Produktdetails
- Verlag: LeiV Buchhandels- u. Verlagsanst.
- Seitenzahl: 31
- Altersempfehlung: ab 5 Jahren
- Deutsch
- Abmessung: 266mm x 201mm x 9mm
- Gewicht: 310g
- ISBN-13: 9783896032577
- ISBN-10: 3896032577
- Artikelnr.: 20771060
Lutz Rathenow: „Der Eisbär aus Apolda”
Lutz Rathenow, der in der DDR einer der bekanntesten Dissidenten war, hat mitdem Wegfall der rostigen Verhältnisse eine erstaunliche Produktivität entfaltet. Dabei ist die Palette der Gattungen, denen er sich zuwendet, ungemeinbreit. Diese Vielseitigkeit, die von der Satire über die Glosse, die Kurzgeschichte, die Parabel bis hin zum Kommentar und zum Essay reicht, stellte der Autor zuletzt in seinem inzwischen mehrfach aufgelegten Band Prosa zum Tage unter Beweis. Schon früh und in Auseinandersetzung mit einem allmächtig erscheinenden Staat knüpfte Rathenow an die Kürzestgeschichten des Russen Daniil Charms an. Wie der baute er aus einfach erscheinenden Sätzen komplex-rätselhafte Situationen. Inzwischen gibt Rathenow zu, dass die kürzeren Formen ihm besonders am Herzen liegen, eben Kurzgeschichte, Fabel und Parabel. Nun hat er, der immer schon für Kinder schrieb, einen wunderschönen neuen Band vorgelegt, der Geschichten vom „Eisbär aus Apolda”, von Ameisen, Elefantenund anderem Getier enthält. Die Texte zeigen einen Weg, wie man die traditionelle Gattung der Fabel gewissermaßen „modernisieren” kann. Dabei ist klar, die einfachen Lehren von Fabeln funktionieren am ehesten, wenn sie ironisch gebrochen werden. So findet sich in dem Band die Geschichte von den zwei Stinktieren, die um die Wetter stinken. Am Ende sind sie allein! Das ist für kindliche Zuhörer, aber auch für Erwachsene lustig und lehrhaft zugleich. Wer sich in eine Art „Ekligkeitswettbewerb” begibt, darf sich nicht wundern, wenn keiner mehr was von ihm wissen will! So könnte man eine der möglichen Botschaften auf den Punkt bringen. Insofern spricht aus solchen Texten immer auch ein bisschen der Pädagoge, der Rathenow fast geworden wäre. Anders beim Eisbär aus Apolda, der nach „Obervolta” will, den Namen aber vergisst und „Oberscholda” stammelt, dann auf „Opa-soll-da” verbessert, schließlich bei „Appvollda” ankommt und von der Bahnbeamtin auf „Apolda” verbessert wird. Der Eisbär brummt und verlässt zufrieden den Bahnhof.
Sprachspiel und Sprachwitz sind für alle Texte ebenso kennzeichnend wie ein hintergründiger Humor, der gerade über die dargestellten absurden Situationen wirkt. Wer schließlich um Veränderungen von Kindheit in einer Erlebnis- und Mediengesellschaft weiß, der wird mit Lust davon lesen, was aus den Grimmschen sieben Geißlein bei Rathenow geworden ist: antiautoritäre, emanzipiert-coole Girls, die einen Wolf zur Verzweiflung und schließlich um die Ecke bringen. Und welche Chancen medialer Vermarktung sich aus einem Wettlauf zwischen Hase und Igel heute ergeben, davon erzählt Rathenow mit beißendem Spott: „Ohne ‚Muskelflott‘ wär’ ich längst schon Schrott!” stöhnt der gestresste Hase ins Mikrophon.
Rathenows Geschichten für Kinder und Erwachsene sind kongenial illustriert von einem der bekanntesten Künstler aus dem Osten, dem Leipziger Egbert Herfurth. Die kolorierten Feder- und Buntstiftzeichnungen erweitern die Texte und erzeugen neue Spielräume von geradezu philosophischer Dimension. Herausgekommen ist ein Vorlesebuch für kleine und große Leute im besten Sinne. (ab 6 Jahre und Erwachsene)
CARSTEN GANSEL
LUTZ RATHENOW: Der Eisbär aus Apolda. Mit Illustrationen von Egbert Herfurth. leiv Leipziger Kinderbuchverlag 2006. 32 Seiten, 13,30 Euro.
Illustration aus Lutz Rathenow, Egbert Herfurth: Ein Eisbär aus Apolda
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