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Er war der Organisator der Judenvernichtung: Adolf Eichmann. Wie konnte er sich nach dem Krieg fünfzehn Jahre lang verstecken? Wie gelang es ihm, 1961 in Jerusalem mit seinem Auftritt vor Gericht so viele davon zu überzeugen, dass sein Denken banal und er gerade darum nicht böse sei? Bettina Stangneths aufsehenerregendes Buch zeichnet das Bild eines gefährlichen Tricksers und Täuschers, der sich in jeder Lebenssituation und vor jedem Publikum neu inszenieren konnte, eines nationalsozialistischen Karrieristen, der nach 1945 keineswegs bereit war, im Dunkeln zu verschwinden. Und es gewährt…mehr

Produktbeschreibung
Er war der Organisator der Judenvernichtung: Adolf Eichmann. Wie konnte er sich nach dem Krieg fünfzehn Jahre lang verstecken? Wie gelang es ihm, 1961 in Jerusalem mit seinem Auftritt vor Gericht so viele davon zu überzeugen, dass sein Denken banal und er gerade darum nicht böse sei?
Bettina Stangneths aufsehenerregendes Buch zeichnet das Bild eines gefährlichen Tricksers und Täuschers, der sich in jeder Lebenssituation und vor jedem Publikum neu inszenieren konnte, eines nationalsozialistischen Karrieristen, der nach 1945 keineswegs bereit war, im Dunkeln zu verschwinden. Und es gewährt brisante Einblicke in die Geschichte der frühen Bundesrepublik. Eine fesselnde Recherche!
Ausgezeichnet mit dem NDR Kultur Sachbuchpreis.

Autorenporträt
Bettina Stangneth, geboren 1966, ist unabhängige Philosophin. Sie studierte in Hamburg Philosophie und promovierte über Immanuel Kant und das Radikal Böse. Für ihr Buch 'Eichmann vor Jerusalem' erhielt sie 2011 den NDR-Kultur-Sachbuch-Preis; die 'New York Times' zählte es zu den besten Büchern des Jahres. Bei Rowohlt erschienen zuletzt ihre hochgelobten Essays 'Böses Denken' (2015), 'Lügen lesen' (2017) und 'Hässliches Sehen' (2019) sowie die Bände 'Sexkultur' (2021) und 'Überforderung' (2022). Stangneth erhielt 2022 den Internationalen Friedrich-Nietzsche-Preis.
Rezensionen
Ein brillant geschriebenes Werk, das einiges an Sprengstoff enthält. SWR 2

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.12.2011

Buchenswert: Was das Jahr 2011 zu bieten hat
In diesem Jahr war das Interesse an allem, was mit dem Stempel „NS“ versehen werden kann, auf Seiten der Autoren und Verlage ungebrochen. Dies spielt sich auf allen Ebenen ab: Wir haben es mit exzellenten Editionen von Dokumenten zu tun, daneben leider aber auch mit Büchern, die das Äquivalent von „Sex, Crime & Rock’n’Roll“ im Nazireich suchen (letztere werden hier nicht angepriesen). Außerdem gibt es vorzügliche Darstellungen von einzelnen Aspekten. Dem allgemeinen Vorurteil zum Trotz sind heutige deutsche Historiker in der Lage, spannende Bücher zu verfassen, siehe zum Beispiel Bettina Stangneths detektivische Recherche über Adolf Eichmann. Die „süffige“ Gesamtschau über Angelegenheiten und Folgen des Zweiten Weltkriegs ist nach wie vor eher Sache von englischsprachigen Historikern wie zum Beispiel Frederick Taylor – dies vermutlich einfach deshalb, weil nicht-deutsche Historiker völlig unbefangen über das NS-Reich reden können, sie können die Grausamkeiten und den Aberwitz der Zeit so beschreiben, als gehe es um die Epoche von Dschingis Khan.
Auf dieser Seite werden einige Bücher über verschiedene Themen aus diesem Jahr vorgestellt, die ungemein lesenswert und gleichzeitig sehr gut geschrieben sind.
Franziska Augstein
Stolz der Nation
Michael Stolleis (Hrsg.):
Herzkammern der Republik. Die Deutschen und das Bundesverfassungsgericht. C. H. Beck, München 2011. 298 Seiten, 29, 95 Euro.
Eine bunt gemischte Autorenschar hat der Rechtshistoriker Michael Stolleis zusammengebracht: Nicht bloß Juristen und Journalisten, auch illustre Vertreter der Philosophie, der Kunstgeschichte, der Geschichts- und der Religionswissenschaft, ja sogar Reinhard Kardinal Marx, beschreiben aus ihrer je eigenen Perspektive die Rolle des Bundesverfassungsgerichts. Entstanden ist ein vorzügliches, hochanregendes Kompendium.
In diesem Jahr erschien auch Rolf Lamprechts Geschichte des Gerichts („Ich gehe bis nach Karlsruhe“, DVA, München 2011. 352 S., 19, 99 Euro). Der Journalist Rolf Lamprecht hat fast alle Präsidenten des Gerichts persönlich kennengelernt. Beide Bücher sind auch für juristische Laien amüsante Lektüre. Wer beide Bücher besitzt, weiß alles Nötige über der Deutschen liebste Institution.
Als der Krieg zu Ende ging
Frederick Taylor:
Zwischen Krieg und Frieden. Die Besetzung und Entnazifizierung Deutschlands 1944-1946. Aus dem Englischen übersetzt von Klaus-Dieter Schmidt. Berlin Verlag, Berlin 2011. 519 Seiten, 28 Euro.
Deutschland gegen Kriegsende: Katerstimmung macht sich breit. Die Menschen fürchten sich vor der Vergeltung. Viele wissen: Wovor sie sich nun fürchten, dass hat die Nation zuvor anderen angetan. Göring selbst hatte es ja gesagt: „Deutsches Volk, du musst wissen, wird der Krieg verloren, bist du vernichtet.“ Wie den Deutschen damals zumute war, schildert Frederick Taylor packend und anschaulich.
Von der historischen Gesamtdarstellung wechselt Taylor immer mal wieder in einzelne Küchen und Wohnzimmer. Oft genug kam es dort vor, dass die Frauen gegen das männliche Gehabe revoltierten. Wie ein Aristokrat in der Rückschau schrieb: „Im Untergang verliert das männliche Prinzip jeden Glanz.“
Brendels Wanderung
Kathrin Schmidt:
Finito. Schwamm drüber. Erzählungen. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011. 237 Seiten, 17, 95 Euro.
Günter Grass und die Kritikerin Sigrid Löffler sind nicht die Einzigen, die beklagt haben, dass viele jüngere deutsche Autoren sich ein bisschen zu wenig für Politik und Gesellschaft und ein bisschen sehr viel für ihr wertes, gut situiertes Ich interessieren. Von der aus Ostdeutschland stammenden Schriftstellerin Kathrin Schmidt haben die beiden da aber nicht gesprochen. Schmidts Erzählungen führen alle in den Kosmos eines leidenden, handelnden Menschen, der sich in seinem Umfeld zurechtfinden muss. Der alte Landstreicher Brendel, um nur einen zu nennen, macht sich auf in das Dorf seiner Jugend, das nur noch in seiner Phantasie wirklich ist. Kathrin Schmidts Erzählungen sind Poesie gewordene Betrachtungen der bundesdeutschen Gesellschaft, sie sind politisch von Bedeutung und große Literatur.
Der Mann, der die NS-Propaganda durchschaute
Friedrich Kellner:
„Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne.“ Tagebücher 1939-1945. Hrsg. von S. Feuchert u.a. Wallstein Verlag, Göttingen 2011. 2 Bände, 1200 Seiten, 59.90 Euro.
Friedrich Kellner war ein einfacher Mann. Der 1885 geborene Sozialdemokrat war erst Gerichtsschreiber und dann Justizinspektor. In der Nazizeit gab er, sein Leben war ihm lieb, seine politischen Aktivitäten auf; stattdessen sammelte er alles, was an Information über das NS-Reich und den Krieg zu haben war. In seinen Tagebüchern stellte er widersprüchliche Behauptungen einander gegenüber. Seine Tagebücher zeigen, dass ein skeptischer Mann von gutem Verstand aus der verlogenen Nazipropaganda herauszulesen imstande war, wie es um das Dritte Reich und seine Verbrechen tatsächlich stand. Kellners Aufzeichnungen werden zu Recht mit den berühmten Tagebüchern des jüdischen Intellektuellen Friedrich Klemperer verglichen. Diese Edition ist ein Glücksfall.
Ökologische Aufklärung
Joachim Radkau:
Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte. Verlag C. H. Beck, München 2011. 782 Seiten, 29,95 Euro.
Joachim Radkau ist beides: ein Mann mit Herz und ein vorzüglicher Wissenschaftler. Seine Geschichte der Ökologie im 20. Jahrhundert ist denn auch beides: Gnadenlose Bestandsaufnahme der Verwüstungen, die der Mensch der Umwelt antut, und Entwurf einer ökologischen Ökumene, die sich in der Welt und nicht in Wolkenkuckucksheim verwirklichen lassen könnte. Unser Rezensent schrieb, Radkau betreibe „ökologische Aufklärung“. In der Tat, Radkau ist ein Aufklärer, so wie viele Philosophen des 18. Jahrhunderts es waren. Von der Agrarwirtschaft bis zur Wasserversorgung, vom Militär bis zum Welttextilmarkt, von Energieproblemen bis zur Pharmachemie: Auf alle diese Themen geht Radkau ein in seinem fabelhaften Werk, das von der Zeitschrift Damals zum Buch des Jahres gewählt wurde.   
Wie der Chemiker zum Philosophen wurde
Primo Levi:
Ist das ein Mensch? und Die Atempause. Hanser Verlag, München 2011. 615 Seiten, 27, 90 Euro.
Primo Levi war Chemiker. Und er wurde zu einem großen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Hätte es den Zweiten Weltkrieg nicht gegeben, hätten die Deutschen Levi nicht nach Auschwitz verschleppt, wäre er es vermutlich zufrieden gewesen, seinen Freunden und Verwandten Briefe zu schreiben. – Möglicherweise genau aus diesem Grund sind sein jetzt neu aufgelegter Bericht über Auschwitz und seine pikareske Erzählung seiner Rückkehr nach Italien glanzvoll, ja unterhaltsam. Er hatte das Schlimmste durchgemacht, er wollte Zeugnis ablegen. Aber weil er sich selbst als Schriftsteller nicht allzu wichtig nahm, hat er zwei Bücher verfasst, die von großer Weltnähe zeugen, von einer Einsicht in das Menschliche und Allzumenschliche, die ihresgleichen sucht. (Mehr dazu in der SZ vom 24. Dezember)
Eine „jüdische“ Fliege
Bettina Stangneth:
Eichmann vor Jerusalem. Das unbehelligte Leben eines Massenmörders. Arche Verlag, Hamburg 2011. 656 Seiten, 39, 90 Euro.
Für ihr Buch ist Bettina Stangneth mit dem NDR-Sachbuchpreis ausgezeichnet worden. Fast zwölf Jahre lang hat sie daran gearbeitet. In seinem argentinischen Versteck hat Adolf Eichmann in den 50er Jahren dem Journalisten Willem Sassen und anderen Freunden im Geiste vor laufendem Tonband Auskunft gegeben. Jeden Fitzel Papier, den die Altnazis dazu hinterließen, hat Stangneth erstmals ausgewertet. Ihre Spurensuche ergab faszinierende Befunde. Eichmanns Freunde wollten seine Reden dazu verwenden, die Nazis von der Schuld am Holocaust reinzuwaschen. Stattdessen zeigte sich: Eichmann war stolz auf seine Taten. Stangneth schreibt mit Sinn für Sarkasmus; manches ist erschütternd. Einmal verirrte eine Fliege sich in die Runde, sie wurde erschlagen. Ein Mann rief: „eine jüdisch veranlagte Fliege“.
Die absolute Regierung
Bernd Greiner:
9/11. Der Tag, die Angst, die Folgen.
Verlag C. H. Beck,
München 2011.
280 S., 19,95 Euro.
Die enge Freundschaft der europäischen Nato-Länder mit den USA hat Risse bekommen. Nicht wenigen Europäern erscheint es zunehmend, als seien die Verhältnisse in den USA mit denen in Europa nicht mehr recht zu vergleichen. Anhand der Reaktion der Vereinigten Staaten auf die Terrorattacken vom 11. September 2001 erklärt der Historiker Bernd Greiner, wie sehr die Präsidenten der Vereinigten Staaten und ihre Kabinette sich selbständig gemacht haben, wie sehr sie Wert darauf legen, über die Köpfe der Bevölkerung und ihrer gewählten Repräsentanten hinweg zu regieren.
Greiner zeigt, dass diese Entwicklung nicht erst mit Präsident George W. Bush und seiner Clique begann, sondern in der Verfassung der USA angelegt ist. Sein Buch ist exzellent geschrieben und jedem zu empfehlen, der sich für die Vereinigten Staaten interessiert. 
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Eichmann war kein Schreibtischtäter, dieser Gewissheit nähert sich Christoph Jahr mit der Lektüre des Buches der Historikerin und Philosophin Bettina Stangneth. Die Autorin zeichnet Eichmanns Leben vor dem Prozess in Jerusalem nach und erstellt sein Psychogramm. Laut Jahr tut sie dies mit bemerkenswertem Selbstbewusstsein, aber auch mit einer Differenziertheit, die Jahr neue Einsichten beschert in Eichmanns antisemitisches Weltbild und sein Wirken als Massenmörder. Geradezu packend findet er die Schilderungen von Eichmanns Verwandlung zur grauen Maus vor dem Gericht in Jerusalem. Die alte Frage, inwieweit Stangneth dem Täter eine Bühne bereitet, beantwortet Jahr eindeutig: Die Balance stimmt, Eichmann wird ernst genommen, aber nicht überhöht.

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