Die Vereinten Nationen sind im Irak gescheitert. Ihr Sanktionsregime hat die derzeit katastrophale Lage des Landes mitverursacht und dabei menschliche Grundrechte, wie die auf Nahrung, Gesundheit oder Erziehung, jahrelang missachtet.
Das Programm »Öl für Lebensmittel« sollte in der Zeit des Wirtschaftsembargos von 1996 bis Ende 2003 humanitäre Hilfe für das irakische Volk sichern. Stattdessen haben Probleme wie Budgetbeschränkungen, Programmverzögerungen und vor allem die Politik einiger Mitglieder des Weltsicherheitsrats die rapide Verarmung der irakischen Bevölkerung und den Tod vieler unschuldiger Menschen verursacht.
Der Autor war von 1998 bis 2000 als UN-Koordinator und beigeordneter UN-Generalsekretär selbst verantwortlich für das Programm. Mit seinem Buch legt er einen Insider-Bericht über die Irak-Politik der Vereinten Nationen vor, der erstmals die verhängten Sanktionen und ihre verheerenden Folgen umfassend dargestellt und analysiert.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Das Programm »Öl für Lebensmittel« sollte in der Zeit des Wirtschaftsembargos von 1996 bis Ende 2003 humanitäre Hilfe für das irakische Volk sichern. Stattdessen haben Probleme wie Budgetbeschränkungen, Programmverzögerungen und vor allem die Politik einiger Mitglieder des Weltsicherheitsrats die rapide Verarmung der irakischen Bevölkerung und den Tod vieler unschuldiger Menschen verursacht.
Der Autor war von 1998 bis 2000 als UN-Koordinator und beigeordneter UN-Generalsekretär selbst verantwortlich für das Programm. Mit seinem Buch legt er einen Insider-Bericht über die Irak-Politik der Vereinten Nationen vor, der erstmals die verhängten Sanktionen und ihre verheerenden Folgen umfassend dargestellt und analysiert.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.01.2006Im Gewirr der Politik
Zwiespältige Bilanz des "Öl für Lebensmittel"-Programms im Irak
Die Vereinten Nationen können, was effiziente Organisation und administrative Rationalität, was die Transparenz ihrer bürokratischen Strukturen angeht, wahrlich nicht als vorbildlich angesehen werden. Im Gegenteil: In der UN-Reformdebatte der letzten Jahre wurde immer wieder beklagt, daß die organisationsinterne Kommunikation zu wünschen übrigläßt, daß die Kontrolle bei der Umsetzung von Aufträgen des Sicherheitsrates zu lasch ist und daß der Hang zu einer Art byzantinistischem Schlendrian unausrottbar zu sein scheint.
Graf Sponeck war nur für kurze Zeit, nämlich von Ende 1998 bis Anfang 2000, Koordinator der Vereinten Nationen für humanitäre Maßnahmen im Irak und in dieser Funktion der leitende Manager des "Öl für Lebensmittel"-Programms. Auf dieses Programm hatten sich 1995 nach zähem Ringen der Irak und die Vereinten Nationen geeinigt. Es lief aber erst im Dezember 1996 an. Danach sollten - verkürzt gesagt - Einnahmen aus dem Export irakischen Erdöls dazu verwendet werden, im Ausland Lebensmittel und Arzneien einzukaufen und an die irakische Bevölkerung zu verteilen. Nach dem Ende des zweiten Golfkriegs 1991 war der irakische Diktator Saddam Hussein an der Macht geblieben. Einige Mächte im Sicherheitsrat, vor allem die Vereinigten Staaten und Großbritannien, befürchteten eine rasche Wiederaufrüstung des Iraks mit Massenvernichtungswaffen. Dies sollte über die Waffenkontrolleure der Sonderkommission der Vereinten Nationen im Irak (UNSCOM) und über Wirtschaftssanktionen verhindert werden, ebenso wie die militärische Drangsalierung der Schiiten im Süden und der Kurden im Norden des Iraks durch die Einführung von Flugverbotszonen für irakische Flugzeuge unterbunden werden sollte.
Das "Öl für Lebensmittel"-Programm war gedacht als ein humanitäres Maßnahmenbündel, um das Leiden der irakischen Bevölkerung an den Folgen der desaströsen Politik Bagdads zu mildern und damit deutlich zu machen, daß die Sanktionen gegen das Regime und nicht gegen die Bevölkerung gerichtet waren. Die Vereinten Nationen, schreibt Graf Sponeck, hatten nie zuvor ein größeres, komplizierteres und politisierteres humanitäres Programm gestartet. Die Zahlen sind eindrucksvoll: Vom 10. Dezember 1996 bis zum 3. Juni 2003 - an diesem Tag lief das Programm aus, die Sanktionen waren aufgehoben - betrug der "Umsatz" des Programms etwas über 64,5 Milliarden Dollar. Davon wurden allerdings nicht nur die Versorgung der irakischen Bevölkerung mit Lebensmitteln und medizinischen Gütern bezahlt, sondern auch andere Posten, zum Beispiel Kriegsentschädigungen und die Waffenkontrollen. Manches Geld wanderte in dunkle Kanäle. Ein solches Programm auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite zu managen erfordert eine Menge Sachverstand, in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Der war in der Kürze der Zeit, bei den beschränkten Mitteln der Vereinten Nationen und nicht zuletzt wegen der von Graf Sponeck vehement beklagten "Politisierung" des Programms nur ansatzweise zu mobilisieren.
Die Perspektive eines Insiders erlaubt es dem Autor, (fast) alle Probleme und Mißhelligkeiten, die mit dem Programm verbunden waren, ausführlich zu schildern. Denn obgleich man zu dem Schluß kommen muß, daß dieses Programm den Irakern das Schlimmste erspart hat, wäre doch mehr und Besseres zu erreichen gewesen. Und hier kommt wieder die Vehemenz des Autors ins Spiel. Man kann sein Buch als einen überaus informationsreichen und in Teilen sogar richtig spannenden Bericht über die politischen und organisatorischen Schwierigkeiten weitreichender humanitärer Hilfsprogramme lesen - sogar mit der Vorstellung, daß sich aus den Fehlern bei diesem Programm sehr viel lernen läßt. Eine solche Lesart würde der Autor vermutlich als Verharmlosung seines Buches ansehen. Denn es geht ihm vor allem um eine politische Anklage des Sicherheitsrates, insbesondere der Amerikaner und Briten. Ihnen unterstellt er ein fundamentales Desinteresse am Erfolg des "Öl für Lebensmittel"-Programms. Dabei ist er nicht wählerisch mit seinen Vokabeln. Starrsinn, Heuchelei und Gefühllosigkeit wirft er dem Sicherheitsrat vor und bürdet ihm allein die Verantwortung für die miserable Lage der irakischen Bevölkerung nach 1990 auf. Das schießt weit übers Ziel hinaus. Aber es enthüllt auch ein Strukturproblem internationaler humanitärer Aktionen. Im Idealfall würde dort, wo humanitäre Hilfe einsetzt, die Politik aufhören. Das ist aber utopisch. Auch humanitäre Hilfe ist, bis zu einem gewissen Grad, die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Das hat Graf Sponeck nicht akzeptiert. Eine ehrenhafte, aber nicht haltbare Position.
WILFRIED VON BREDOW
Hans-C. Graf Sponeck: Ein anderer Krieg. Das Sanktionsregime der UNO im Irak. Aus dem Englischen von Michael Bayer und Norbert Juraschitz. Hamburger Edition, Hamburg 2005. 365 S., 35,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zwiespältige Bilanz des "Öl für Lebensmittel"-Programms im Irak
Die Vereinten Nationen können, was effiziente Organisation und administrative Rationalität, was die Transparenz ihrer bürokratischen Strukturen angeht, wahrlich nicht als vorbildlich angesehen werden. Im Gegenteil: In der UN-Reformdebatte der letzten Jahre wurde immer wieder beklagt, daß die organisationsinterne Kommunikation zu wünschen übrigläßt, daß die Kontrolle bei der Umsetzung von Aufträgen des Sicherheitsrates zu lasch ist und daß der Hang zu einer Art byzantinistischem Schlendrian unausrottbar zu sein scheint.
Graf Sponeck war nur für kurze Zeit, nämlich von Ende 1998 bis Anfang 2000, Koordinator der Vereinten Nationen für humanitäre Maßnahmen im Irak und in dieser Funktion der leitende Manager des "Öl für Lebensmittel"-Programms. Auf dieses Programm hatten sich 1995 nach zähem Ringen der Irak und die Vereinten Nationen geeinigt. Es lief aber erst im Dezember 1996 an. Danach sollten - verkürzt gesagt - Einnahmen aus dem Export irakischen Erdöls dazu verwendet werden, im Ausland Lebensmittel und Arzneien einzukaufen und an die irakische Bevölkerung zu verteilen. Nach dem Ende des zweiten Golfkriegs 1991 war der irakische Diktator Saddam Hussein an der Macht geblieben. Einige Mächte im Sicherheitsrat, vor allem die Vereinigten Staaten und Großbritannien, befürchteten eine rasche Wiederaufrüstung des Iraks mit Massenvernichtungswaffen. Dies sollte über die Waffenkontrolleure der Sonderkommission der Vereinten Nationen im Irak (UNSCOM) und über Wirtschaftssanktionen verhindert werden, ebenso wie die militärische Drangsalierung der Schiiten im Süden und der Kurden im Norden des Iraks durch die Einführung von Flugverbotszonen für irakische Flugzeuge unterbunden werden sollte.
Das "Öl für Lebensmittel"-Programm war gedacht als ein humanitäres Maßnahmenbündel, um das Leiden der irakischen Bevölkerung an den Folgen der desaströsen Politik Bagdads zu mildern und damit deutlich zu machen, daß die Sanktionen gegen das Regime und nicht gegen die Bevölkerung gerichtet waren. Die Vereinten Nationen, schreibt Graf Sponeck, hatten nie zuvor ein größeres, komplizierteres und politisierteres humanitäres Programm gestartet. Die Zahlen sind eindrucksvoll: Vom 10. Dezember 1996 bis zum 3. Juni 2003 - an diesem Tag lief das Programm aus, die Sanktionen waren aufgehoben - betrug der "Umsatz" des Programms etwas über 64,5 Milliarden Dollar. Davon wurden allerdings nicht nur die Versorgung der irakischen Bevölkerung mit Lebensmitteln und medizinischen Gütern bezahlt, sondern auch andere Posten, zum Beispiel Kriegsentschädigungen und die Waffenkontrollen. Manches Geld wanderte in dunkle Kanäle. Ein solches Programm auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite zu managen erfordert eine Menge Sachverstand, in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Der war in der Kürze der Zeit, bei den beschränkten Mitteln der Vereinten Nationen und nicht zuletzt wegen der von Graf Sponeck vehement beklagten "Politisierung" des Programms nur ansatzweise zu mobilisieren.
Die Perspektive eines Insiders erlaubt es dem Autor, (fast) alle Probleme und Mißhelligkeiten, die mit dem Programm verbunden waren, ausführlich zu schildern. Denn obgleich man zu dem Schluß kommen muß, daß dieses Programm den Irakern das Schlimmste erspart hat, wäre doch mehr und Besseres zu erreichen gewesen. Und hier kommt wieder die Vehemenz des Autors ins Spiel. Man kann sein Buch als einen überaus informationsreichen und in Teilen sogar richtig spannenden Bericht über die politischen und organisatorischen Schwierigkeiten weitreichender humanitärer Hilfsprogramme lesen - sogar mit der Vorstellung, daß sich aus den Fehlern bei diesem Programm sehr viel lernen läßt. Eine solche Lesart würde der Autor vermutlich als Verharmlosung seines Buches ansehen. Denn es geht ihm vor allem um eine politische Anklage des Sicherheitsrates, insbesondere der Amerikaner und Briten. Ihnen unterstellt er ein fundamentales Desinteresse am Erfolg des "Öl für Lebensmittel"-Programms. Dabei ist er nicht wählerisch mit seinen Vokabeln. Starrsinn, Heuchelei und Gefühllosigkeit wirft er dem Sicherheitsrat vor und bürdet ihm allein die Verantwortung für die miserable Lage der irakischen Bevölkerung nach 1990 auf. Das schießt weit übers Ziel hinaus. Aber es enthüllt auch ein Strukturproblem internationaler humanitärer Aktionen. Im Idealfall würde dort, wo humanitäre Hilfe einsetzt, die Politik aufhören. Das ist aber utopisch. Auch humanitäre Hilfe ist, bis zu einem gewissen Grad, die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Das hat Graf Sponeck nicht akzeptiert. Eine ehrenhafte, aber nicht haltbare Position.
WILFRIED VON BREDOW
Hans-C. Graf Sponeck: Ein anderer Krieg. Das Sanktionsregime der UNO im Irak. Aus dem Englischen von Michael Bayer und Norbert Juraschitz. Hamburger Edition, Hamburg 2005. 365 S., 35,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
" Rezensent Wilfried von Bredow hat dieses Buch des ehemaligen UN-Koordinators für humanitäre Maßnahmen im Irak als "überaus informationsreichen und in Teilen sogar richtig spannenden" Bericht über Strukturprobleme sowie "politische und organisatorische Schwierigkeiten" von weitreichenden internationalen Hilfsprogrammen gelesen. Allerdings räumt er ein, dass der Autor selbst dies wohl als "Verharmlosung seines Buches" ansehen würde. Das Buch sei nämlich eigentlich als "politische Anklage des Sicherheitsrates", insbesondere der Amerikaner und der Briten geschrieben worden, denen der Autor ein "fundamentales Desinteresse" am Erfolg des Programms "Öl für Lebensmittel" vorwerfe und dem Sicherheitsrat deshalb die Verantwortung für die Situation im Irak nach 1990 gebe. Hier jedoch schießt Hans-C. Graf Sponeck aus Sicht des Rezensenten ein wenig über das Ziel hinaus.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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