Wenn man ein Buch liebt, dann wünscht man sich nichts sehnlicher, als dass es nie endet...doch "Ein ganzes halbes Jahr" ist genau deswegen so ein Goldstück - weil es endet, wie es endet und weil es, wenn man sich einmal damit abgefunden hat, gut ist. In Ordnung ist. Traurig, tragisch,
herzzerreißend, aber in Ordnung.
Als der Postbote dann endlich das sehnlich erwartete Päckchen mit dem Buch…mehrWenn man ein Buch liebt, dann wünscht man sich nichts sehnlicher, als dass es nie endet...doch "Ein ganzes halbes Jahr" ist genau deswegen so ein Goldstück - weil es endet, wie es endet und weil es, wenn man sich einmal damit abgefunden hat, gut ist. In Ordnung ist. Traurig, tragisch, herzzerreißend, aber in Ordnung.
Als der Postbote dann endlich das sehnlich erwartete Päckchen mit dem Buch brachte, öffnete ich es, lies es aber tagelang liegen...vielleicht, weil ich vom letzten Moyes Roman nicht ganz überzeugt war, vielleicht, weil ich Angst hatte, dass dieser Roman (wie oft zweite Filme) ganz und gar nicht an Band 1 heranreicht und vielleicht...weil ich gar nicht so genau wissen wollte, was mit Lou, nach Wills Tod passiert ist.
Schon nach den ersten Seiten merkt man, dass sich nicht nur der "Ton" des Buches geändert hat, sondern Lou's ganze Lebenseinstellung. Auch 1,5 Jahre nach Wills Erlösung lebt Louisa kein "normales" oder gar "glückliches" Leben, vielmehr wohnt sie in einer Wohnung, in der sie nicht glücklich ist, arbeitet in einer Bar am Flughafen, die sie hasst und versinkt fast in ihrer Trauer. Aus der lebenslustigen, sympathischen jungen Frau ist eine Person geworden, die sich von ihrer Trauer nicht nur auffressen lässt, sondern auch jeglichen Lebensmut und jede Lebenslust verloren hat. Doch wie so oft passiert auch hier etwas unvorhergesehenes und plötzlich schöpft Louisa neuen Mut...
"Ein ganz neues Leben" ist ein Buch, an das ein jeder Leser und Liebhaber von "Ein ganzes halbes Jahr" wohl hohe Erwartungen stellt. Eigentlich sollte man mit keiner so hohen Erwartungshaltung an etwas herangehen, was eigentlich gar nicht so gut sein KANN, wie sein Vorgänger - einfach aus der Tatsache heraus, dass eine der wichtigsten Protagonisten nicht mehr dabei ist, einer der Personen, die uns Band 1 zu solch einem Vergnügen gemacht hat. Sollte man meinen. Doch auch in Band 2 ist Will irgendwie immer ein bisschen präsent, ein klein wenig vertreten, sodass man ihn, seine Launen und seinen Charakter nie vergisst. Fast möchte man ihm ein wenig böse sein, wenn man sieht, was aus Louisa geworden ist und ihn dafür verurteilen, dass er die Welt und Louisa nicht genug geliebt hat, um beidem weiterhin erhalten zu bleiben. Doch wenn wir uns zurückerinnern, müssen wir (mit einem tiefen Stich im Herzen) fairerweise zugeben, dass wir ihn ein wenig verstehen können. Und nicht nur das: beobachtet man die Entwicklung, die Louisa in diesem zweiten Band durchmacht, die tiefgreifende Lebenserfahrung, die sie letztendlich aus dem kurzen Zusammensein mit Will schöpfen konnte, so weiß man, dass ihr Will mit seinem Tod doch mehr gegeben hat, als wir jemals ahnen konnten.
Ich gebe zu, dass ich auf den ersten Seiten des Buches schon fast ein wenig enttäuscht war, weil mir einfach alles gefehlt hat, was ich an "Ein ganzes halbes Jahr" so geliebt habe: Die Tragik des ganzen, die Komik, Lou's Art, etwas anders zu sein, die Erfahrungen, die die beiden miteinander machen... der verzweifelte Versuch, jemandem zu zeigen, wie Lebenswert das Leben manchmal sein kann. Doch wie schon erwähnt, kann man so etwas nicht erwarten, von einem Buch, dass eigentlich dasselbe und doch etwas ganz anderes ist. Die Gefühle in "Ein ganz neues Leben" sind keineswegs weniger vorhanden, als im Vorgängerroman, sie sind nur einfach viel subtiler, viel komplexer, als alles, was uns "Ein ganzes halbes Jahr" geben konnte. Wir lernen neue Personen kennen, schließen den ein oder anderen davon auch ein klein wenig - oder sehr viel - ins Herz und müssen unsere Erwartungshaltung loswerden, damit wir "Ein ganz neues Leben" genießen können. Dann, und nur dann, erschließt sich uns, was für ein wundervolles Buch diese Fortsetzung doch ist, die uns gegen Ende hin dann doch ein wenig die Tränen in die Augen treibt - aber aus anderen Gründen, als das letzte Mal.