DeWayne Curtis, ein dunkler Ehrenmann, hat von fünf Frauen fünf Söhne, doch nach und nach löscht ein Mörder den Nachwuchs aus. Bis auf den letzten, denn der gehört Privatdetektivin Tamara Hayle, die schwarz wie ihr Humor ist und bissig wie ein Bullterrier. Eine Detektivin, in die man sich einfach verlieben muß. Ein Roman voll sarkastischem Witz und zugleich von der schwerblütigen Stimmung des Blues.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.02.1997Tee, Charme und Badesalz
Valerie Wilson Wesley ermittelt im Namen des Ewig-Weiblichen
Wo immer der zeitgenössische Kriminalroman einen Privatdetektiv als Hauptfigur aufbietet, hat der Herr mit hoher Wahrscheinlichkeit einen literarischen Patenonkel namens Philip Marlowe. In der Damenabteilung hat nach Miss Marple noch keine mythenbildende Figur die Szene betreten, so daß auch dort mit einem Seitenblick auf Chandlers großen Einsamen ermittelt werden darf. Tamara Hayle, die schnüffelnde Ich-Heldin in Valerie Wilson Wesleys Debüt "Ein Engel über deinem Grab", ist schwarz, geschieden, alleinerziehend und von ihrem früheren Job bei der Polizei ebenso angewidert wie abgehärtet. Sie verkörpert damit eine politisch korrekte Variante des melancholischen Außenseitertums, das seit Marlowe den Fährtensucher im Dickicht der Städte so gut kleidet.
Als mustergültige Amerikanerin von Anfang Dreißig hat Tamara sich das Rauchen abgewöhnt, glaubt an Gott und führt im Fotofach ihrer Brieftasche stets ein Kondom mit sich, ohne davon leichtfertig Gebrauch zu machen. In den Niederungen von Newark, New Jersey, kämpft die resolute Lady freiberuflich gegen ihre Nikotingier, ihre erotischen Sehnsüchte und natürlich gegen das Verbrechen. Aber eine Frau ist eine Frau, und wenn Mrs. Hayle noch in den aufreibendsten Recherchen das zum Anlaß passende Parfüm wählt, ihre liebsten Teesorten und Badezusätze erwähnt, ein Bohnensuppenrezept verrät oder von ihren Unterhaltungen mit einer Zimmerpflanze erzählt, dann fühlt man sich, "hard-boiled" hin oder her, doch wieder traulich an Miss Marples Strickstrumpf erinnert.
Das Strickmuster ihres ersten Falls bestätigt, daß die ehemalige Polizistin trotz unerschrockenen Umgangs mit dem "Ding" (sprich Revolver) als Exponentin des Ewig-Weiblichen tätig ist: Es bleibt alles in der Familie. Nicht etwa fremde Kundschaft, sondern ihr vormaliger Gatte, ein schwarzer Brother mit ebensolcher Weste, schickt Tamara auf die Suche nach einem unheimlichen Serienkiller. Das erste Opfer ist sein Sohn, das zweite desgleichen, und da der Windhund insgesamt fünf Frauen mit Sprößlingen beglückt hat, zuletzt die Detektivin, Mutter des mittlerweile halbwüchsigen Jamal, muß das Schlimmste befürchtet werden.
So betreibt Mrs. Hayle, verwundbar unter frauenbefreiter Schale, ihre Aufklärungsarbeit auch in eigener Sache. Als von den fünf kleinen Negerlein tatsächlich nur noch eines übrig ist, spitzen sich die Ereignisse dramatisch zu. Bis dahin hält sich die Spannung auf Kräutertee-Niveau, weil Valerie Wilson Wesley zwar für Identität und Motiv des Mörders eine überraschende Lösung gefunden hat, aber vor lauter "human touch" nicht dazu kommt, den Verdacht unterwegs auf andere Figuren zu lenken. Die Verwandten und Bekannten ihres Verflossenen, mit deren Querelen sich Tamara ermittlungshalber aufhalten muß, werden nur von ihr, kaum jedoch vom Leser als Täter in Betracht gezogen.
Der erhascht dafür einen schokoladenfarbenen Abglanz vom potentiellen Liebesleben der Privatdetektivin: Mindestens einer der beiden samthäutigen Traummänner, zwischen denen sie anmutig schwankt, wird - soviel sei hier ausgeplaudert - bei ihrem nächsten Fall wieder mitmischen. Er bewegt sich verheißungsvoll "mit der grazilen Kraft eines Panthers, der bekanntlich sowohl sanft als auch grausam zuschlagen kann". Anders als Philip Marlowes trostferne, aber literarisch respektable Klause liegt Mrs. Hayles Büro direkt über einem Schönheitssalon, wo nach menschlichem Ermessen jene Zeitschriften ausliegen, in denen ein Roman wie dieser sich sehr hübsch machen würde. KRISTINA MAIDT-ZINKE
Valerie Wilson Wesley: "Ein Engel über deinem Grab". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Gertraude Krueger. Diogenes Verlag, Zürich 1996. 290 S., geb., 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Valerie Wilson Wesley ermittelt im Namen des Ewig-Weiblichen
Wo immer der zeitgenössische Kriminalroman einen Privatdetektiv als Hauptfigur aufbietet, hat der Herr mit hoher Wahrscheinlichkeit einen literarischen Patenonkel namens Philip Marlowe. In der Damenabteilung hat nach Miss Marple noch keine mythenbildende Figur die Szene betreten, so daß auch dort mit einem Seitenblick auf Chandlers großen Einsamen ermittelt werden darf. Tamara Hayle, die schnüffelnde Ich-Heldin in Valerie Wilson Wesleys Debüt "Ein Engel über deinem Grab", ist schwarz, geschieden, alleinerziehend und von ihrem früheren Job bei der Polizei ebenso angewidert wie abgehärtet. Sie verkörpert damit eine politisch korrekte Variante des melancholischen Außenseitertums, das seit Marlowe den Fährtensucher im Dickicht der Städte so gut kleidet.
Als mustergültige Amerikanerin von Anfang Dreißig hat Tamara sich das Rauchen abgewöhnt, glaubt an Gott und führt im Fotofach ihrer Brieftasche stets ein Kondom mit sich, ohne davon leichtfertig Gebrauch zu machen. In den Niederungen von Newark, New Jersey, kämpft die resolute Lady freiberuflich gegen ihre Nikotingier, ihre erotischen Sehnsüchte und natürlich gegen das Verbrechen. Aber eine Frau ist eine Frau, und wenn Mrs. Hayle noch in den aufreibendsten Recherchen das zum Anlaß passende Parfüm wählt, ihre liebsten Teesorten und Badezusätze erwähnt, ein Bohnensuppenrezept verrät oder von ihren Unterhaltungen mit einer Zimmerpflanze erzählt, dann fühlt man sich, "hard-boiled" hin oder her, doch wieder traulich an Miss Marples Strickstrumpf erinnert.
Das Strickmuster ihres ersten Falls bestätigt, daß die ehemalige Polizistin trotz unerschrockenen Umgangs mit dem "Ding" (sprich Revolver) als Exponentin des Ewig-Weiblichen tätig ist: Es bleibt alles in der Familie. Nicht etwa fremde Kundschaft, sondern ihr vormaliger Gatte, ein schwarzer Brother mit ebensolcher Weste, schickt Tamara auf die Suche nach einem unheimlichen Serienkiller. Das erste Opfer ist sein Sohn, das zweite desgleichen, und da der Windhund insgesamt fünf Frauen mit Sprößlingen beglückt hat, zuletzt die Detektivin, Mutter des mittlerweile halbwüchsigen Jamal, muß das Schlimmste befürchtet werden.
So betreibt Mrs. Hayle, verwundbar unter frauenbefreiter Schale, ihre Aufklärungsarbeit auch in eigener Sache. Als von den fünf kleinen Negerlein tatsächlich nur noch eines übrig ist, spitzen sich die Ereignisse dramatisch zu. Bis dahin hält sich die Spannung auf Kräutertee-Niveau, weil Valerie Wilson Wesley zwar für Identität und Motiv des Mörders eine überraschende Lösung gefunden hat, aber vor lauter "human touch" nicht dazu kommt, den Verdacht unterwegs auf andere Figuren zu lenken. Die Verwandten und Bekannten ihres Verflossenen, mit deren Querelen sich Tamara ermittlungshalber aufhalten muß, werden nur von ihr, kaum jedoch vom Leser als Täter in Betracht gezogen.
Der erhascht dafür einen schokoladenfarbenen Abglanz vom potentiellen Liebesleben der Privatdetektivin: Mindestens einer der beiden samthäutigen Traummänner, zwischen denen sie anmutig schwankt, wird - soviel sei hier ausgeplaudert - bei ihrem nächsten Fall wieder mitmischen. Er bewegt sich verheißungsvoll "mit der grazilen Kraft eines Panthers, der bekanntlich sowohl sanft als auch grausam zuschlagen kann". Anders als Philip Marlowes trostferne, aber literarisch respektable Klause liegt Mrs. Hayles Büro direkt über einem Schönheitssalon, wo nach menschlichem Ermessen jene Zeitschriften ausliegen, in denen ein Roman wie dieser sich sehr hübsch machen würde. KRISTINA MAIDT-ZINKE
Valerie Wilson Wesley: "Ein Engel über deinem Grab". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Gertraude Krueger. Diogenes Verlag, Zürich 1996. 290 S., geb., 36,- DM.
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