Schachmatt durch Dame? Erri und Clementina verbringen ein Wochenende auf einer kleinen Insel im Mittelmeer. Beide sind sie verheiratet, aber nicht mit einander. Die gestohlenen Momente dieser Tage erscheinen ihnen überdeutlich, übergroß... Was zieht einen hin zu einem Menschen, den man eigentlich kaum kennt? Was wird aus so einer Liebe? Präzise, ja ungerührt schildert Albinati eher einen Kampf als die Verschmelzung von Körpern und Seelen. Er lässt seine Helden Zug um Zug erzählen und enthüllt dabei, wie es zu ihrer Verbindung kam, aber auch die Koffer, die sie jeweils am Quai stehen ließen. Ob man eine Affäre hatte, vielleicht gern eine hätte, oder schon die Idee entrüstet ablehnt - in diesem Roman findet sich jeder liebende Mensch wieder.
Sex on
the beach
Edoardo Albinati
denkt über Untreue nach
Auweia: Ein Roman über Ehebruch, der sein Thema schon im Titel verrät und dann auch noch auf einer Insel spielt. Was für ein Wagnis. Schließlich ist von Anfang an klar, worum es gehen wird, immer wieder, in jeder denkbaren Variante. Und all das in einem klaustrophobischen Ambiente. Den italienischen Schriftsteller Edoardo Albinati, mit 63 Jahren in einem gefährlichen Alter, kann seit seinem herausragenden, spannungsreichen und preisgekrönten Kolossal-Roman „Die katholische Schule“ (2017) über die männliche Erziehung aus soziologischer, religionsphilosophischer, anthropologischer und kriminologischer Sicht offenkundig nichts mehr schrecken. „Ein Ehebruch“ heißt das Buch. Es war offenkundig als Kontrapunkt zu der ausufernden Beschäftigung mit einem Sexualverbrechen im römischen Bürgertum der Siebzigerjahre im vorherigen Roman gedacht.
In kurzen Absätzen legt Albinati die Geschehnisse dar und lässt seinen auktorialen Erzähler abwechselnd zwischen der Frau und dem Mann hin und herpendeln. Den Anfang macht Clementina, eine junge, verheiratete Mutter, die sich durch einen schmalen, durchtrainierten Körper mit überraschend großen Brüsten auszeichnet. Gemeinsam mit ihrem heimlichen Geliebten Erri, einem gestandenen Familienvater, setzt sie mit der Fähre auf eine namenlose Insel über, hinter der sich vermutlich Ponza verbirgt. Das Hotelzimmer ist noch nicht beziehbar, also mieten die beiden ein Boot, fahren an der spektakulären Steilküste entlang, finden eine versteckte Bucht und tun das, wozu sie sich verabredet haben.
Sie sind bereits Geliebte, und der strahlende Septembertag verleiht ihrer Begegnung eine besondere Prägnanz. Sie findet außerhalb der Zeit statt, jenseits der Zwänge und Pflichten. Ein paar Sätze lang gelingt es Edoardo Albinati, die besondere Atmosphäre heraufzubeschwören, aber schon auf Seite fünf mischt sich eine kommentierende Stimme ein, die mit überflüssigen Erklärungen darüber aufwartet, wie sehr sie das Gefühl der Vergänglichkeit durchströmt. Auch sprachlich wird es eintöniger: „Der Tag war von unübertrefflicher Schönheit“ heißt es. „Ich habe noch nie so etwas Wunderschönes gesehen“, sagt kurz darauf einer der beiden und ein paar Sätze weiter ist wieder von „der überwältigenden Schönheit der Natur“ die Rede, die Erri, den Mann, beklommen macht, während sich Clementina, die „so schöne junge Frau“ mit ihrem „energiegeladenen, lebensvollen Äußeren“, beseelt fühlt. Hm. Dann wechselt die Perspektive, und Erri, ein zärtlicher Ehemann auch er, rückt in den Blick. Er scheint in Clementina dem Inbegriff des Weiblichen zu begegnen, das ihn ebenso in den Bann schlägt wie ängstigt. Er will sie besitzen, sonst nichts. Sex rund um die Uhr, ein paar Details zur Herkunft und dem familiären Umfeld der Verliebten, einige Bemerkungen zum Phänomen des Begehrens und der Untreue, dann ein leiser Misston, der sich einschleicht, als sich am Sonntag Wasserflöhe bemerkbar machen und schließlich der endgültige Abschied, mehr passiert nicht.
Das Sujet ist nicht neu, und wenn keine gesellschaftlichen Sanktionen zu befürchten sind und die Geschlechtspartner derartig pragmatisch mit ihrer Libido hantieren, verringert sich die Fallhöhe. Keiner der beiden gerät in wirklich tiefe Nöte, weder Erri noch Clementina entwickeln ein seelisches Innenleben, das es interessant machen würde, sich ausgiebiger mit ihnen zu beschäftigen. Und dann gehören Sexszenen zum Schwierigsten; bei Péter Nadás, Javier Marías, Marlene Streeruwitz oder Alan Hollinghurst konnte man zuletzt lesen, wie es gelingen kann. Wenn zum dritten Mal auf gut hundert Seiten die verblüffenden Brüste von Clementina erwähnt werden, sehnt man sich nach dem Frauenlob des florentinischen Dolce stil novo zurück. Albinati ist ein glänzender Schriftsteller, aber dieses Mal bleibt er im Banalen stecken.
MAIKE ALBATH
Edoardo Albinati: Ein Ehebruch. Roman. Aus dem Italienischen von Verena von Koskull. Berlin Verlag, Berlin 2019. 124 Seiten, 20 Euro.
Albinati hält die besondere
Atmosphäre nur bis Seite fünf
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the beach
Edoardo Albinati
denkt über Untreue nach
Auweia: Ein Roman über Ehebruch, der sein Thema schon im Titel verrät und dann auch noch auf einer Insel spielt. Was für ein Wagnis. Schließlich ist von Anfang an klar, worum es gehen wird, immer wieder, in jeder denkbaren Variante. Und all das in einem klaustrophobischen Ambiente. Den italienischen Schriftsteller Edoardo Albinati, mit 63 Jahren in einem gefährlichen Alter, kann seit seinem herausragenden, spannungsreichen und preisgekrönten Kolossal-Roman „Die katholische Schule“ (2017) über die männliche Erziehung aus soziologischer, religionsphilosophischer, anthropologischer und kriminologischer Sicht offenkundig nichts mehr schrecken. „Ein Ehebruch“ heißt das Buch. Es war offenkundig als Kontrapunkt zu der ausufernden Beschäftigung mit einem Sexualverbrechen im römischen Bürgertum der Siebzigerjahre im vorherigen Roman gedacht.
In kurzen Absätzen legt Albinati die Geschehnisse dar und lässt seinen auktorialen Erzähler abwechselnd zwischen der Frau und dem Mann hin und herpendeln. Den Anfang macht Clementina, eine junge, verheiratete Mutter, die sich durch einen schmalen, durchtrainierten Körper mit überraschend großen Brüsten auszeichnet. Gemeinsam mit ihrem heimlichen Geliebten Erri, einem gestandenen Familienvater, setzt sie mit der Fähre auf eine namenlose Insel über, hinter der sich vermutlich Ponza verbirgt. Das Hotelzimmer ist noch nicht beziehbar, also mieten die beiden ein Boot, fahren an der spektakulären Steilküste entlang, finden eine versteckte Bucht und tun das, wozu sie sich verabredet haben.
Sie sind bereits Geliebte, und der strahlende Septembertag verleiht ihrer Begegnung eine besondere Prägnanz. Sie findet außerhalb der Zeit statt, jenseits der Zwänge und Pflichten. Ein paar Sätze lang gelingt es Edoardo Albinati, die besondere Atmosphäre heraufzubeschwören, aber schon auf Seite fünf mischt sich eine kommentierende Stimme ein, die mit überflüssigen Erklärungen darüber aufwartet, wie sehr sie das Gefühl der Vergänglichkeit durchströmt. Auch sprachlich wird es eintöniger: „Der Tag war von unübertrefflicher Schönheit“ heißt es. „Ich habe noch nie so etwas Wunderschönes gesehen“, sagt kurz darauf einer der beiden und ein paar Sätze weiter ist wieder von „der überwältigenden Schönheit der Natur“ die Rede, die Erri, den Mann, beklommen macht, während sich Clementina, die „so schöne junge Frau“ mit ihrem „energiegeladenen, lebensvollen Äußeren“, beseelt fühlt. Hm. Dann wechselt die Perspektive, und Erri, ein zärtlicher Ehemann auch er, rückt in den Blick. Er scheint in Clementina dem Inbegriff des Weiblichen zu begegnen, das ihn ebenso in den Bann schlägt wie ängstigt. Er will sie besitzen, sonst nichts. Sex rund um die Uhr, ein paar Details zur Herkunft und dem familiären Umfeld der Verliebten, einige Bemerkungen zum Phänomen des Begehrens und der Untreue, dann ein leiser Misston, der sich einschleicht, als sich am Sonntag Wasserflöhe bemerkbar machen und schließlich der endgültige Abschied, mehr passiert nicht.
Das Sujet ist nicht neu, und wenn keine gesellschaftlichen Sanktionen zu befürchten sind und die Geschlechtspartner derartig pragmatisch mit ihrer Libido hantieren, verringert sich die Fallhöhe. Keiner der beiden gerät in wirklich tiefe Nöte, weder Erri noch Clementina entwickeln ein seelisches Innenleben, das es interessant machen würde, sich ausgiebiger mit ihnen zu beschäftigen. Und dann gehören Sexszenen zum Schwierigsten; bei Péter Nadás, Javier Marías, Marlene Streeruwitz oder Alan Hollinghurst konnte man zuletzt lesen, wie es gelingen kann. Wenn zum dritten Mal auf gut hundert Seiten die verblüffenden Brüste von Clementina erwähnt werden, sehnt man sich nach dem Frauenlob des florentinischen Dolce stil novo zurück. Albinati ist ein glänzender Schriftsteller, aber dieses Mal bleibt er im Banalen stecken.
MAIKE ALBATH
Edoardo Albinati: Ein Ehebruch. Roman. Aus dem Italienischen von Verena von Koskull. Berlin Verlag, Berlin 2019. 124 Seiten, 20 Euro.
Albinati hält die besondere
Atmosphäre nur bis Seite fünf
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