'Der preisgekrönte amerikanische Autor Ha Jin erzählt in einem großen Entwicklungsroman mit ergreifender Kraft vom Schicksal einer chinesischen Familie in den USA und von der Suche des Menschen nach Liebe und dem richtigen Platz im Leben.
'Der chinesische Student Nan Wu und seine Frau Pingping entschließen sich im Sommer 1989, kurz nach den Ereignissen auf dem Platz des Himmlischen Friedens, in den USA zu bleiben und dort ein neues Leben zu beginnen. Es sollte nur ein Studienaufenthalt werden, doch mit jedem Jahr in den Staaten steigt die Wut auf die politischen Verhältnisse in der fernen Heimat. Endlich dürfen sie nun auch ihren sechsjährigen Sohn Taotao zu sich holen, der sich schnell an die neue Umgebung gewöhnt. Nan aber träumt davon, ein großer Dichter zu sein, und hat es wesentlich schwerer: Ihn plagen Schuldgefühle seiner Frau gegenüber, der er sich eher solidarisch als in Liebe verbunden fühlt, weil er seine Jugendfreundin Beina nicht vergessen kann; schwer wiegt auch die Verantwortung, seiner Familie ein sicheres Auskommen zu ermöglichen. Über zwölf Jahre begleiten wir Leser den Alltag der Familie Wu, ihr tägliches Ringen um Heimat, Liebe und Glück. Seite für Seite wachsen sie uns ans Herz, weil unsere eigenen Träume sich in den ihren spiegeln.
'Der chinesische Student Nan Wu und seine Frau Pingping entschließen sich im Sommer 1989, kurz nach den Ereignissen auf dem Platz des Himmlischen Friedens, in den USA zu bleiben und dort ein neues Leben zu beginnen. Es sollte nur ein Studienaufenthalt werden, doch mit jedem Jahr in den Staaten steigt die Wut auf die politischen Verhältnisse in der fernen Heimat. Endlich dürfen sie nun auch ihren sechsjährigen Sohn Taotao zu sich holen, der sich schnell an die neue Umgebung gewöhnt. Nan aber träumt davon, ein großer Dichter zu sein, und hat es wesentlich schwerer: Ihn plagen Schuldgefühle seiner Frau gegenüber, der er sich eher solidarisch als in Liebe verbunden fühlt, weil er seine Jugendfreundin Beina nicht vergessen kann; schwer wiegt auch die Verantwortung, seiner Familie ein sicheres Auskommen zu ermöglichen. Über zwölf Jahre begleiten wir Leser den Alltag der Familie Wu, ihr tägliches Ringen um Heimat, Liebe und Glück. Seite für Seite wachsen sie uns ans Herz, weil unsere eigenen Träume sich in den ihren spiegeln.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2009Heimkehr auf Umwegen
Ha Jin erzählt von chinesischen Migranten in Amerika
Angetan mit Seide und Brokat sollen sie wiederkommen und ihre Vorfahren preisen, verlangt ein chinesisches Sprichwort von denen, die das Land verlassen haben. "Doch da die meisten von uns nicht nach Hause zurückkönnen, müssen wir unsere eigenen Ithakas suchen", schreibt der sinoamerikanische Autor Ha Jin, Professor für englische Literatur an der Boston University und zweifacher PEN/Faulkner-Preisträger. In seinem Roman "Ein freies Leben" wird die Langwierigkeit dieser Suche fast schon körperlich spürbar: Auf über 700 Seiten protokolliert Ha Jin mit buchhalterischer Genauigkeit den langsamen Aufstieg der Familie Wu in einem Land, das lange Zeit in dem Ruf stand, selbst den Tellerwäscher mit königlichem Gewinn zu entlohnen, so er strebsam sei.
Die finanzielle und soziale Erfolgsgeschichte der Wus verläuft allerdings ausnehmend unspektakulär. Nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 beschließt Nan, der ursprünglich nur seiner Promotion wegen in die Vereinigten Staaten gekommen war, nicht mehr nach China zurückzukehren - das sind die einzigen autobiographischen Elemente des Romans. Auch die Politologie ist Nan zuwider. Und so gibt er die akademische Karriere auf für ein Arbeiterdasein, das zwar seinen intellektuellen Ansprüchen nicht genügt, dafür aber seine Frau Pingping und seinen Sohn Taotao ernährt. Demut und Aufopferung prägen das Selbstverständnis der Zuwanderer, deren bescheidenes Ziel ein solides Mittelschichtdasein in dem kapitalistischsten aller Länder ist. Die leisen Hoffnungen und kleinen Enttäuschungen, die den Weg dorthin prägen, bilden den Rhythmus ihrer Geschichte.
Obgleich vollauf beschäftigt mit dem Leiden an der eigenen Spießbürgerlichkeit, schmerzhaften Erinnerungen an eine frühere Geliebte und den Zumutungen rassistischer Ressentiments, ist Nan ein Träumer, der seine eigentliche Bestimmung in der Dichtkunst sieht und schubweise unter dem Ausbleiben literarischen Ruhmes leidet. Doch in einer Welt, in der jede Aktivität einen Gegenwert in Dollar hat, ist für derlei Romantizismen kein Platz: Nan ergibt sich der Realität und wird kein genialischer Dichter, aber immerhin ein solider Handwerker der englischen Sprache.
Wenn Nan unter der körperlichen Belastung seiner Nachtschichten als Fabrikwächter fast zusammenbricht, beschreibt Ha Jin das, ohne Mitleid für seinen Helden zu heischen. Nur selten bricht Nans Verzweiflung über die eigene Hilflosigkeit durch: "Egal wie hart ich a-beite, ich bin doch bloß eine Sozialvea-sicherungsnummer", stellt er dann fest, doch mit seinem Akzent klingt die bittere Erkenntnis lediglich anrührend, ebenso wie sein Schwanken zwischen hochfahrenden Ambitionen und dem Ekel vor der Mittelmäßigkeit. Den eitlen Gedanken, wie Nabokov, Joyce und Buddha seine herausoperierten Weisheitszähne für die Nachwelt aufzubewahren, verwirft er schnell: "Wie wertlos seine kaputten Zähne waren, weil er es im Leben zu nichts gebracht hatte!"
Das Ausbleiben dramatischer Höhepunkte und der emotionslose, dokumentarische Duktus gestalten die Lektüre streckenweise beschwerlich. Ha Jins Sprache ist so unprätentiös, als solle sie ganz hinter dem Erzählten zurücktreten: den schlichten Alltagssituationen, die die Nöte einer sozial benachteiligten Migrantenfamilie illustrieren. Es geht um das tastende Ausloten der eigenen Möglichkeiten im fremden Land, die latente Furcht vor dem Missverständnis, die ständige Erwartung, übers Ohr gehauen zu werden.
Der Titel ist dabei nicht gänzlich ironisch gemeint. Heimat wird bei Ha Jin zum Versprechen, für dessen Erfüllung jeder selbst zu sorgen hat. Die Freiheit ist die der Entscheidung, auf welchem Wege man es versucht.
ARIANE BREYER.
Ha Jin: "Ein freies Leben". Roman. Aus dem Englischen von Sonja Hauser und Susanne Hornfeck. Ullstein Verlag, Berlin 2009. 738 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ha Jin erzählt von chinesischen Migranten in Amerika
Angetan mit Seide und Brokat sollen sie wiederkommen und ihre Vorfahren preisen, verlangt ein chinesisches Sprichwort von denen, die das Land verlassen haben. "Doch da die meisten von uns nicht nach Hause zurückkönnen, müssen wir unsere eigenen Ithakas suchen", schreibt der sinoamerikanische Autor Ha Jin, Professor für englische Literatur an der Boston University und zweifacher PEN/Faulkner-Preisträger. In seinem Roman "Ein freies Leben" wird die Langwierigkeit dieser Suche fast schon körperlich spürbar: Auf über 700 Seiten protokolliert Ha Jin mit buchhalterischer Genauigkeit den langsamen Aufstieg der Familie Wu in einem Land, das lange Zeit in dem Ruf stand, selbst den Tellerwäscher mit königlichem Gewinn zu entlohnen, so er strebsam sei.
Die finanzielle und soziale Erfolgsgeschichte der Wus verläuft allerdings ausnehmend unspektakulär. Nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 beschließt Nan, der ursprünglich nur seiner Promotion wegen in die Vereinigten Staaten gekommen war, nicht mehr nach China zurückzukehren - das sind die einzigen autobiographischen Elemente des Romans. Auch die Politologie ist Nan zuwider. Und so gibt er die akademische Karriere auf für ein Arbeiterdasein, das zwar seinen intellektuellen Ansprüchen nicht genügt, dafür aber seine Frau Pingping und seinen Sohn Taotao ernährt. Demut und Aufopferung prägen das Selbstverständnis der Zuwanderer, deren bescheidenes Ziel ein solides Mittelschichtdasein in dem kapitalistischsten aller Länder ist. Die leisen Hoffnungen und kleinen Enttäuschungen, die den Weg dorthin prägen, bilden den Rhythmus ihrer Geschichte.
Obgleich vollauf beschäftigt mit dem Leiden an der eigenen Spießbürgerlichkeit, schmerzhaften Erinnerungen an eine frühere Geliebte und den Zumutungen rassistischer Ressentiments, ist Nan ein Träumer, der seine eigentliche Bestimmung in der Dichtkunst sieht und schubweise unter dem Ausbleiben literarischen Ruhmes leidet. Doch in einer Welt, in der jede Aktivität einen Gegenwert in Dollar hat, ist für derlei Romantizismen kein Platz: Nan ergibt sich der Realität und wird kein genialischer Dichter, aber immerhin ein solider Handwerker der englischen Sprache.
Wenn Nan unter der körperlichen Belastung seiner Nachtschichten als Fabrikwächter fast zusammenbricht, beschreibt Ha Jin das, ohne Mitleid für seinen Helden zu heischen. Nur selten bricht Nans Verzweiflung über die eigene Hilflosigkeit durch: "Egal wie hart ich a-beite, ich bin doch bloß eine Sozialvea-sicherungsnummer", stellt er dann fest, doch mit seinem Akzent klingt die bittere Erkenntnis lediglich anrührend, ebenso wie sein Schwanken zwischen hochfahrenden Ambitionen und dem Ekel vor der Mittelmäßigkeit. Den eitlen Gedanken, wie Nabokov, Joyce und Buddha seine herausoperierten Weisheitszähne für die Nachwelt aufzubewahren, verwirft er schnell: "Wie wertlos seine kaputten Zähne waren, weil er es im Leben zu nichts gebracht hatte!"
Das Ausbleiben dramatischer Höhepunkte und der emotionslose, dokumentarische Duktus gestalten die Lektüre streckenweise beschwerlich. Ha Jins Sprache ist so unprätentiös, als solle sie ganz hinter dem Erzählten zurücktreten: den schlichten Alltagssituationen, die die Nöte einer sozial benachteiligten Migrantenfamilie illustrieren. Es geht um das tastende Ausloten der eigenen Möglichkeiten im fremden Land, die latente Furcht vor dem Missverständnis, die ständige Erwartung, übers Ohr gehauen zu werden.
Der Titel ist dabei nicht gänzlich ironisch gemeint. Heimat wird bei Ha Jin zum Versprechen, für dessen Erfüllung jeder selbst zu sorgen hat. Die Freiheit ist die der Entscheidung, auf welchem Wege man es versucht.
ARIANE BREYER.
Ha Jin: "Ein freies Leben". Roman. Aus dem Englischen von Sonja Hauser und Susanne Hornfeck. Ullstein Verlag, Berlin 2009. 738 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ariane Breyer schätzt Ha Jins Roman über chinesische Migranten in den USA. Im Mittelpunkt des umfangreichen Werks sieht sie die Geschichte des beschwerlichen Aufstiegs der Familie Wu, deren Hoffnungen und Enttäuschungen auf dem Weg zu einem soliden Mittelschichtsdasein. Die Lektüre des Romans findet Breyer bisweilen ähnlich mühsam wie das Leben der Wus, auch weil die Schreibweise des Autors sehr "emotionslos?, ja "dokumentarisch? ist. Sie attestiert Ha Jin geradezu eine "buchhalterischer Genauigkeit? beim Erzählen. Die Sprache scheint ihr hinter das Erzählte zurückzutreten, so dass der triste Alltag und die Nöte der Migrantenfamilie umso deutlicher zum Vorschein kommen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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