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Die große Wiederentdeckung aus Amerika.
"Ein Amerikaner" liest sich wie das Kaleidoskop einer Reise durch die Seele Amerikas, ein unabwendbares Schicksal, derart reich an Entdeckungen und Kontrasten, dass Roths moderne Interpretation des wandernden Juden selbst Tocqueville geblendet zurückgelassen hätte." -- Los Angeles Times
Henry Roth, der 1995 starb, hatte eine ungewöhnliche Schriftstellerkarriere. Sein erster Roman "Nenn es Schlaf" (1934) wurde in Amerika zu einem großen Erfolg und zum Klassiker. Es folgten sechs Jahrzehnte der Schreibblockade, bis er mit über achtzig Jahren nach dem
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Produktbeschreibung
Die große Wiederentdeckung aus Amerika.

"Ein Amerikaner" liest sich wie das Kaleidoskop einer Reise durch die Seele Amerikas, ein unabwendbares Schicksal, derart reich an Entdeckungen und Kontrasten, dass Roths moderne Interpretation des wandernden Juden selbst Tocqueville geblendet zurückgelassen hätte." -- Los Angeles Times
Henry Roth, der 1995 starb, hatte eine ungewöhnliche Schriftstellerkarriere. Sein erster Roman "Nenn es Schlaf" (1934) wurde in Amerika zu einem großen Erfolg und zum Klassiker. Es folgten sechs Jahrzehnte der Schreibblockade, bis er mit über achtzig Jahren nach dem Tod seiner Frau zum Schreiben zurückkehrte und in einem Schaffensrausch Tausende von Manuskriptseiten verfasste, die später in einen vierbändigen Romanzyklus einflossen. Romanheld und Alter Ego in all seinen Werken ist die jüdisch-amerikanische Figur des Ira Stigman, dessen Lebens- und Leidensweg fast ein ganzes Jahrhundert umfasst. "Ein Amerikaner" ist der krönende Abschluss seines Werks, in dem Roth nicht nur die dreißiger Jahre in Amerika wiederaufleben lässt, sondern auch seiner Ehefrau, der Pianistin und Komponistin Muriel Parker, ein Denkmal setzt.
Autorenporträt
Roth, Henry
Henry Roth (1906-1995) wurde als Sohn jüdischer Eltern in Galizien geboren. 1909 emigrierte die Familie nach New York. Roth wuchs in Brooklyn und der Lower East Side auf. Später studierte er am City College, New York. Mit Anfang dreißig veröffentlichte er seinen Debütroman Call it Sleep (Nenn es Schlaf). Nach Jahrzehnten der Schreibblockade arbeitete er bis zu seinem Tod an dem mehrbändigen Romanzyklus Mercy of a Rude Stream. Der Roman Ein Amerikaner ist sein letztes Werk, das von einem Lektor des New Yorker bearbeitet und herausgegeben wurde.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2011

Scheitern eines amerikanischen Traums

Die Bücher von Henry Roth sind Ereignisse. Mit "Ein Amerikaner" liegt nun der fünfte Band seines Romanzyklus "Die Gnade eines wilden Stroms" vor: das Dokument einer rettenden Liebe.

Von Andreas Nohl

Jede neue Publikation aus dem Nachlass von Henry Roth kommt einer Sensation gleich. Der junge amerikanische Literaturredakteur Willing Davidson hat sich der Arbeit unterzogen, aus einem Konvolut von annähernd 2000 Manuskriptseiten ein zusammenhängendes Stück Erzählliteratur zu destillieren, das nun in einem Umfang von 370 Seiten auf Deutsch vorliegt: "Ein Amerikaner", im Original "An American Type". Zu danken ist dieses literarische Ereignis vor allem der Übersetzerin Heide Sommer, die sich von der ersten Stunde an für die Publikation der nunmehr fünfbändigen romanhaften Autobiographie "Mercy of a Rude Stream" in Deutschland eingesetzt hat. Auch wenn man ihren Übersetzungsentscheidungen nicht immer zustimmen möchte: Ihr gebührt das höchste Lob.

Henry Roth gilt aufgrund seines Romans "Call It Sleep" (Nenne es Schlaf) zu Recht als einer der großen jüdisch-amerikanischen Autoren des vergangenen Jahrhunderts. Mit nur achtundzwanzig Jahren legte er diesen Roman 1934 vor - die in Inhalt und Form ungeheuerliche Geschichte des kleinen jüdischen Einwandererjungen David Schearl in New York. "Eine der größten literarischen Leistungen in der amerikanischen Literatur dieses Jahrhunderts", schrieb der englische Kritiker Walter Allen; als Parallelen wurden Joyces "Ulysses" und Twains "Huckleberry Finn" genannt. Denn "Call It Sleep" ist ein Roman, der sich, neben avancierten Erzähltechniken, in ungewöhnlicher Meisterschaft und Differenzierung der Slangsprache des Schmelztiegels bedient. Aber nicht die formalen Eigenschaften machen das Buch zu einem Meisterwerk, sondern die atemberaubende Intensität der Erzählung selbst.

Das Buch, kaum erschienen, geriet durch den Bankrott des Verlages in den Strudel der wirtschaftlich desaströsen Zeiten und in Vergessenheit, während Henry Roth sich in einer massiven Schreibblockade verlor. Sechzig Jahre lang schwieg der Autor - abgesehen von einer erratischen Sammlung kürzerer Texte, die sein italienischer Übersetzer und Freund Mario Materassi unter dem Titel "Shifting Landscape" 1987 herausgab. Roth wurde unterdessen Metallschleifer, Mathematiklehrer, Geflügelzüchter, Vater zweier Söhne. Die Publikation des ersten Bandes seiner Autobiographie, "A Star Shines over Mt. Morris Park", erregte 1994 großes Aufsehen. Der Verlag kündigte fünf weitere Bände an. Bereits der nächste, "A Diving Rock on the Hudson", der noch im letzten Lebensjahr von Roth erschien, enthielt die einschränkende Vorbemerkung: "Dieser Roman ist keine Autobiographie und sollte auch nicht als solche verstanden werden."

Die Warnung - die übrigens in der deutschen Ausgabe fehlt - war deswegen sonderbar, weil in dem Buch für jedermann ersichtlich das authentische Leben des Autors behandelt wurde. Damit verschob sich die Definition des Werks von der romanhaften Autobiographie zum nicht autobiographischen Roman. Geschuldet war dies dem Umstand, dass Roth in diesem zweiten Band eine in der Geschichte der Literatur einzigartige Zäsur vornahm: auf Seite 141 wird der Stammbaum der Familie, der dem Buch voransteht, erneut und erweitert abgedruckt. Der Grund für diese Veränderung liegt darin, dass der Autor unvermittelt die jüngere Schwester Minnie einführt, mit der Ira ab der Pubertät ein intensiv-inzestuöses Verhältnis pflegt - mit Lust und Beschämung und einer Wucht der Selbstverwerfung, die in der Rückschau alttestamentarische Züge annimmt. Um einem Prozess mit Roths Schwester vorzubeugen, wurde das Buch als fiktiver Roman ausgegeben.

Das änderte aber keineswegs etwas daran, dass die vier Bände eine (auto)biographische Einheit bilden. Sie decken etwa den Zeitraum von 1914 bis 1930 ab. Diese vier Bücher sind in der Folge auch auf Deutsch erschienen, allerdings bei drei verschiedenen Verlagen: Beltz-Quadriga ("Die Gnade eines wilden Stroms", "Ein schwimmender Fels am Ufer des Hudson"), Ullstein ("Die Entfesselung"), Rotbuch ("Requiem für Harlem"). Nun "Ein Amerikaner" bei Hoffmann und Campe.

Protagonist des Buchs ist Ira Stigman, das Alter Ego des Verfassers. Ira heißt im Hebräischen der Wachsame/Wehrhafte, im Lateinischen Zorn. Lässt man bei Stigman den letzten Buchstaben weg, bleibt Stigma übrig. Welches Stigma also trägt der wachsame, zornige Ira hier?

Ira hat seinen großen Roman abgeschlossen; er ist Anfang Dreißig und wird ausgehalten von der New Yorker Literaturprofessorin Edith. Die Kritik der kommunistischen Linken, sein Roman sei im Grunde "bourgeois", schüchtert Ira ein. Er ist in jeder Hinsicht um Anpassung bemüht. Ein Stipendium in der Künstlerkolonie von Yaddo soll seinem zweiten Roman - proletarisch korrekt über den verkrüppelten Arbeiter Bill Loem - neuen Schwung verleihen. Dort aber lernt er die elegante junge Komponistin M kennen, sie verlieben sich. Ira ist mit seiner Situation unzufrieden, vor allem mit seiner finanziellen Abhängigkeit von Edith und seiner Unfähigkeit, etwas Neues zu schreiben und sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Kurzentschlossen fährt er mit Bill und dessen Familie nach Los Angeles, um dort Arbeit als Drehbuchschreiber zu suchen. Diese Reise wird durch die manische Unausgeglichenheit von Bills Charakter, seine pseudorevolutionäre Besserwisserei und Selbstgerechtigkeit zur seelischen Höllenfahrt. Bill ist in vieler Hinsicht ein Spiegelbild von Iras eiferndem, jähzornigem Vater. Aber auch hier befindet sich Ira in einer verdrießlichen Abhängigkeit, und es wird schnell deutlich, warum er seinen Roman über Bill nie zu Ende schreiben wird.

Erst seine Trennung von Bill und seine Rückkehr nach New York unter abenteuerlichsten Umständen geben der Handlung einen romanhaften Schub. Die Fahrt als Tramp in Güterwaggons - "in dieser donnernden Krypta auf Schienen" - quer durch die Vereinigten Staaten mit den typischen abgerissenen Figuren erinnern stellenweise an Jack Londons "Abenteuer des Schienenstrangs". Zurück in New York trennt sich Ira von Edith und schmiedet zusammen mit M jenes Liebesbündnis, das beide in geradezu symbiotischer Weise vor den Bedrängnissen einer aus den Fugen geratenen Zeit beschützen wird.

Zugleich ist dieser Roman ein Buch des Abschieds: Bereits der Prolog schlägt einen Bogen von der Werbung um M bis zu ihrem Tod. Immer wieder beschwört der Autor das Bild der hochgewachsenen, schlanken Frau herauf, die ihm mit ihrem eher vornehmen Oak-Park-Hintergrund - "ausgerechnet der Heimat von Ernest Hemingway" - die Zugehörigkeit zur amerikanischen Gesellschaft verhieß, die er als jüdischer Außenseiter so sehr ersehnte. Denn der Antisemitismus im Amerika jener Depressionsjahre war keineswegs nur latent: "Und kaum hatten sich alle auf ihre Plätze gesetzt, als auch schon die fatale Frage gestellt wurde - und zwar von dem ehemaligen Geflügelzüchter, der rechts neben ihm saß: Ob Ira Jude sei. ,Wer - ich?' Eine Sekunde warten, um das Schwanken vor dem Absturz zu verlängern: ,Nein, ich doch nicht.' Und dann folgte das übliche Herumgebohre." Da sie ihn dennoch für einen Juden halten, können sie ihn nun "schikanieren, über ihn herfallen und ihn in die Judenzange nehmen - ihre Lieblingsbeschäftigung".

Doch nicht der Antisemitismus, auch nicht allein die Herkunft aus armen jüdischen Verhältnissen liegt der spezifischen Lebensproblematik des Protagonisten zugrunde. Die Wucht und auch die Schonungslosigkeit, mit der Henry Roth zum Teil über sein Alter Ego zu Gericht sitzt, belegen eine schmerzhafte Zerfallenheit des Autors mit sich selbst. In "Ein Amerikaner" entsteht das Bild eines zutiefst verunsicherten, fast krankhaft ambivalenten Mannes. Von Anfang an herrscht der Ton des Selbstzweifels.

Iras Stigma ist das des künstlerischen Außenseiters, der die Hoffnungen, die in ihn gesetzt werden, nicht erfüllen kann. Mit scharfem Blick seziert Roth das eigene Ungenügen nicht anders als das seiner Zeitgenossen. Sie alle haben ihre Ideale aufgegeben. Bill Loem ist alles andere als der Vorzeigeproletarier, mit dem sich eine bessere neue Welt aufbauen ließe. Der Vater von M hat seine protestantisch-christlichen Ideale für einen lukrativeren Job an den Nagel gehängt. Das moralische Scheitern lauert überall in Amerika, auch und vor allem bei den Einwanderern. "Ira hatte das Gefühl, dass für alle seine Verwandten die Ankunft in diesem Land zu einer Art prosaischer Tragödie geworden war. . . Sie schienen sich aufzuopfern für etwas, das Ira nicht benennen konnte. Für Amerika? Die amerikanische Lebensart? Den amerikanischen Traum? Es kam ihm so vor, als opferten sie sich für den Erfolg."

Ira ist nicht bereit, diesen Weg um des Erfolgs willen mitzugehen. Er hat nur zwei Möglichkeiten: die berufliche Selbstentfremdung, die er bei allen Menschen sieht, zu teilen oder die Entfremdung des Künstlers von der Gesellschaft in Kauf zu nehmen. Vor beidem scheut Ira zurück, und eine Lösung der paradoxen Krise findet sich allein in der Liebe zu M. Insofern ist "Ein Amerikaner" das Dokument einer großen, rettenden Liebe.

Das Projekt, aus einem großen Konvolut von Manuskriptseiten durch editorische Eingriffe ein neues Buch herzustellen, kennt überzeugende Vorbilder: 1986 erschien "The Garden of Eden" von Hemingway, und der Leser, der den Autor längst zu kennen glaubte, entdeckte eine vollkommen neue Facette an ihm. Ähnlich gelungen war 1999 die Publikation "True At First Light" von demselben Autor.

Die vier Vorläuferbände von Roths Autobiographie verzichten auf eine geschlossene Romanhandlung, vielmehr entwickelt sich die Erzählung aus episodischen Erinnerungsfragmenten. Neben dem Protagonisten Ira, dessen Geschichte erzählt wird, steht der achtzigjährige Schriftsteller, der sich erinnert und zugleich von seinem beschwerlichen Alltag Zeugnis gibt. Er leidet unter rheumatoider Arthritis und kann mit seinen schmerzverkrümmten Fingern nur noch am Computer schreiben: A. C. und P. C., die christliche Zeitrechnung, wird für ihn zu Ante und Post Computer. "Ecclesias", der nach dem Predigerbuch des Alten Testaments ("Alles ist eitel") benannte Computer, vertritt in den inneren Gesprächen des Autors eine objektivierende Instanz. Schonungslos weist er auf Unterschlagungen des erinnernden Bewusstseins hin und erspart dem Autor keine noch so peinliche Selbstentblößung.

Dieses starke kathartische Moment fehlt in "Ein Amerikaner". Aber mehr noch, die Alltagsszenen, darunter auch die kostbaren Miniaturen, die das Eheleben mit M im Wohntrailer schildern, sowie die fein gearbeitete episodische Struktur wurden aufgegeben zugunsten einer braven chronologischen Erzählung. Im Vergleich mit den Vorgängerbüchern fühlt sich das Ganze an wie ein Braten aus zusammengeklebtem Fleisch. Die Zerrissenheit, die ständige Selbstinfragestellung, die in der komplexen Textform ihre ästhetische Beglaubigung erhielt, wird dadurch auf inhaltliche Einsprengsel reduziert. Durch die Konstruktion eines Prologs und Epilogs versucht der Herausgeber, eine Klammer zu schaffen, die den Verlust der mehrschichtigen Struktur kompensieren soll - mit unzureichendem Erfolg. Die Beschwörung von M im Epilog - "seine M, seine unbeschreiblich kostbare M, ein Teil von ihm, mit ihm verflochten, verwoben, eins geworden, eins, eins, eins" - liest sich formelhaft und jedenfalls diametral dem entgegengesetzt, was Henry Roth in seinen anderen Werken der amerikanischen Literatur an neuen Dimensionen, an neuer Tiefe und Empathie erobert hat.

Henry Roth: "Ein Amerikaner". Roman.

Aus dem Amerikanischen von Heide Sommer. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2011. 448 S., geb., 23,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Da Henry Roth vor allem als berühmtestes Beispiel einer fast lebenlangen Schreibblockade gilt, begrüßt Bernadette Conrad den posthum erschienenen Roman "Ein Amerikaner" besonders. Hier kann man nämlich einen Erzähler entdecken, der ungemein komisch ist und von Geschichten aus dem jüdischen Einwanderermilieu nur so sprudelt, schwärmt sie. Wie schon sein Alterswerk "Mercy of a Rude Stream", das Roth mit über 80 Jahren schrieb, ist auch die Hauptfigur dieses Romans autobiografisch angelegt, erfahren wir. Erzählt wird die Geschichte des Sohns jüdischer Einwanderer, der vor seiner Mäzenatin und vor seiner künftigen Frau quer durch Amerika flieht, erklärt die Rezensentin. Sie ist hingerissen von der komischen und selbstironischen Darstellung nicht nur des Protagonisten, sondern der vielen skurrilen Gestalten seiner Verwandtschaft, die unter Entwurzelung und Antisemitismus in der neuen Heimat leiden. Nicht verschweigen will die Rezensentin, dass der Roman vom Lektor des "New Yorker", Willing Davidson, aus einem ungeordneten Textkonvolut erst zusammengestellt und mit einer Rahmengeschichte versehen worden ist. Aber das Ergebnis überzeugt sie offensichtlich, und sie gibt ihrer Hoffnung Ausdruck, dass der 1995 gestorbene Autor noch von vielen Lesern als faszinierender Erzähler entdeckt wird und nicht nur als derjenige in Erinnerung bleibt, der fast 60 Jahre nicht schreiben konnte.

© Perlentaucher Medien GmbH
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"Ein Stück amerikanische Geschichte und zugleich eine wunderbare Liebesgeschichte im Amerika der großen Rezession." Bücher, 07.2011