Jugendliteraturpreis 2008, Kategorie Kinderbuch
Ivan ist ein einsames Kind: Sein Vater ist meist verreist, seine Mutter seit vielen Jahren tot. Einzig die haitianische Haushälterin Giselle kümmert sich liebevoll um ihn. Das ändert sich, als sein Vater beschließt, ein Portrait von Ivan anfertigen zu lassen: In dem jungen Maler Matt und der eigens für ihn engagierten Vorleserin Miss Manderby findet er neue Freunde. Matt begegnet ihm offen und zeigt dem Jungen eine ganz neue Welt, die sich von der eines wohlbehüteten Sprosses aus guten Kreisen gänzlich unterscheidet. Ivan darf Matt und Miss Manderley auf eine Reise nach Kalifornien begleiten ein Ausbruch aus dem goldenen Käfig seiner Kindheit. Matt hilft Ivan das Rätsel um den Tod seiner Mutter zu lösen und baut damit eine neue Brücke zwischen Vater und Sohn. Als am Ende Ivans Portrait vollendet ist, sieht er sich zum ersten Mal selbst: Genau so, wie er ist.
Ivan ist ein einsames Kind: Sein Vater ist meist verreist, seine Mutter seit vielen Jahren tot. Einzig die haitianische Haushälterin Giselle kümmert sich liebevoll um ihn. Das ändert sich, als sein Vater beschließt, ein Portrait von Ivan anfertigen zu lassen: In dem jungen Maler Matt und der eigens für ihn engagierten Vorleserin Miss Manderby findet er neue Freunde. Matt begegnet ihm offen und zeigt dem Jungen eine ganz neue Welt, die sich von der eines wohlbehüteten Sprosses aus guten Kreisen gänzlich unterscheidet. Ivan darf Matt und Miss Manderley auf eine Reise nach Kalifornien begleiten ein Ausbruch aus dem goldenen Käfig seiner Kindheit. Matt hilft Ivan das Rätsel um den Tod seiner Mutter zu lösen und baut damit eine neue Brücke zwischen Vater und Sohn. Als am Ende Ivans Portrait vollendet ist, sieht er sich zum ersten Mal selbst: Genau so, wie er ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2007Mit dem Schlitten über die Grenze
Gejammert wird nicht: Paula Fox malt ein einsames Kind
Es ist nicht ein Bild von Ivan, wie der Titel verheißt, es sind zwei Bilder, die der elf Jahre alte Junge am Ende von sich bekommen hat: ein gemaltes und ein gefühltes - Bilder von sich selbst.
In Auftrag gegeben war freilich nur das Porträt, das der Maler Matt für Ivans Vater anfertigen sollte, einen Mann, der seinem Sohn eher mit geschäftsmäßiger Effizienz denn mit väterlicher Liebe begegnet und dem sein Sprössling fassbarer und näher zu sein scheint, wenn er ihn im Bild betrachten kann, als wenn er ihn leibhaftig vor sich sieht. Der haitianischen Haushälterin bleibt da überlassen, für wenigstens einen Ansatz von familiärer Geborgenheit zu sorgen.
Damit der Junge bei den Sitzungen im Atelier Ruhe hält, wird Miss Manderby engagiert, eine ältere Dame mit Tüchern um den Kopf geschlungen und Haaren wie zerschnitzeltes Seidenpapier. Ihre Aufgabe ist es vorzulesen. In ihrer knappen, reduzierten, aber keineswegs kühlen Prosa erzählt Paula Fox davon, dass dann doch alles ein wenig anders kommt: Ivan schweigt nicht, er redet zu seiner eigenen Überraschung sogar von sich, Miss Manderby wird zur Zuhörerin, und Matt malt nebenher ein Bild, das nicht vorgesehen war. Er zeichnet Ivans verstorbene Mutter, an die der Junge keine Erinnerung hat und von der er kaum etwas weiß. Doch treibt ihn die Vorstellung um, wie es gewesen sein muss, als seine Mama als Dreijährige mit ihrer Familie in einem Schlitten aus Russland floh. Matt gibt Ivans Kopfbild endlich Gestalt.
Immer wieder bemerkenswert und faszinierend ist, welch große Achtung Paula Fox ihren Figuren entgegenbringt und wie sie Respekt im Umgang miteinander zur Normalität erhebt, obwohl der etwas sehr Rares ist. Mögen ihre Gestalten noch so wunderlich sein und noch so viele Beschädigungen erfahren haben, stets lässt Fox ihnen auch ihre Selbstachtung. Und immer gibt sie ihnen eine ordentliche Portion Unerschrockenheit und Zähigkeit mit auf den Weg. Verwunderlich ist es nicht, dass der Autorin die willensstarken Charaktere mit den eher brüchigen Lebensläufen so nahe sind, denn ihr eigenes Leben, vor allem ihre Jugend, war geprägt von Unbeständigkeit, Lieblosigkeit und von anhaltendem Herumgeschubstwerden. Nüchtern betrachtet: ein ziemliches Desaster. Aber gejammert wird nicht - nicht im Leben und nicht im Werk.
Weil Paula Fox auch die Zögerlichsten gerne Schritte ins Ungewisse gehen lässt, tritt Ivan eine Reise an, die ihn mitunter etwas ängstigt, die ihn aber letztlich befreit aus dem Klammergriff von materiellem Überfluss und Mangel an Emotionen, aus Schweigen und Einsamkeit. Samt Katze macht sich das skurrile Ensemble auf den Weg nach Florida, wo Matt eine Villa zeichnen soll, die vor dem Abriss steht. Während er Skizzen zum Haus macht, und Miss Manderby in den Schätzen der Bibliothek wühlt, vertreibt sich Ivan die Zeit mit der Nachbarstochter Geneva, mit Bootfahren und Kekseessen. Als seine Ferien dem Ende zugehen, stellt er verwirrt fest, dass es tatsächlich Menschen gibt, die ihn vermissen und die auch ihm fehlen werden. Dass Glück und Trauer sich nicht ausschließen und auch nichts sind, wofür man sich schämen muss, ist neu für ihn. "In zehn Tagen hatte sich alles verändert, hatte sich mehr verändert als sonst in einem Jahr."
Mit unbeirrbarer Sicherheit beschreibt Fox die Suche nach Orientierung inmitten der Kompliziertheit des Erwachsenwerdens. Es ist das scheinbar Nebensächliche, es sind die kleinen Momente, aus denen sich Kraft und Poesie des Romans entwickeln. Die Fragen "Wer bin ich?", "Wie bin ich?" und "Wo gehöre ich eigentlich hin?" stellt Paula Fox nur in ganz leisen Tönen.
Sie verstieße gegen den ihr eigenen Realismus, würde Paula Fox rosige Zeiten in Aussicht stellen. Was mit Ivan passiert, wie es Matt in San Francisco gehen wird, wie sich Miss Manderby, die Bücherbesessene, künftig durchs Leben schlägt und ob die drei einander wiedersehen, all das bleibt ungewiss. Und doch meint man, eine, wenn auch stille, so doch unerschütterbare Zuversicht zu spüren. Und es ist sicher kein Zufall, dass in der "Schlitten-Szene" die gezeichneten Figuren Züge von Geneva, von Miss Manderby und von Matt tragen. Sie sind Ivan längst mehr zu einem Halt geworden als Erinnerungen an eine Familie, die er nicht kannte.
Als Miss Manderby wie im Rausch in die Geschichten ihrer Bücher eintaucht, erklärt Matt: "Sie spinnt einen Zauber, Ivan." Einen solchen Zauber, einen wunderbaren, hat mit diesem Roman auch Paula Fox gesponnen.
ELENA GEUS
Paula Fox: "Ein Bild von Ivan". Aus dem Amerikanischen übersetzt von Brigitte Jakobeit. Boje Verlag, Köln 2007. 125 S., geb., 11,90 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gejammert wird nicht: Paula Fox malt ein einsames Kind
Es ist nicht ein Bild von Ivan, wie der Titel verheißt, es sind zwei Bilder, die der elf Jahre alte Junge am Ende von sich bekommen hat: ein gemaltes und ein gefühltes - Bilder von sich selbst.
In Auftrag gegeben war freilich nur das Porträt, das der Maler Matt für Ivans Vater anfertigen sollte, einen Mann, der seinem Sohn eher mit geschäftsmäßiger Effizienz denn mit väterlicher Liebe begegnet und dem sein Sprössling fassbarer und näher zu sein scheint, wenn er ihn im Bild betrachten kann, als wenn er ihn leibhaftig vor sich sieht. Der haitianischen Haushälterin bleibt da überlassen, für wenigstens einen Ansatz von familiärer Geborgenheit zu sorgen.
Damit der Junge bei den Sitzungen im Atelier Ruhe hält, wird Miss Manderby engagiert, eine ältere Dame mit Tüchern um den Kopf geschlungen und Haaren wie zerschnitzeltes Seidenpapier. Ihre Aufgabe ist es vorzulesen. In ihrer knappen, reduzierten, aber keineswegs kühlen Prosa erzählt Paula Fox davon, dass dann doch alles ein wenig anders kommt: Ivan schweigt nicht, er redet zu seiner eigenen Überraschung sogar von sich, Miss Manderby wird zur Zuhörerin, und Matt malt nebenher ein Bild, das nicht vorgesehen war. Er zeichnet Ivans verstorbene Mutter, an die der Junge keine Erinnerung hat und von der er kaum etwas weiß. Doch treibt ihn die Vorstellung um, wie es gewesen sein muss, als seine Mama als Dreijährige mit ihrer Familie in einem Schlitten aus Russland floh. Matt gibt Ivans Kopfbild endlich Gestalt.
Immer wieder bemerkenswert und faszinierend ist, welch große Achtung Paula Fox ihren Figuren entgegenbringt und wie sie Respekt im Umgang miteinander zur Normalität erhebt, obwohl der etwas sehr Rares ist. Mögen ihre Gestalten noch so wunderlich sein und noch so viele Beschädigungen erfahren haben, stets lässt Fox ihnen auch ihre Selbstachtung. Und immer gibt sie ihnen eine ordentliche Portion Unerschrockenheit und Zähigkeit mit auf den Weg. Verwunderlich ist es nicht, dass der Autorin die willensstarken Charaktere mit den eher brüchigen Lebensläufen so nahe sind, denn ihr eigenes Leben, vor allem ihre Jugend, war geprägt von Unbeständigkeit, Lieblosigkeit und von anhaltendem Herumgeschubstwerden. Nüchtern betrachtet: ein ziemliches Desaster. Aber gejammert wird nicht - nicht im Leben und nicht im Werk.
Weil Paula Fox auch die Zögerlichsten gerne Schritte ins Ungewisse gehen lässt, tritt Ivan eine Reise an, die ihn mitunter etwas ängstigt, die ihn aber letztlich befreit aus dem Klammergriff von materiellem Überfluss und Mangel an Emotionen, aus Schweigen und Einsamkeit. Samt Katze macht sich das skurrile Ensemble auf den Weg nach Florida, wo Matt eine Villa zeichnen soll, die vor dem Abriss steht. Während er Skizzen zum Haus macht, und Miss Manderby in den Schätzen der Bibliothek wühlt, vertreibt sich Ivan die Zeit mit der Nachbarstochter Geneva, mit Bootfahren und Kekseessen. Als seine Ferien dem Ende zugehen, stellt er verwirrt fest, dass es tatsächlich Menschen gibt, die ihn vermissen und die auch ihm fehlen werden. Dass Glück und Trauer sich nicht ausschließen und auch nichts sind, wofür man sich schämen muss, ist neu für ihn. "In zehn Tagen hatte sich alles verändert, hatte sich mehr verändert als sonst in einem Jahr."
Mit unbeirrbarer Sicherheit beschreibt Fox die Suche nach Orientierung inmitten der Kompliziertheit des Erwachsenwerdens. Es ist das scheinbar Nebensächliche, es sind die kleinen Momente, aus denen sich Kraft und Poesie des Romans entwickeln. Die Fragen "Wer bin ich?", "Wie bin ich?" und "Wo gehöre ich eigentlich hin?" stellt Paula Fox nur in ganz leisen Tönen.
Sie verstieße gegen den ihr eigenen Realismus, würde Paula Fox rosige Zeiten in Aussicht stellen. Was mit Ivan passiert, wie es Matt in San Francisco gehen wird, wie sich Miss Manderby, die Bücherbesessene, künftig durchs Leben schlägt und ob die drei einander wiedersehen, all das bleibt ungewiss. Und doch meint man, eine, wenn auch stille, so doch unerschütterbare Zuversicht zu spüren. Und es ist sicher kein Zufall, dass in der "Schlitten-Szene" die gezeichneten Figuren Züge von Geneva, von Miss Manderby und von Matt tragen. Sie sind Ivan längst mehr zu einem Halt geworden als Erinnerungen an eine Familie, die er nicht kannte.
Als Miss Manderby wie im Rausch in die Geschichten ihrer Bücher eintaucht, erklärt Matt: "Sie spinnt einen Zauber, Ivan." Einen solchen Zauber, einen wunderbaren, hat mit diesem Roman auch Paula Fox gesponnen.
ELENA GEUS
Paula Fox: "Ein Bild von Ivan". Aus dem Amerikanischen übersetzt von Brigitte Jakobeit. Boje Verlag, Köln 2007. 125 S., geb., 11,90 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dieses Kinderbuch von Paula Fox hat Rezensentin Elena Geus sehr gefallen. Es gehe darin eigentlich nicht nur um ein Bild von Ivan, sondern um zwei Bilder, stellt sie anfangs fest. Der Maler Matt, vom Vater beauftragt ein Porträt des Sohnes Ivan zu malen, malt noch ein anderes dazu, das sich ihm aus Ivans Erzählungen ergibt, eine Phantasie über die Mutter und ihre Familie aus Russland, die der Junge nie kennen gelernt hat. Geus ist beeindruckt davon, mit "welch großer Achtung" die amerikanische Autorin ihre Figuren behandelt, die nicht selten ziemlich "wunderlich" seien. Und es gefällt ihr, dass bei Fox trotz eigener desaströser Kindheit nicht "gejammert wird - nicht im Leben und nicht im Werk".
© Perlentaucher Medien GmbH
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