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Wie Hans Beumann nach seinem Studium »ins Leben tritt«: Er zieht nach Philippsburg in ein Zentrum ungekränkten westdeutschen Wirtschaftswunders. Er verkehrt mit Anwälten, Chefredakteuren, Rundfunkintendanten, Industriellen - mit Menschen, die sich selber ihr kleines Privatglück inszeniert haben. Den kritischen Zustand dieser bereits wieder restaurativ stabilisierten Gesellschaft zeigen die Ehen der Erfolgreichen. Keine ist in Ordnung, die eine wird durch Ehrgeiz, die andere durch Gewohnheit, eine dritte nur dadurch zusammengehalten, daß die Gesellschaft eine Scheidung als Skandal empfindet.…mehr

Produktbeschreibung
Wie Hans Beumann nach seinem Studium »ins Leben tritt«: Er zieht nach Philippsburg in ein Zentrum ungekränkten westdeutschen Wirtschaftswunders. Er verkehrt mit Anwälten, Chefredakteuren, Rundfunkintendanten, Industriellen - mit Menschen, die sich selber ihr kleines Privatglück inszeniert haben. Den kritischen Zustand dieser bereits wieder restaurativ stabilisierten Gesellschaft zeigen die Ehen der Erfolgreichen. Keine ist in Ordnung, die eine wird durch Ehrgeiz, die andere durch Gewohnheit, eine dritte nur dadurch zusammengehalten, daß die Gesellschaft eine Scheidung als Skandal empfindet. Der zunächst noch kritische Neuling Beumann verwandelt sich sehr schnell in einen erfolgreichen Aufsteiger. Sich anpassend gerät er in den Mischmasch trüber Geschichten,

Walsers erster Roman erschien 1957, erhielt sogleich den Hermann-Hesse-Preis und wurde von Kritikern und Publikum hoch gelobt und heftig kritisiert.
Autorenporträt
Martin Walser wurde am 24. März 1927 in Wasserburg am Bodensee geboren. Nach seinem Arbeitsdienst erlebte er das Ende des Zweiten Weltkrieges von 1944 bis 1945 als Soldat der Wehrmacht. Nach Kriegsende machte er 1946 in Lindau am Bodensee-Gymnasium das Abitur und studierte an den Universitäten Regensburg und Tübingen Literaturwissenschaft, Geschichte und Philosophie. Mit einer Dissertation zu Franz Kafka wurde er 1951 in Tübingen promoviert. Von 1949 bis 57 arbeitete er beim Süddeutschen Rundfunk. In dieser Zeit unternahm er Reisen für Funk und Fernsehen nach Italien, Frankreich, England, CSSR und Polen und schrieb erste Hörspiele. 1950 heiratete er Katharina Neuner-Jehle. Aus dieser Ehe gingen die Töchter Franziska, Alissa, Johanna und Theresia hervor. Seit 1953 wurde Walser regelmäßig zu den Tagungen der Gruppe 47 eingeladen, die ihn 1955 für die Erzählung Templones Ende auszeichnete. Sein erster Roman Ehen in Philippsburg erschien 1957 und wurde ein großer Erfolg. Walser lebte von da an mit seiner Familie als freier Schriftsteller erst in Friedrichshafen und dann in Nußdorf am Bodensee. Martin Walser verstarb am 26. Juli 2023 in Überlingen am Bodensee.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.05.2004

Band 9
Die Erotik des Wirtschaftswunders
Martin Walsers Roman „Ehen in Philippsburg”
Als gerade Adenauer zum dritten Mal Bundeskanzler geworden und der Sputnik auf dem Mond gelandet war, 1957 also, führte Martin Walser den Bürgern in ihren niedrigen Neubauwohnungen jene große Welt vor, von der sie nur träumen konnten, von der sie aber in Zukunft abhängig sein sollten. Wer es sich vor den Nierentischen und in den Schalensesseln gemütlich gemacht hatte, vor dessen Phantasie erstand, wenn er „Ehen in Philippsburg” las, ein deutsches Hollywood, in dem reiche Damen die Mächtigen zu Partys in ihre feudalen Villen einluden. Als reines Glück erstrahlt in diesem Luxus der Daseinskampf; Neid und Eifersucht jedoch schwelen unter den Gästen, den potenten Wirtschafts- und Medienunternehmern, hinter den Kulissen werden Geschäfte abgeschlossen, in den freien Minuten Liebesbande geknüpft, die den Besitzerstolz der eitlen Ehefrauen beleidigen. Walser macht den kühlen Beobachter, der sich nicht davor scheut, mit Verve zwar, aber doch auch mit grellen Überzeichnungen den neuen Reichtum und das Land zu kritisieren, „wo die Tüchtigen wachsen wie das Unkraut”.
Sein Held, Hans Beumann, wird in dieser Gesellschaft zum Aufsteiger ohne Zutun und fast auch wider Willen. Sein Versuch, eine Laufbahn als Journalist zu beginnen, scheitert zwar, dafür spielt ihm das Schicksal die Redaktion des Firmenblattes eines Radio- und Fernsehunternehmers zu und noch dazu die Tochter des Besitzers. Auch der Dichter, ein „undurchdringlicher Dachstubenbewohner”, der „mehr Wärme brauchte als er gab”, fehlt in Walsers Gesellschaftssatire nicht. Er ist der Außenseiter, der Kritiker, der die Korruptheit durchschaut und daran stirbt. Ein poetisches Opfer fordert der Luxus allemal.
In diesen kurzen Bildungsroman – anspielungsreich endet das Werk mit der Einführung Beumanns in den Herrenclub „Sebastian”, mit einer Szene also, die Walser ganz der Initiation Wilhelm Meisters, des Bildungshelden par excellence, in die Turmgesellschaft nachgebildet hat – in diesen Roman, in dem der Bildungsweg zur Berufskarriere verkommen ist, schiebt Walser die Erzählung zweier Ehetragödien ein. Es bleibt abzusehen, dass auch Beumanns Ehe mit der reizlosen Unternehmertochter Anne dieselbe trostlose Entwicklung nehmen wird wie diese Partnerschaften, die einmal in den Selbstmord der Ehefrau, das andere Mal in einen Autounfall münden, den der Ehemann durch sein Liebesgeplänkel herbeiführt und der denn auch seine politischen Pläne zunichte macht: „Cécile schrie auf, Alwin nahm den Blick aus dem Rückspiegel durch den er seinen Flirt mit ihr begonnen hat], sah im Bruchteil einer Sekunde noch das Licht, das auf ihn zuschoss, dann folgten zwei harte metallische Schläge . . .”.
Haus und Heim sind in diesem männlichen Daseinskampf nur die Feldlager, von denen aus die Eroberungszüge in die Frauenwelt unternommen werden. Das höchste Luxusgut der neuen Republik, die so erfolgreich am Wiederaufbau arbeitet, ist der Hautgout der Sünde. Während die Frauen das zusammengeraffte Geld ausgeben, beanspruchen die Männer als Gratifikation für ihre Leistung die Geliebte. Mit dem Wohlstandsbauch wächst die Lüsternheit.
„Ehen in Philippsburg” ist das Pendant zu den Sexskandalen von Franz Josef Strauß. Hier findet zwischen Buchdeckeln statt, was dort wenig später die Zeitung ans Tageslicht zog. Dem gloriosen Wirtschaftaufstieg haucht Martin Walser den erotischen Atem ein.
HANNELORE SCHLAFFER
Martin Walser
Foto: SZ-Archiv
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