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'Der Monat', während der Blockade 1948 von Melvin J. Lasky gegründet, markierte den Beginn einer neuen Epoche der Demokratie in Deutschland. Er wurde zum wichtigsten Medium für eine beherzte Streitkultur, die Maßstäbe setzte. Knapp 40 Jahre lang war diese internationale Zeitschrift den Deutschen 'das Fenster zur Welt' (W. J. Siedler). Die Besten des europäischen Geistes fanden hier zusammen.

Produktbeschreibung
'Der Monat', während der Blockade 1948 von Melvin J. Lasky gegründet, markierte den Beginn einer neuen Epoche der Demokratie in Deutschland. Er wurde zum wichtigsten Medium für eine beherzte Streitkultur, die Maßstäbe setzte. Knapp 40 Jahre lang war diese internationale Zeitschrift den Deutschen 'das Fenster zur Welt' (W. J. Siedler). Die Besten des europäischen Geistes fanden hier zusammen.
Autorenporträt
Marko Martin, geb. 1970 in Burgstädt/Sachsen, erhielt aus politischen Gründen in der DDR Hochschulverbot. Im Mai 1989 reiste er in die Bundesrepublik aus und studierte an der FU Berlin Germanistik, Politikwissenschaft und Geschichte. Er arbeitet heute als freier Schriftsteller und Autor der "Welt" in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.03.2000

Keine Teerunde mit der alten Tante
Ein frischer Reprint könnte junge Leser fragen lassen: Was - das alles stand schon im "Monat"?

Melvin J. Lasky, im Januar zu seinem Geburtstag in zahllosen Artikeln gefeiert, konnte nicht kommen. Der Achtzigjährige - er gehört zu Berlin wie das Brandenburger Tor und lebt seit 1989 wieder hier, in der Mommsenstraße - ist krank. Niemand wäre lieber als er dabei gewesen, als am Donnerstagabend in der Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus am Nikolaikirchplatz ein fast 600 Seiten dicker Reprint-Band mit Beiträgen aus dem "Monat" vorgestellt wurde. Lasky - seine Freunde nennen ihn "Mel" - hatte die Zeitschrift 1948 in Berlin während der Blockade gegründet. Sie sollte zur Legende werden. In ihr wurden die Debatten geführt, die zeigen, wes Geistes Kind die Bundesrepublik ist, und wie sie wurde, was sie ist.

Die Texte für den Reprint hat Marko Martin ausgewählt, ein dreißig Jahre alter Journalist und freier Autor, der in der DDR als Kriegsdienstverweigerer Hochschulverbot erhalten hatte. Erst nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik 1989 konnte er studieren: Germanistik, Politikwissenschaft und Geschichte an der Freien Universität. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er ein Buch über den "Monat". Am Donnerstagabend sagte er vor den etwa zwei Dutzend Zuhörern im Keller der Gedenkbibliothek, er habe mit dem Reprint nicht einen weiteren Jubiläums-Repräsentationsband zur "Heilsgeschichte fünfzig Jahre Bundesrepublik" beitragen wollen. Um Lesbarkeit sei es gegangen, auch einfach um das Vergnügen beim Blättern, darum, "produktive Unruhe zu erzeugen, anstatt eine imaginäre Teerunde mit der alten Tante Bundesrepublik zu veranstalten", wie er in der Einleitung schreibt.

Aber es geht keineswegs nur ums Vergnügen. Der Band richte sich gegen die "Konsensseligkeit" selbst der politischen Linken, wie sie zum fünfzigsten Jahrestag des Weltkriegsendes und der Republiksgründung in Erinnerungsbüchern, Fotobänden und Fernsehdokumentationen über die Deutschen geschüttet worden sei: "So wie einst über den Materialismus der vermeintlichen ,Adenauer-Restauration', Kiesingers NS-Vergangenheit, den angeblichen Brandt' schen Verrat an den hehren Idealen von '68, Schmidts kühlen Pragmatismus und Kohls Aussitzertum geklagt wurde, jubelt man nun die diversen, nicht selten einander konterkarierenden Entwicklungslinien der Bundesrepublik zu einem Lichtstrang hoch, an dem sich das (west)deutsche Volk aus dem Dunkel zu ziehen vermochte. Der Schlaf des ideologisch abgepolsterten Manichäismus gebiert Monster der Gemütlichkeit."

Im Berlin des Jahres 1948 war es nicht gerade gemütlich, als Lasky den "Monat" gründete. Die Blockade der Russen schnürte die zerstörte Stadt ab. Lasky, im Jahr 1920 als Nachkomme jüdisch-osteuropäischer Einwanderer in der New Yorker Bronx geboren, war als Kriegshistoriker der US Army nach Berlin gekommen und hatte sich sofort in die Stadt verliebt. Von Walter Ulbricht ist der Satz überliefert: "Das ist der Mann, der den Kalten Krieg begonnen hat." Die "Auszeichnung" hatte sich der junge Amerikaner damit verdient, dass er 1947 auf dem sowjetisch dominierten Schriftstellerkongress im Deutschen Theater zu Berlin aufstand und etwas Unerhörtes äußerte: "Ich möchte sagen, dass wir uns solidarisch fühlen mit den Schriftstellern und Künstlern Sowjetrusslands. Auch sie kennen den Druck und die Zensur. Auch sie stehen im Kampf um kulturelle Freiheit."

Für den "Monat" - das erste Heft erschien in knalligem Rot - schrieben George Orwell, Hannah Arendt, Thomas Mann, Arthur Koestler, Raymond Aron, Ignazio Silone, Hans Sahl, Max Frisch, T. S. Eliot, Saul Bellow, Milovan Djilas, Hermann Kesten und viele andere berühmte Autoren. Seine größte Stunde kam, als unter seiner Führung im Mai 1950 der "Kongreß für kulturelle Freiheit" gegründet wurde, zu dem Gelehrte, Künstler und Schriftsteller aus aller Welt nach Berlin reisten. Johannes R. Becher schäumte. Auf der Tagung des Zweiten (ostdeutschen) Schriftstellerkongresses in Berlin sagte er: "Zwar müssen wir vorerst von euch noch Kenntnis nehmen, aber wir nehmen Kenntnis von euch nur in dem Sinne, wie man von einem Geschwür Kenntnis nimmt, das darauf wartet, operiert zu werden."

Marko Martin zeichnet die Geschichte der Zeitschrift in der Einleitung zum Reprint knapp nach, über Laskys Wechsel zum Londoner "Encounter" 1958, die Einstellung der Zeitschrift 1971, die Neugründung 1978 mit Chefredakteur Michael Naumann (heute Kulturstaatsminister) und das endgültige Ende 1986. Am Donnerstagabend sagte er: "Noch die knappe Auswahl im Reprint zeigt, das der ,Monat' nie eine One-issue-Zeitschrift war, nie ein simpel antikommunistisches Kampfblatt im Ost-West-Gegensatz." Der Berliner Literaturhistoriker Hans Dieter Zimmermann, Professor an der Technischen Universität, ging auf den Skandal des Jahres 1967 ein, als bekannt wurde, dass die CIA den "Monat" fianziell maßgeblich unterstützte. Für die politische Linke war es jetzt einfach, finstere Machenschaften zu wittern und die Zeitschrift in die Ecke des "primitiven Antikommunismus" zu drängen: Hier arbeiteten gekaufte Intellektuelle, die gegen den Osten polemisieren. Dass jedoch nie Druck auf Redaktion und Mitarbeiter ausgeübt wurde, hat 1998 auch Klaus Harpprecht noch einmal bestätigt: Man ließ das Geld still über die CIA fließen, weil die meist konservativen Abgeordneten und Senatoren des amerikanischen Kongresses es nie bewilligt hätten, wenn sie erst einmal einen Blick auf die Mitarbeiterliste des "Monats" hätten werfen können. Nicht wenige der Autoren waren in ihrer Jugend gläubige Kommunisten gewesen, auch Lasky hatte seine "trotzkistische Phase". Harpprecht ist unverdächtig mit seinem Urteil: Er war von Mitte der sechziger Jahre an zusammen mit Hellmut Jaesrich und Peter Härtling Leiter des "Monats" und später Chef der legendären "Schreibstube" Willy Brandts. Von amerikanischen Institutionen wie der Ford Foundation und dem State Departement unterstützt wurden auch andere Zeitschriften, die gleichzeitig mit dem "Monat" in anderen Ländern gegründet worden waren: Ignazio Silones "Tempo Presente" in Rom, Friedrich Torbergs "Forum" in Wien, und François Bondys "Preuves" in Paris.

Auch ohne den CIA-Skandal war es mit dem "Monat" erst einmal vorbei. In der Zeit der Studentenrevolte, so Professor Zimmermann, zerbrach der antitotalitäre Konsens. Die Zeitschrift wurde nicht mehr beachtet, jetzt war das linke "Kursbuch" gefragt. Der "Monat" war "gescheitert an einer Zeit, deren Angst-Vokabular sich von ,Terror' hin zum ,Konsumterror' verlagert hatte, von Intoleranz zu ,repressiver Toleranz'", wie Martin schreibt. Es lag wohl auch daran, dass dem "Monat" die Anpassung an den Zeitgeist nicht bekam: Den Linken war er dennoch nicht progressiv genug, die Konservativen sahen ihn nach links driften.

Auch nach mehreren Verlagswechseln - seit 1982 war schließlich Lasky zusammen mit Naumann und Helga Hegewisch wieder Herausgeber -, auch mit modernem Layout und zeitgemäßen Themen kam der "Monat" nicht mehr auf die Beine. Er machte nur noch Verlust, und drei Jahre vor dem Fall der Mauer war das Ende der Legende gekommen.

Hartmut Jäckel, Professor der Politischen Wissenschaft an der Freien Universität, hat Ende der sechziger Jahre acht Beiträge im "Monat" veröffentlicht. "Die Auseinandersetzung mit dem Totalitarismus war nach dem Krieg sicher zentral. Aber ich habe die Zeitschrift als Student und junger Assistent vor allem wegen der Literatur gelesen. Das war die Begegnung mit der Weltliteratur, von der die Nazis Deutschland abgesperrt hatten." Später, als Autor, sei ihm der "Monat" immer als eine Zeitschrift mit einer besonderen Redaktionskultur erschienen. Die Autoren seien höflich und verständnisvoll behandelt worden. Bei größeren Kürzungen der eingesandten Manuskripte habe man sie um ihr Einverständnis gefragt. Mittlerweile hat Jäckel sich fast alle Ausgaben des "Monat" bis zum Jahr 1970 antiquarisch zusammengekauft. Wer den "Monat" kennen lernen will, hat es mit dem neuen Reprint jetzt etwas einfacher.

AXEL WERMELSKIRCHEN

Marko Martin (Hrsg.): Fenster zur Welt. Die Zeitschrift "Der Monat" - Beiträge aus vier Jahrzehnten. Beltz Athenäum Verlag, Weinheim 2000, 591 Seiten, 98 Mark.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Roland H. Wiegenstein geht hart ins Gericht mit diesem Reprint von Beiträgen der 1948 gegründeten Zeitschrift "Der Monat", die in Verruf kam, durch die CIA finanziert zu sein und die nach mehreren Wiederbelebungsversuchen 1986 endgültig eingestellt wurde. Der Rezensent würdigt den "Monat" als "wichtigstes Organ intellektueller Selbstverständigung" im Nachkriegsdeutschland und findet es überaus bedauerlich, dass die Auswahl für diesen Nachdruck dieses Faktum nicht widerspiegelt. Er vermutet, dass der Verlag aus Sparsamkeit einen Reprint statt eines Neudrucks herausgegeben hat und stört sich an dem wechselnden Layout der einzelnen Beiträge. Überhaupt sei die Auswahl der nach Themen geordneten Artikel willkürlich, zudem hätten sich viele Fehler eingeschlichen, moniert der Rezensent. Datierungen seien falsch, die Chronologie werde nicht berücksichtigt und erläuternde Anmerkungen zu heute kaum noch bekannten Autoren gebe es kaum. Der Rezensent ärgert sich über diese "zusammengeschusterte Instant-Ausgabe" und tadelt, dass die Zeitschrift durch diesen Reprint "weniger bedeutend wirkt" als sie in Wirklichkeit war.

© Perlentaucher Medien GmbH