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Computerspiele haben eine eigene digitale Ästhetik, die eine besondere Raum- und Bilderfahrung ermöglicht. Diese spezifische Erfahrung und damit der mediale Charakter von Computerspielen rücken in diesem Buch erstmals ins Zentrum des Interesses. Egoshooter, aufgrund ihrer Gewaltdarstellung wie kaum ein anderes Populärmedium in der Kritik, erfahren dabei eine Neubewertung: In diesen Spielen fließen nicht nur die beiden mächtigsten Stränge der europäischen Bildtradition von Zentralperspektive und Kartendarstellung zusammen; sondern diese sind auch zu einem einzigartigen Raumbild…mehr

Produktbeschreibung
Computerspiele haben eine eigene digitale Ästhetik, die eine besondere Raum- und Bilderfahrung ermöglicht. Diese spezifische Erfahrung und damit der mediale Charakter von Computerspielen rücken in diesem Buch erstmals ins Zentrum des Interesses. Egoshooter, aufgrund ihrer Gewaltdarstellung wie kaum ein anderes Populärmedium in der Kritik, erfahren dabei eine Neubewertung: In diesen Spielen fließen nicht nur die beiden mächtigsten Stränge der europäischen Bildtradition von Zentralperspektive und Kartendarstellung zusammen; sondern diese sind auch zu einem einzigartigen Raumbild weiterentwickelt.
Das Buch zeichnet die Geschichte der Computerspiele seit den 1970er Jahren bis heute nach und bietet neben einem Überblick über die aktuellen Positionen in den Game Studies eine Einführung in die Medienanalyse mit Mitteln der Bild- und Raumtheorie.
Autorenporträt
Stephan Günzel ist Professor für Medientheorie an der Berliner Technischen Kunsthochschule (btk). Er lehrte zuvor an der Humboldt-Universität Berlin sowie an den Universitäten Jena, Klagenfurt und Trier und war von 2008 bis 2010 Koordinator des Zentrums für Computerspielforschung (DIGAREC) und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Künste und Medien der Universität Potsdam.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Sebastian Vehlken, selbst Medienwissenschaftler an der Leuphana Universität Lüneburg, weiß dieses erhellende Buch über "Egoshooter" des Medientheoretikers Stephan Günzel zu schätzen. Er zählt die Arbeit zu den Untersuchungen, die über einfache medienpädagogische Fragestellungen und Theorien über den Zusammenhang von medialer und realer Gewalt weit hinausgehen. Das Buch bietet für Vehlken nicht nur einen interessanten Überblick über die neueren Theorien zu Computerspielen, sondern auch einen eigenen theoretischen Ansatz zur Logik dieser Spiele. Besonders hebt er in diesem Zusammenhang Günzels Ausführungen zu den europäischen Bildtraditionen von Perspektive und Karte hervor, die konstitutiv für die "Egoshooter" seien. Sein Fazit: eine theoretisch höchst differenzierte und "höchst lesbare" Auseinandersetzung mit den Bildwelten der "Egoshooter".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2012

Ich ziele, also bin ich raumkritisch

Im Simulationsbild des Egoshooters fließen zwei europäische Bildtraditionen zusammen - Perspektive und Karte. Stephan Günzel leitet daraus einen überraschenden Ansatz zur Erklärung der Logik von Computerspielen ab.

Von Sebastian Vehlken

Der Blick, der hinter einem geworfenen Stein herschaut, ist die erste Vorform von Theorie", schreibt Peter Sloterdjik über das "Distanztier" Homo sapiens. Der Medientheoretiker Stephan Günzel übersetzt dieses Diktum in seinem neuen Buch mit dem provokanten, aber auch konzeptuell treffsicheren Titel "Egoshooter" für eine Theorie des Computerspiels, die sich radikal von dessen medialen, raumbildlichen Eigenschaften herleitet. Denn geworfene Steine sind im Shooter gewissermaßen die konstituierende Operation. Es gehe hier, so Günzel, "auf der Ebene des Bildobjekts (. . .) um die Identifikation des zentralen Punktes der Darstellung und die anschließende Affirmation der Fokalisation".

Diesen Vorgang könnte man gemeinhin schlicht "Schießen" nennen - und sich damit in das Gefolge ebenso schlichter Theorien um den Zusammenhang von medialen und realen Gewalthandlungen einreihen. Das Verdienst von "Egoshooter" ist, über einen differenzierten Blick auf die Spezifiken der Bildwelten gerade jenes Populärmedium der "Killerspiele" theoretisch neu zu beschreiben, das seit Jahren im Fokus öffentlicher Kritik steht.

Immerhin: Medien- und kulturwissenschaftliche Untersuchungen zu Computerspielen, die hinausgehen über die Fragestellungen von Medienpädagogik und Wirkungsforschung, haben sich innerhalb der letzten Dekade fest etabliert und institutionalisiert. Game Studies sind, ausgehend von Skandinavien und den Vereinigten Staaten, mittlerweile auch in Deutschland zu einem produktiven Forschungsfeld einer zumeist jüngeren Wissenschaftlergeneration geworden, die selbst (auch) an Computerspielen sozialisiert wurde.

Der Band liefert zu Beginn eine Einführung in dieses Feld und unterscheidet zwei entgegengesetzte Hauptströmungen: narratologische und ludologische Ansätze. Grob gesagt werden Computerspiele im ersten Fall als interaktive Erzählungen aufgefasst, umgesetzt zwar in einem anderen Medium als Literatur oder Film, aber dennoch mit ähnlichen Geschichten. Im zweiten Fall steht das Spielen im Vordergrund. Die Vergleichsfolie für Computerspiele werden dabei analoge "Echtraumspiele" und ihre Regeln - nur eben jetzt in digitaler Umsetzung. Selten jedoch seien Ansätze, die nicht einfach die Medialität des Computers übergingen - seine Hard- und Software - und jene schlichte Tatsache, dass Computerspiele "in erster Linie Bilderscheinungen" oder eben "erspielte Bilder" seien.

Günzels Forschungsüberblick erlaubt ihm, seine eigene Perspektive zwar mit Elementen existierender Überlegungen zu entwickeln, die entscheidende Pointe jedoch dort zu machen, wo er deren blinde Flecke und systemische Beschreibungslücken identifiziert: Nehme man den älteren Terminus Videospiel wörtlich, würden nämlich Egoshooter zum Inbegriff des Computerspiels: Mit ihnen ließen sich nicht nur "die Erfahrungen machen, wie es aussieht, ich zu sein, das heißt, wenn ich sehe: ,video'". Sondern im Egoshooter werde diese Seherfahrung mit der Erfahrung des Handelns gekoppelt, um "das Bild zu spielen". Es gebe weder ein Substitut noch einen Shooter-Vorläufer als nichtcomputerisiertes Spiel. Essentiell für diesen "medienlogischen Nullpunkt" des Egoshooters sei die zentralperspektivische Ansicht, kombiniert mit einer Art Karte als Repräsentation des Bildraums, die ihr Spielprinzip ausmache. Von ihrer Anlage her seien diese Spiele weder nur zeitkritisch wie andere Actionspiele noch nur entscheidungskritisch wie Adventurespiele, sondern auch raumkritisch.

Und zwar in doppelter Weise: Als sichtbarer Bildraum und als "durchlaufendes Erleben" dieses Bildraums. Zudem seien sie selbstreferentiell in dem Sinne, dass jene Bilderscheinungen, auf die der Spieler die Bildperspektive ausrichtet, keiner externen Referenz bedürfe. Egoshooter ermöglichten ein "eines Spiel" mit der Form des Bildraums selbst oder bildtheoretisch gesprochen: "Im Egoshooter kommt das Computerspiel zu sich selbst, nicht trotz, sondern gerade weil es von einer Simulation technisch ununterscheidbar wird: Der Egoshooter ist das gespielte Simulationsbild." Kein Objektverhalten könne hier lösgelöst werden von seiner bildlichen Erscheinung, die je schon bestimmt sei durch die jeweilige Engine - die Software, welche die Bewegungseigenschaften der Spielwelt festlegt.

Unter Computerbedingungen fließen im Simulationsbild des Egoshooters mithin zwei europäische Bildtraditionen zusammen: Perspektive und Karte. Diesen Fluchtlinien spürt Günzel in einer (im positiven Sinne) detailversessenen Analyse und zwei großen systematischen Bögen mit dem Instrumentarium von Ikonologie und Raumtheorie nach. Dies führt im ersten Fall neben der Diskussion von Realismus- und Subjektivitätseffekten zu Blüten wie einer "Stilgeschichte des Egoshooters" (die dann etwa mit dem Bullet-Time-Modus als Element der "surrealistischen Phase" aufwartet). Aber auch zu jener an Husserl angelehnten Egologie, die Günzels Begriff des konstitutiven Sehenhandelns im Shooter beleuchtet.

Dies lässt den Band im zweiten Fall, zum Beispiel in Auseinandersetzung mit der Raumtheorie Lefebvres oder der Feldtheorie Lewins, die Bewegungsund Blickrichtungspotentiale im Egoshooter zwischen topologischer Navigation im zentralperspektivischen Bildraum und topographischen Orientierungen über die Kartendarstellungen ausloten.

Die Bildwelt des Shooters wird darüber hinaus auch zurückgebunden an exemplarisch gewählte filmische Inszenierungen, etwa Gus van Sants Highschool-Massaker-Film "Elephant" (2003). Jedoch zielen auch diese Vergleiche auf die formale Raumbild-Organisation und nicht etwa auf inhaltliche Aspekte. Darin liegt wohl auch ein Appell dieses höchst lesbar und mit Emphase auf klare Kategorisierung geschriebenen, reichbebilderten Bandes: die Medienlogiken des Computerspiels und des Simulationsbildes nicht im Fortschreiben und Anwenden von Ansätzen aus etablierteren Wissenschaftsfeldern zu suchen, sondern selbstbewusst mit ebensolchen zu spielen.

Stephan Günzel: "Egoshooter". Das Raumbild des Computerspiels.

Campus Verlag, Frankfurt a. M., New York 2012. 400 S., Abb., br., 49,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Eine sehr lesenswerte Lektüre ..., die durchaus auch als Einführung in das Genre Egoshooter zu gebrauchen ist." Tim Raupach, MEDIENwissenschaft 1/2014