Verliebt in Bücher und verzettelt
Buchhandlungen und Buchläden aller Art, an den bekanntesten oder absolut versteckten Orten sind seit Jahren beliebtes Thema verschiedener Literaten und Literaturliebhaber. Alba Donati reiht sich ein in eine Autorenliste, auf der u. a. Penelope Fitzgerald, Liv
O'Malley, Satoshi Yagisawa, nicht zu vergessen Shaun Bythell ihren Platz haben. Die Liste wäre beliebig…mehrVerliebt in Bücher und verzettelt
Buchhandlungen und Buchläden aller Art, an den bekanntesten oder absolut versteckten Orten sind seit Jahren beliebtes Thema verschiedener Literaten und Literaturliebhaber. Alba Donati reiht sich ein in eine Autorenliste, auf der u. a. Penelope Fitzgerald, Liv O'Malley, Satoshi Yagisawa, nicht zu vergessen Shaun Bythell ihren Platz haben. Die Liste wäre beliebig fortzusetzen, die Namen tauchen natürlich als Ideengeber auch in Alba Donatis Buch auf.
Alba Donati ist Jahrgang 1961, ist wahnsinnig belesen und beim Aufbau der Buchhandlung im Hinterland der Toskana, im kleinen Ort Lucignana, macht sie ihren Lebenstraum wahr: ein Leben im himmlischsten Büchergarten der Welt. Der Starttermin ist fast gleichzeitig der Beginn der Covid-Pandemie, dass dann auch noch ein Brand der gerade eröffneten Dorfbuchhandlung, die hier und da auch Gegenstimmen auf den Plan rief, beinahe zum vorzeitigen Ende der Idee führte, ist Schicksal. Sie trotzt dem Schicksal mit Hilfe von Dorfbewohnern, Crowd Funding, Freunden und plötzlich auftauchenden Sponsoren. Die Neueröffnung gelingt mit viel Glück und Gottvertrauen.
Die Autorin erzählt all das und noch viel mehr rückblickend in einem Tagebuch, das sie im Januar 2021 beginnt und das sechs Monate später endet. Den Leser erwartet ein wahres Feuerwerk aus Buchempfehlungen, Lebens- und Dorfgeschichten, Familienverwicklungen, glücklichen Momenten und traurigen Ereignissen. Was mich im Januar und Februar noch fesselte, wurde mir mit jedem folgenden Monat doch zu viel des Guten. Lichtblicke waren die täglichen und überschaubaren Buchbestellungen, die abgearbeitet worden waren. Zu meinem Glück waren unter den erwähnten Autoren dann tatsächlich auch einige, die ich kenne und sogar gelesen habe. Aber das waren wenige. So kam es des Öfteren vor, dass ich das Handy zur Hand nahm und mir Unbekanntes googelte. Je mehr Namen auftauchten, um so seltener googelte ich. Unterdessen hatte ich aber Emily Dickinson kennengelernt und Penelope Fitzgerald auch, ich weiß nun, was ein Adirondack-Gartenstuhl ist, wo sich das Dorf befindet und wie es in der Buchhandlung aussieht.
Einzelne Sätze und Episoden sind erfrischend und ironisch, wunderbar der 8. März mit dem Auftritt der Dorfschönheiten im Netz. Albas Mutter versehen mit dem Beruf Hundertjährige. Und dann bezeichnet sie sich selbst ein paar Tage später als lebende Tote. So kann es gehen mit Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung. Dass es für die Mutter immer schwieriger wird, den Alltag, die Stufen und Wege zu meistern, ist traurig und es wird auch für Alba und ihren Bruder nach einem Unfall sehr schwer, die Mutter in ständige Pflege zu geben. Ich kenne diese Probleme aus eigener Erfahrung und kann mich gut hineinversetzten in diese seelischen Qualen.
Bei der Bearbeitung der Buch- und Autorenauswahl durch das Lektorat im Berlin-Verlag wurde sicher viel Mühe aufgebracht, an welcher Stelle und wie etwas verändert wurde, konnte ich nicht herausfinden. Insgesamt finde ich die Idee, das Buch ins Deutsche zu übertragen, sehr lobenswert, ich bin aber etwas traurig, dass ich nicht ein E-Book gewonnen habe. Auf dem iPad zu lesen, wäre für mich viel besser gewesen. Einerseits liest sich die Bodoni für mich als Brillenträger nicht so besonders gut, die feinen Serifen werden vom Papier teilweise verschluckt, es ist kein kontrastreiches Schriftbild, es wirkt beinahe dunkelgrau auf dem gelblichen Papier. Außerdem wäre das direkte Nachschlagen von italienischen Buchtiteln, unbekannten Autoren etc. praktischer.
Die Gestaltung des Buches gefällt mir aber insgesamt sehr gut, das Hardcover macht einen wertigen Eindruck, es passt zum teilweise sehr romantischen Beschreiben der Landschaft und der vielen Bücher. Dass sich die negative, orange Schrift auf der Rückseite fast gar nicht vom Fond abhebt, ist etwas störend. Der Titel vorn in Versalien ist natürlich in dieser Farbe gut lesbar, weil die Schrift viel größer ist. Der graue Rücken sieht schick aus, aber nachdem ich nun das Buch ganz intensiv gelesen habe, sind die Kanten leider schon abgestoßen und leuchten weiß.
Warum die Tagebucheintragungen keine Jahresangabe haben, ist mir eigentlich unverständlich. Das ist eher für Tagebuch-Romane üblich, die ohne Jahresangaben im Raum schweben, weil das Jahr nicht wichtig ist oder nie genannt wird.
Fazit: Alba Donatis Tagebuchgeschichte ihres Gartens der Bücher hat mir sehr viele Ideen beschert, mich in das toskanische Dorfleben eingeführt und einiges über die romantischen, aber auch bodenständigen Beziehungen zu Menschen, Autoren und Bücher und Pflanzen gelehrt. Die schiere Fülle aber und die oft hin- und herspringenden Gedanken und Ereignisse haben mich bisweilen irritiert. Schwer nachvollziehen kann ich, dass Bücher weiblicher Autoren von Alba Donati oftmals als Nonplusultra und die "wertvollere" Literatur eingestuft werden. Für mich sind in erster Linie die Bücher wichtig, nicht die Geschlechtszugehörigkeit der Autoren.