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»Eine der herausragendsten Autorinnen Norwegens.« The New Yorker
Das Schlimmste passiert dort, wo wir uns sicher fühlen: in der eigenen Familie. Was nach dem plötzlichen Tod des Vaters zunächst wie ein Erbstreit zwischen Geschwistern aussieht, wird für die ältere Schwester Bergljot zu einem Kampf um die jahrzehntelang verdrängte Wahrheit. Es geht nicht um Geld und Besitz. Es geht darum, wem die Vergangenheit gehört. Mit unverwechselbarer Konsequenz erzählt Vigdis Hjorth von der Sehnsucht nach Anerkennung, von der Kraft der Befreiung und von der Frage, ob wir unserer eigenen Geschichte…mehr

Produktbeschreibung
»Eine der herausragendsten Autorinnen Norwegens.« The New Yorker

Das Schlimmste passiert dort, wo wir uns sicher fühlen: in der eigenen Familie. Was nach dem plötzlichen Tod des Vaters zunächst wie ein Erbstreit zwischen Geschwistern aussieht, wird für die ältere Schwester Bergljot zu einem Kampf um die jahrzehntelang verdrängte Wahrheit. Es geht nicht um Geld und Besitz. Es geht darum, wem die Vergangenheit gehört. Mit unverwechselbarer Konsequenz erzählt Vigdis Hjorth von der Sehnsucht nach Anerkennung, von der Kraft der Befreiung und von der Frage, ob wir unserer eigenen Geschichte vertrauen dürfen.

Mit »Ein falsches Wort« gelang Vigdis Hjorth der internationale Durchbruch. Der Roman löste in Norwegen einen Skandal um die Wahrhaftigkeit von Literatur aus, gewann eine Vielzahl von Preisen und festigte Hjorths Status als eine der bedeutendsten Autorinnen unserer Zeit, die 2023 für den International Booker Prize nominiert war und deren Werk in 20 Sprachen übersetzt ist.
Autorenporträt
Vigdis Hjorth, 1959 in Oslo geboren, ist eine der meistrezipierten Gegenwartsautorinnen Norwegens. Sie ist vielfache Bestsellerautorin, wurde für ihr Werk unter anderem mit dem norwegischen Kritikerprisen und dem Bokhandlerprisen ausgezeichnet und war für den Literaturpreis des Nordischen Rates, den National Book Award sowie den International Booker Prize nominiert. Im Herbst 2023 erschien bei S. FISCHER 'Die Wahrheiten meiner Mutter', im Frühjahr 2024 der Roman 'Ein falsches Wort'. Nach Stationen in Kopenhagen, Bergen, in der Schweiz und in Frankreich lebt Vigdis Hjorth heute in Oslo. Dr. Gabriele Haefs, geboren 1953, studierte Sprachwissenschaft in Bonn und Hamburg. Sie übersetzt aus dem Norwegischen, Dänischen, Schwedischen, Englischen, Niederländischen und Gälischen, u.a. Werke von Jostein Gaarder, Håkan Nesser und Anne Holt. 
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2024

Alles kommt hoch

Eine späte Entdeckung: Die Norwegerin Vigdis Hjorth erzählt in ihrem Roman "Ein falsches Wort" mehr als nur ein Familiendrama.

Von Anna Vollmer

Auf den ersten Blick lässt sich "Ein falsches Wort", der rund 400 Seiten lange Roman der norwegischen Schriftstellerin Vigdis Hjorth, recht knapp zusammenfassen: Eine Familie streitet sich ums Erbe. Doch wie bei jedem echten Erbstreit geht es auch hier nicht um Materielles, um Geld oder Immobilien (auch wenn zwei Ferienhütten im Buch eine sehr prominente Rolle spielen). Sondern um die Frage, was sich durch die Verteilung des Erbes ausdrückt: Wer wurde am meisten geliebt? Und wen möchte man durch scheinbare Gerechtigkeit, durch Großzügigkeit, möglicherweise zum Schweigen bringen?

Die Hauptfigur Bergljot, Redakteurin und Theaterkritikerin, hat den Kontakt zu ihrer Familie weitgehend abgebrochen. Schon vor Jahrzehnten erinnerte sie sich in ihrer Psychoanalyse, dass sie als Fünfjährige vom Vater missbraucht wurde. Eine Tat, mit der sie die Familie konfrontiert hatte und die der Vater nicht zugeben, Mutter und Schwestern nicht ernsthaft anerkennen wollen. Der Familienfrieden soll nicht gestört, Ruf und Firma nicht ruiniert werden. Dann stirbt der Vater. Als Bergljot und ihr Bruder am Erbe der beiden Ferienhütten nicht beteiligt werden, kommen die Konflikte der Vergangenheit, die Erinnerungen an die Kindheit wieder hoch.

Vigdis Hjorth, geboren 1959, ist in Norwegen schon lange eine bekannte Schriftstellerin, "Ein falsches Wort" machte sie noch berühmter. Tatsächlich sind ihre Romane auch in Deutschland schon seit Jahrzehnten zu lesen. Dass sie trotzdem wie eine plötzliche Entdeckung wirken, liegt wohl daran, dass Hjorth - wie so viele ihrer Kolleginnen - lange in die Sparte "Frauenliteratur" einsortiert und schlicht übersehen wurde. "Ein falsches Wort", das gerade im Fischer Verlag erschienen ist, war 2019 schon einmal unter dem Titel "Bergljots Familie" im Osburg Verlag herausgekommen - nur fiel das damals kaum jemandem auf. Erst jetzt, da die Autorin großen Erfolg in der angelsächsischen Welt feiert, die "New York Times" und der "New Yorker" über sie berichtet haben und sie im vergangenen Jahr mit ihrem Roman "Die Wahrheiten meiner Mutter" für den Internationalen Booker Prize nominiert wurde, bekommt sie auch hier die Aufmerksamkeit, die ihr gebührt.

Hjorths Themen passen in unsere Zeit. Es geht um Emanzipation, um Familie, um Mutter- und Tochtersein und um Therapie. In "Die Wahrheiten meiner Mutter", das vor rund einem halben Jahr auf Deutsch erschienen ist, erzählt sie von einer Frau, die nach dreißig Jahren in den USA in ihre Heimat Norwegen zurückkehrt und während der gesamten Handlung des Buches versucht, ihre inzwischen alte Mutter zu erreichen, um über vergangene Zerwürfnisse zu sprechen. Vordergründig hat die Hauptfigur Johanna, die Künstlerin geworden ist, die Erwartungen der Familie enttäuscht (abgebrochenes Jurastudium, Scheidung) und die Beziehung auch noch in einem Kunstwerk verarbeitet (Rufmord), doch vermutet man, dass hinter der Entfremdung noch etwas anderes stecken könnte.

"Ein falsches Wort", das in Norwegen schon vier Jahre vor "Die Wahrheiten meiner Mutter" erschienen ist, handelt zwar von völlig anderen Figuren, wirkt aber dennoch auch inhaltlich wie dessen Vorgängerroman. Könnte der Grund für den Bruch nicht in beiden Texten ein Missbrauch sein? Wenn man möchte, kann man in "Ein falsches Wort" außerdem jenes Kunstwerk sehen, das in "Die Wahrheiten meiner Mutter" die Familie empört. Etwas abgewandelt, denn Johanna ist eine bildende Künstlerin. Aber dennoch. Beide Hauptfiguren arbeiten sich an der Mutter ab, viel mehr noch als an den toten Vätern. Beide stehen im Konflikt mit ihren Schwestern, weil diese die Nähe der Mutter weiterhin suchen.

In Norwegen beschäftigte die Leser aber nicht nur die Ähnlichkeit zwischen beiden Texten, sondern auch manche Überschneidung mit der Realität. Hjorths Familie glaubte, sich in "Ein falsches Wort" wiederzuerkennen, und bezichtigte sie der Lüge. Ihre Schwester, eigentlich Juristin, schrieb sogar einen eigenen Roman, in dem sie die Geschichte auf ihre Weise erzählte. Ein wahr gewordener PR-Traum, der beiden Büchern zu einem immensen Aufmerksamkeitsschub verhalf. Das alles, die autofiktionale Erzählweise, der Skandal um die Frage, was Literatur dürfe und wann sie die Privatsphäre verletze, erinnern zwangsläufig an einen anderen, weltberühmten norwegischen Schriftsteller, Karl Ove Knausgård, ohne dessen Erwähnung kaum eine Rezension von Hjorths Büchern auskommt. Auch diese nicht, wobei sofort zu ergänzen ist, dass die Ähnlichkeit sich in den genannten beiden Gemeinsamkeiten bereits erschöpft.

Während Knausgård den Anschein von Wahrhaftigkeit schon dadurch erwecken möchte, dass er sich an jedes Getränk seines Lebens erinnert, tut Hjorth nie so, als wären ihre Bücher keine Romane. Nie entsteht der Eindruck, als kreisten ihre Hauptfiguren, die sich in endlosen inneren Monologen Gedanken um ihr Umfeld, ihr Leben und ihre Beziehungen machen, nicht auf sehr subjektive Weise um sich selbst. Oder als müsse man alles glauben, was hier steht. In "Ein falsches Wort" sagt Bergljot: "Die Macht, die die Erzählungen der Eltern auf die Wirklichkeitsauffassung des Kindes haben, ist so groß, dass es fast unmöglich ist, sich davon zu befreien. Hatte ich mich befreit? Oder war ich noch immer gefangen und hatte nur die Vorzeichen der Erzählung verändert?"

Dass die Psychoanalyse für das Schreiben der Autorin wichtig ist, merkt man nicht nur daran, dass Bergljot erst durch ihre Therapie zu sich selbst findet. Sondern auch an der Art, wie Hjorths Romane erzählt sind. Formal und stilistisch ist alles so ausgearbeitet, so klug gemacht, dass man sich von der Unmittelbarkeit, die Hjorths Texte vermitteln, nicht täuschen lassen sollte.

Wieder und wieder kehrt sie zu denselben Themen zurück, um sich etwa in "Ein falsches Wort" dem eigentlichen Kern der Sache, dem Missbrauch, immer weiter zu nähern. Wieder und wieder benutzt sie die gleichen Formulierungen, die gleichen Motive. Und so entsteht, obwohl bis zum Showdown beim Notar auf der Handlungsebene relativ wenig passiert (Bergljot schreibt und liest E-mails, erinnert sich an ihre Vergangenheit und trinkt dabei sehr viel Rotwein), dennoch ein Sog. Als läge Bergljot vor einem auf der Couch, als kämen die Erinnerungen ihr so, wie sie einem eben kommen: "Um seine Frau zu entlasten, nahm Vater seine älteste Tochter mit, wenn er mit dem Auto unterwegs war, und sie sahen sich Grundstücke für die Baugesellschaft an, bei der er angestellt war, und der Vater und die älteste Tochter übernachteten im Hotel, und es war wunderbar, im Hotel zu wohnen, im Hotel, muss man sich vor dem Essen hinlegen und die Vorhänge zuziehen, das macht man so im Hotel, sagte Vater und zeigte ihr, was man im Hotel machte."

Das Bild, das Hjorth in ihrem Roman von der Familie, von unserer Gesellschaft zeichnet, ist erschütternd. Das wäre es auch ohne sexuellen Missbrauch. Denn es geht um eine Dynamik, in der Harmonie und der Anschein eines schönen Familienlebens mehr wiegen als die Wahrheit, in der alle Störfaktoren und negativen Gefühle verdrängt werden. Und darum, was all das mit fehlender Emanzipation zu tun hat. Da kann eine Mutter nicht zu ihren Kindern stehen, weil die finanzielle Abhängigkeit von ihrem Mann ihr keinen Handlungsspielraum lässt: "Mutter versuchte, allein zu leben, aber es ging nicht. Vater mietete ihr eine Wohnung, nach anderthalb Wochen war sie zurück, und zwar zu seinen Bedingungen."

"Ein falsches Wort", ein Roman, der so intim erscheint, weil er sich um einen kleinen Personenkreis, ja vor allem um eine einzige Frau dreht, ist deshalb trotzdem mehr als ein Familiendrama oder die Geschichte eines beliebigen Erbschaftsstreits. Er ist eine Analyse unseres Zusammenlebens. Dazu bräuchte es die einzigen, eher überflüssigen Passagen gar nicht, in denen ein Freund Bergljots sich mit den Kriegen dieser Welt beschäftigt und daraus teils fragwürdige Schlüsse zieht. Wir verstehen ohnehin, dass es hier nicht nur um eine Familie geht. Dafür sind Familien einander viel zu ähnlich.

Vigdis Hjorth, "Ein falsches Wort". Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs. Verlag S. Fischer, 400 Seiten, 25 Euro.

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

"Keine leichte, aber eine faszinierende Lektüre" ist das autofiktionale Buch Vigdis Hjorths für Rezensentin Petra Pluwatsch, die darin von einer erwachsenen Frau liest, die als Kind vom Vater missbraucht wurde und der nun im Rückblick von der Familie nicht geglaubt wird. Als der Vater stirbt und sein Testament verlesen wird, reißen alte Wunden wieder auf, die Protagonistin wird zum gemiedenen "Nicht-Kind", so Pluwatsch. Das wiederholte sich in der Realität: Die Familie der Autorin war empört über die Veröffentlichung und bestritt die Vorwürfe. Dort jedenfalls war das Buch ein großer Erfolg und löste rege Diskussionen um die "Wahrhaftigkeit von Literatur" aus, fügt die Kritikerin noch an.

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Ein Buch, dessen Lektüre nicht erholsam ist, aber verwandelnd. Meredith Haaf Süddeutsche Zeitung 20240713