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Seine fast ausnahmslos in Ich-Form erzählten Kurzgeschichten führen in die skurrile Welt des nachkommunistischen Neureichtums, aber auch der bitteren Armut, der Verlierer, der Loser. Wir treffen auf Außenseiter, auf Sadismus und Zynismus, Geldsucht und Macht. Wir werden mit der Agonie der alten Welt konfrontiert. Wir staunen, mit welchem Erfindungsreichtum die neuen aufstrebenden Eliten im heutigen Bulgarien das vermeintlich Versäumte nachzuholen imstande sind.

Produktbeschreibung
Seine fast ausnahmslos in Ich-Form erzählten Kurzgeschichten führen in die skurrile Welt des nachkommunistischen Neureichtums, aber auch der bitteren Armut, der Verlierer, der Loser. Wir treffen auf Außenseiter, auf Sadismus und Zynismus, Geldsucht und Macht. Wir werden mit der Agonie der alten Welt konfrontiert. Wir staunen, mit welchem Erfindungsreichtum die neuen aufstrebenden Eliten im heutigen Bulgarien das vermeintlich Versäumte nachzuholen imstande sind.
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Autorenporträt
Palmi Ranchev: Der 1950 in Sofia geborene bulgarische Erzähler Palmi Ranchev arbeitete als Amateurboxer und Trainer, später als Cafébesitzer, Bodyguard und Journalist. Erst nach der Wende in Bulgarien fand er mit seinen Erzählungen Eingang in die Literatur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.12.2009

Mafiosi mit Festanstellung
Die Figuren in Palmi Ranchevs Erzählungen aus Sofia leiden unter Realitätsverlust

Der Weltuntergang kann aus vier Worten bestehen. Ein junger Mann trifft zufällig einen Ungarisch-Übersetzer im Zug und erzählt ihm wichtigtuerisch, dass er vor Jahren eine wundervolle Nacht mit einer Ungarin verbracht habe. Ihre hingehauchten Worte seien ihm unvergesslich geblieben. Nun wolle er endlich auch deren Sinn verstehen. Der Ungar übersetzt sie ihm gern. Die vermeintlich zärtlichen Worte der Frau lauteten: "Es tut sehr weh." Ein gewisser Realitätsverlust kennzeichnet einige der tragikomischen Helden in den Erzählungen des Bulgaren Palmi Ranchev. Doch die meisten sind so mit dem Überleben beschäftigt, dass für romantische Gefühle kein Platz ist. Was bleibt, ist die Hoffnung auf "ein bisschen Glück für später". Ranchev erzählt hart, aber nicht ohne Humor und Wärme an den bulgarischen Realitäten entlang. Und die sind trostlos genug. Der Balkanstaat ist noch immer fest in der Hand der kommunistischen Eliten, die ihn systematisch ausplündern und ihre Macht mit Mafia-Methoden sichern.

In den Geschichten gibt es nur Verlierer. Kaum jemand hat einen regulären Beruf oder gar eine "Perspektive". Kein Wunder, dass das Bewusstsein der verschiedenen Ich-Erzähler ganz auf den Augenblick zusammengeschnurrt ist. So karg die Verhältnisse sind, so betont kunstlos ist die oft auf Dialoge reduzierte Sprache. Scheinbar absichtslos treibt die Handlung durch die Treppenhäuser, Straßen und U-Bahnen der Hauptstadt Sofia dahin. Wirrsal und Verzweiflung, Arbeits- und Obdachlosigkeit muss jeder für sich allein schultern. Da ist der einsame Arbeitslose, der aus Gewohnheit noch immer morgens das Haus verlässt; ein zweiter konkurriert mit den Hunden um die Essensreste im Müll; ein dritter ist von seiner Familie verlassen worden und wartet am - kaputten - Telefon auf den Anruf seiner Frau. Ein Großvater zündet aus Wut die Fußmatten im Hausflur an - weil er die schwangere Enkelin nicht versorgen kann, deren Eltern in den Westen gegangen sind. Und es gibt den Verrückten, der eine Bombe in der U-Bahn verstecken will - die nur in seiner Phantasie existiert.

Wer sein Leben in die Hand nehmen will, übernimmt auch weniger feine Jobs oder betreibt irgendein "Business". Ein einfältiger Schlägertyp in einer Kneipe "wäre gern Elitesoldat im Kosovo" oder Mafioso, "weil der Großteil der bulgarischen Mafiosi fest angestellt ist". Tatsächlich kauft er junge Männer für viel Geld vom Militärdienst frei und ist "als Numismatiker bekannt" - was wohl nichts anderes heißt, als dass er thrakische Raubfunde verhökert. Ein ehemaliger Bodyguard verscheucht als Portier Obdachlose vor einem Spielcasino. Als einer von ihnen dort Feuer legt, wird der Portier zur Verantwortung gezogen: Er muss seine goldbetresste Uniform ausziehen und steht nun genauso vor der Tür. Ein Dritter ist tatsächlich Mafioso. Mit Schlagring und Metallrohr bewaffnet, sitzt er in seinem BMW und stirbt vor Angst, weil seine kleine Tochter zum ersten Mal allein mit dem Bus zur Schule fährt.

Und die Liebe? Männer und Frauen kommen nicht zueinander. Die Männer sind zwar ständig auf der Balz, doch die Mädchen entpuppen sich als Witwen reicher Gauner, als drogensüchtig oder schlicht unerreichbar. Und als eines Tages doch die große Liebe anklopft, kann der betreffende Mann es sich nicht verkneifen, gleich mit einer anderen ins Bett zu gehen. Vielleicht, damit er eines Tages einer Zufallsbekanntschaft im Zug stolz davon erzählen kann.

JUDITH LEISTER

Palmi Ranchev: "Ein bisschen Glück für später". Erzählungen. Aus dem Bulgarischen von Alexander Sitzmann. Edition Zwei. Wieser Verlag, Klagenfurt 2008. 412 S., geb., 14,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das bisschen Realitätsverlust. Judith Leister kann schon verstehen, wenn Palmi Ranchevs Helden, die Armen und Heimatlosen, die Gauner und Verlierer des tristen bulgarischen Alltags die Wirklichkeit nicht immer in allen Details kennen wollen. Platz für Romantik ist indes auch nicht, stellt Leister fest, und Glück ist eben etwas für später. Dass der Autor bei solchen Verhältnissen zwar hart, dialogisch reduziert erzählt, es aber nicht an Humor und Wärme fehlen lässt, erscheint der Rezensentin bemerkenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH