Klug und eindringlich erzählt Philippe Besson vom Schmerz des Abschiednehmens und vom Ende einer großen Liebe.
Ein poetischer Abschiedsbrief an die verlorene große Liebe
Als Clément sie verlässt, flieht Louise aus Paris, reist nach Havanna, New York, Venedig - und schreibt ihm unablässig Briefe. Ihre Gedanken kreisen ganz um die verlorene Liebe, Clément aber antwortet nicht. Der eigentliche Adressat dieser Briefe ist vor allem Louise selbst. Die Erinnerung an das gemeinsame Leben, ihre Leidenschaft, ihr Glück und an all ihren Schmerz: Das sind die Etappen der inneren, bewegenden Reise. Louise erzählt sich ihre Liebe - und mit jedem Brief nimmt sie ein wenig Abstand davon.
Ein poetischer Abschiedsbrief an die verlorene große Liebe
Als Clément sie verlässt, flieht Louise aus Paris, reist nach Havanna, New York, Venedig - und schreibt ihm unablässig Briefe. Ihre Gedanken kreisen ganz um die verlorene Liebe, Clément aber antwortet nicht. Der eigentliche Adressat dieser Briefe ist vor allem Louise selbst. Die Erinnerung an das gemeinsame Leben, ihre Leidenschaft, ihr Glück und an all ihren Schmerz: Das sind die Etappen der inneren, bewegenden Reise. Louise erzählt sich ihre Liebe - und mit jedem Brief nimmt sie ein wenig Abstand davon.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.08.2010Warum gerade
Havanna?
Gut für den Strandurlaub:
„Abschied“ von Philippe Besson
Es gibt Bücher, die möchten große Literatur sein. Ihre Autoren suchen Metaphern und Geschichten, die das ihrer Zeit entsprechende Maß an Originalität überschreiten. Das heißt nicht, dass sie vor dem Hintergrund der Literaturgeschichte alleine dastünden, aber sie fallen auf, weil sie sich auf erzählerische oder poetische Konzepte beziehen, deren literarische Ergebnisse gerade wenig Erfolg versprechen, etwa, weil sie es nicht auf eine einfach lesbare Sprache oder eine geradlinige Dramaturgie anlegen. Und dann gibt es Bücher, die tun genau das: Sie nehmen sich ein gängiges Thema, bemühen sich literarisch um keinerlei Innovation, und doch tut man sich schwer, sie als Ausdruck von Opportunismus zu sehen.
So wie bei „Abschied“ von Philippe Besson, das eine ergreifend banale Geschichte erzählt – die Probleme einer verlassenen Geliebten, deren Gefährte zu seiner Dauerfreundin zurückgekehrt ist –, ein Buch, das sich auch bei der sozialen Zuordnung seiner Heldin keinerlei Mühe gibt, das potentielle Käuferinnensegment zu verprellen, und eine recht gut verdienende Journalistin um die vierzig vorstellt, die vor ihren Problemen nach Havanna „flüchtet“, dann nach New York, von dort nach Venedig, woher sie im Orient-Express nach Paris zurückkehrt. Ein Buch fürs Handgepäck der lesenden Dame, und der Rezensent, der es zugeschickt bekommt, mag es einige Zeit gar nicht erst zu lesen beginnen. Aber immerhin, eine „Sünde“ haftet an dem Werk: Ein Mann hat es geschrieben, keine Betroffene, und so denkt man, entweder ist es noch schlimmer als erwartet oder vielleicht sogar besser? Schließlich gibt es auch von Arthur Schnitzler, einem manischen Frauenhelden, eine ganze Reihe klassischer Frauen-Erzählungen, die noch heute nicht nur diesen gefallen, von „Frau Beate und ihr Sohn“ bis hin zu „Berta Garlan“.
Im Jammerfall
Und tatsächlich hat auch das, was einen am Ende immer wieder für Bessons kleines Buch „Abschied“ einnimmt, letztlich wenig mit der „richtigen“ Perspektive zu tun. Es geht darum, dass Besson es, hervorragend unterstützt von seiner Übersetzerin Caroline Vollmann, hier schafft, einen unauffällig getragenen Sound zu erzeugen, alle klassischen Emotionen im Jammerfall auszukosten, dabei aber zu schreiben, als sei seine Sprache gar nicht da. Sie wirkt sehr zurückgenommen, letztlich unterkühlt, so sehr geht sie in ihrem Thema auf.
Dezent gibt Philippe Besson immer wieder gute Begründungen für das dekorativ reiserische Treiben seiner traurigen Frau. Warum gerade nach Havanna? „Ich wollte ein Land, dessen Sprache ich nicht spreche. Die Worte um mich herum sollten unverständlich sein, mich wie ein Getöse oder ein Murmeln umgeben . . .“ Dann macht eine Angestellte im Pariser Reisebüro noch die bei genauerer Betrachtung recht enigmatische Bemerkung: Havanna sei „eine Stadt, die seit Jahrzehnten erstarrt ist und immer mehr zerfällt, aber das Meer schützt sie“, und schon sind Protagonistin und Stadt kaum zu unterscheiden. Selbst im Venedig-Kapitel, in dem Besson manchmal schmerzhaft in die Klischeefalle tappt, gibt es einfache, aber passende Sätze: „Ich wende der Zukunft den Rücken zu. In welcher anderen Stadt könnte man das besser als hier?“ Ganz ähnlich gelingt es Besson, beim „Liebesthema“ immer wieder, die ewig-alten Verletzungen ein klein wenig zu drehen und wieder sagbar zu machen: „Man kann es anders ausdrücken: Ich träumte von einem Geliebten, du wolltest nur ein Liebhaber sein.“
Das ganze Buch besteht aus einer Reihe von Briefen, welche die Ich-Erzählerin schreibt, ohne sich groß darum zu kümmern, ob sie wirklich für ihren Adressaten bestimmt sind oder ihn erreichen. Am Ende zeichnen sich, aha, ein neuer Mann, eine Art neues Leben ab. Auch das ist nicht originell. Aber weil dieses Buch nie mehr sein will als gut geschriebene Strand-/Unterhaltungsliteratur und genau dies erfüllt, macht das gar nichts. HANS-PETER KUNISCH
PHILIPPE BESSON: Ein Abschied. Aus dem Französischen von Caroline Vollmann. DTV Premium, München 2010. 155 Seiten, 14,90 Euro.
Philippe Besson
Foto: Interfoto / Writer Pictures Ltd
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Havanna?
Gut für den Strandurlaub:
„Abschied“ von Philippe Besson
Es gibt Bücher, die möchten große Literatur sein. Ihre Autoren suchen Metaphern und Geschichten, die das ihrer Zeit entsprechende Maß an Originalität überschreiten. Das heißt nicht, dass sie vor dem Hintergrund der Literaturgeschichte alleine dastünden, aber sie fallen auf, weil sie sich auf erzählerische oder poetische Konzepte beziehen, deren literarische Ergebnisse gerade wenig Erfolg versprechen, etwa, weil sie es nicht auf eine einfach lesbare Sprache oder eine geradlinige Dramaturgie anlegen. Und dann gibt es Bücher, die tun genau das: Sie nehmen sich ein gängiges Thema, bemühen sich literarisch um keinerlei Innovation, und doch tut man sich schwer, sie als Ausdruck von Opportunismus zu sehen.
So wie bei „Abschied“ von Philippe Besson, das eine ergreifend banale Geschichte erzählt – die Probleme einer verlassenen Geliebten, deren Gefährte zu seiner Dauerfreundin zurückgekehrt ist –, ein Buch, das sich auch bei der sozialen Zuordnung seiner Heldin keinerlei Mühe gibt, das potentielle Käuferinnensegment zu verprellen, und eine recht gut verdienende Journalistin um die vierzig vorstellt, die vor ihren Problemen nach Havanna „flüchtet“, dann nach New York, von dort nach Venedig, woher sie im Orient-Express nach Paris zurückkehrt. Ein Buch fürs Handgepäck der lesenden Dame, und der Rezensent, der es zugeschickt bekommt, mag es einige Zeit gar nicht erst zu lesen beginnen. Aber immerhin, eine „Sünde“ haftet an dem Werk: Ein Mann hat es geschrieben, keine Betroffene, und so denkt man, entweder ist es noch schlimmer als erwartet oder vielleicht sogar besser? Schließlich gibt es auch von Arthur Schnitzler, einem manischen Frauenhelden, eine ganze Reihe klassischer Frauen-Erzählungen, die noch heute nicht nur diesen gefallen, von „Frau Beate und ihr Sohn“ bis hin zu „Berta Garlan“.
Im Jammerfall
Und tatsächlich hat auch das, was einen am Ende immer wieder für Bessons kleines Buch „Abschied“ einnimmt, letztlich wenig mit der „richtigen“ Perspektive zu tun. Es geht darum, dass Besson es, hervorragend unterstützt von seiner Übersetzerin Caroline Vollmann, hier schafft, einen unauffällig getragenen Sound zu erzeugen, alle klassischen Emotionen im Jammerfall auszukosten, dabei aber zu schreiben, als sei seine Sprache gar nicht da. Sie wirkt sehr zurückgenommen, letztlich unterkühlt, so sehr geht sie in ihrem Thema auf.
Dezent gibt Philippe Besson immer wieder gute Begründungen für das dekorativ reiserische Treiben seiner traurigen Frau. Warum gerade nach Havanna? „Ich wollte ein Land, dessen Sprache ich nicht spreche. Die Worte um mich herum sollten unverständlich sein, mich wie ein Getöse oder ein Murmeln umgeben . . .“ Dann macht eine Angestellte im Pariser Reisebüro noch die bei genauerer Betrachtung recht enigmatische Bemerkung: Havanna sei „eine Stadt, die seit Jahrzehnten erstarrt ist und immer mehr zerfällt, aber das Meer schützt sie“, und schon sind Protagonistin und Stadt kaum zu unterscheiden. Selbst im Venedig-Kapitel, in dem Besson manchmal schmerzhaft in die Klischeefalle tappt, gibt es einfache, aber passende Sätze: „Ich wende der Zukunft den Rücken zu. In welcher anderen Stadt könnte man das besser als hier?“ Ganz ähnlich gelingt es Besson, beim „Liebesthema“ immer wieder, die ewig-alten Verletzungen ein klein wenig zu drehen und wieder sagbar zu machen: „Man kann es anders ausdrücken: Ich träumte von einem Geliebten, du wolltest nur ein Liebhaber sein.“
Das ganze Buch besteht aus einer Reihe von Briefen, welche die Ich-Erzählerin schreibt, ohne sich groß darum zu kümmern, ob sie wirklich für ihren Adressaten bestimmt sind oder ihn erreichen. Am Ende zeichnen sich, aha, ein neuer Mann, eine Art neues Leben ab. Auch das ist nicht originell. Aber weil dieses Buch nie mehr sein will als gut geschriebene Strand-/Unterhaltungsliteratur und genau dies erfüllt, macht das gar nichts. HANS-PETER KUNISCH
PHILIPPE BESSON: Ein Abschied. Aus dem Französischen von Caroline Vollmann. DTV Premium, München 2010. 155 Seiten, 14,90 Euro.
Philippe Besson
Foto: Interfoto / Writer Pictures Ltd
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Hans-Peter Kunisch hat das Buch mit an den Strand genommen, wo es hingehört. Nach einigen Bedenken geht das für den Rezensenten in Ordnung, denn der Autor beherrscht es einfach, die "ergreifend banale" Geschichte von der Verlassenen auf Reisen (Havanna, Venedig, Paris sind die romantischen Stationen) zu erzählen, ohne über das potentielle Käuferinnensegment hinaus zu schielen. Umso überraschter ist Kunisch, dass er regelrecht Gefallen findet am unaufgeregten, "hervorragend" ins Deutsche übertragenen Ton, an einer Sprache, die gleichsam Luft ist und die Klischees (manchmal zu viele) so prima transportiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Ehrlich, ergreifend, gut."
Münstersche Zeitung 10.04.2010
Münstersche Zeitung 10.04.2010