeptionen axiomatischen Charakter haben. Ausgehend von der Auffassung, dass ökonomische Wettbewerbskonzeptionen nicht beweisbar wahr oder falsch sind, sondern dass es sich um blosse "Entwürfe" und nichts Definitives handelt, untersucht der Autor schließlich, ob und inwieweit die "neue Wettbewerbspolitik" mit den derzeit geltenden kartellrechtlichen Regeln, insbesondere derjenigen der EU vereinbar ist. Das Werk wurde mit dem Issekutz-Preis 2008 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich für hervorragende Leistungen im Bereich des Wirtschaftsrechts ausgezeichnet.
Autorenporträt
Geboren 1978; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich und Lizenziat; 2005-2008 wiss. Assistent am Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich; 2008 Promotion; seit 2008 Auditor und ausserordentlicher Gerichtssekretär am Bezirksgericht Zürich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.06.2009

Der Himmel über Chicago
Ein Schweizer Jurist kritisiert die neue Wettbewerbspolitik

Das Kartellrecht soll verhindern, dass sich Unternehmen zu Monopolen zusammenschließen und so den Wettbewerb stören. Weshalb ist Wettbewerb so wichtig? Handelt es sich dabei um einen Wert an sich, wie die klassische Lehre lautet, oder nur um ein Mittel zum Zweck, wie die "neue Wettbewerbspolitik" (more economic approach) meint? Der Zweck sei dann ökonomische Effizienz und folglich mehr Wohlfahrt. Darüber streiten die Ökonomen voller Leidenschaft - oft aber im praxisfernen Himmel der sogenannten "Chicagoer Schule".

Gut, wenn sich da einmal ein Jurist der Sache annimmt. Schließlich muss das Recht jedem ökonomischen Modell zum Erfolg verhelfen. Für die "neue Wettbewerbspolitik" ist das Kartellrecht ein Instrument, um ökonomisch erwünschte Ergebnisse zu erzielen. Der junge Zürcher Kartellrechtler und Gerichtssekretär Adrian Künzler fragt nach, was "ökonomisch erwünscht" eigentlich heißt. Verwiesen wird auf die bekannten britischen Ökonomen Nicholas Kaldor und John Richard Hicks. Sie haben ein Kriterium für diese Nützlichkeitsfrage entwickelt. Danach soll derjenige, dessen Wohlfahrt aufgrund einer Veränderung steigt, die Verlierer entschädigen können und dennoch einen Nettozuwachs an Wohlfahrt haben.

Konkret: Zwei Unternehmen, die sich zum Kartell zusammenschließen, verdienen dadurch so viel mehr, dass sie die benachteiligte Konkurrenz locker auszahlen könnten, und trotzdem noch daran verdienen. Dieses Kartell müsste aus ökonomischen Gründen zugelassen werden. Es steigert die Wohlfahrt. Künzler jedoch überzeugt das Modell nicht. Es sei mit erheblichen Messungsproblemen verbunden, was zu Voraussagen zwingt, die schon in einer Planwirtschaft nicht funktionierten. Durch die vielen Annahmen und Wertungen ist letztlich die erhoffte Wissenschaftlichkeit dahin: "Die insoweit erforderlichen Kosten-Nutzen-Kalkulationen sind wesentlich komplexer, als dies die Lektüre nahezu jedes ökonomisch begründeten Beitrags zum Kartellrecht vermuten lässt." Solche Kalkulationen könnten kein Richter, kein Kartellamt und erst recht kein Zentralkomitee leisten. Künzlers Fazit: Bei der "neuen Wettbewerbspolitik" gehe es um eine Abwägung von Interessen, die sich unter dem Deckmantel einer ökonomischen Effizienzanalyse abspielen sollen.

Für die Praxis von Gesetzgebung und Gesetzesanwendung sei das Modell daher untauglich: "Aus bestimmten Untersuchungen Folgerungen für die Erwünschtheit oder Unerwünschtheit bestimmter kartellrechtlich tatbestandsmäßiger Verhaltensweisen zu ziehen, ist deshalb höchst fragwürdig." Zudem ignoriere das Modell die Interventionskosten, also die Kosten, die bei Staat und Gesetzgeber entstehen. Auch die Rechtssicherheit leide. Für Künzler ist eindeutig, dass die "neue Wettbewerbspolitik ihre Versprechungen nicht einhalten kann". Dass die Europäische Union seit zehn Jahren genau diesen Weg verfolgt, versetzt ihn als Schweizer in die Rolle des staunenden Beobachters. Auch für die Schweizer ist Effizienz wichtig, aber im Zweifel siegen Demokratie und damit Wettbewerbsfreiheit als Wert an sich.

JOCHEN ZENTHÖFER

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