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Genja Pirapletschikow, der ohne Vater aufwächst und wegen seines Namens häufig verspottet wird, weiß wenig vom Glück. Erst, als die Nachbarskinder sein Talent entdecken, Tiere und Flugzeuge aus Papier zu basteln, wird Genja zum Baumeister und die Papierwunder werden zum gemeinsamen Spielzeug. Sechs wunderbare Geschichten von der russischen Meistererzählerin über kleine und große Momente, die ein Kinderleben erschüttern oder beglücken können. Mit Bildern von Wolf Erlbruch.

Produktbeschreibung
Genja Pirapletschikow, der ohne Vater aufwächst und wegen seines Namens häufig verspottet wird, weiß wenig vom Glück. Erst, als die Nachbarskinder sein Talent entdecken, Tiere und Flugzeuge aus Papier zu basteln, wird Genja zum Baumeister und die Papierwunder werden zum gemeinsamen Spielzeug. Sechs wunderbare Geschichten von der russischen Meistererzählerin über kleine und große Momente, die ein Kinderleben erschüttern oder beglücken können. Mit Bildern von Wolf Erlbruch.
Autorenporträt
Ljudmila Ulitzkaja, geboren 1943 bei Jekaterinburg, wuchs in Moskau auf. Sie schreibt Drehbücher, Hörspiele, Theaterstücke und erzählende Prosa. 1996 erhielt sie in Frankreich für ihre Erzählung 'Sonetschka' den Prix Medicis, 2001 den Booker Prize Rußland und im Jahr 2014 den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.07.2005

Der stille Papierkünstler
Glückliche Kinder: Erzählungen von Ljudmila Ulitzkaja

Seltene Glücksfälle sind es, wenn uns Literatur ein Fenster öffnet und einen Blick freigibt, der uns die Wirklichkeit klar, aber auch mit ihren Hintergründen erkennen läßt. Ljudmila Ulitzkaja hat uns schon öfter ein solches Fenster geöffnet. 1943 in Sibirien geboren und in Moskau aufgewachsen, erzählt sie uns von ihren Landsleuten, ihrer Armut, gezeichnet von den Folgen des Krieges, von der Anstrengung, etwas von der alten Tradition zu erhalten, von der Sehnsucht nach Kultur und einem friedlichen Zusammenleben. Doch da sind auch immer wieder Humor und ironische Glanzlichter; da spüren wir eine warmherzige Zuneigung, die über alltägliche Mühsal hinweghilft; und nicht zuletzt bleibt die unzerstörbare Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Ljudmila Ulitzkaja gehört ohne Zweifel zu den besten zeitgenössischen russischen Schriftstellerinnen. Tschechow, aber auch Nabokov könnten ihre Verwandten sein. Mit ihrer "Sonjetschka" eroberte sie sich sofort auch den Buchmarkt im Westen. "Medea", "Olgas Haus" oder "Die Reise in den siebenten Himmel" waren kaum weniger erfolgreich.

In den sechs Kindergeschichten "Ein glücklicher Zufall" schlägt sie nun einen neuen Tonfall an: Einfach, fast parabelhaft sind die Szenen, in denen Kinder im Mittelpunkt stehen. Sie sind so bildhaft, daß man auch ohne Wolf Erlbruchs großflächige Rötelzeichnungen alles vor Augen hat. Aber sein karger, treffender Strich arbeitet die Atmosphäre der Erzählungen auf vollendete Weise heraus - ihre Nüchternheit und leise Ironie, ihre Sanftheit. Zusammen mit diesen spröden Imaginationen wird das Buch zu einer bibliophilen Kostbarkeit.

Im Original heißt der Titel "Kindheit neunundvierzig". Der Krieg ist erst seit wenigen Jahren zu Ende. "Die Hälfte der Kinder hat keinen Vater", heißt es in "Ein Papiersieg", der Geschichte von Genja Pirapletschikow. Der schniefende und immer erkältete Genja hat jedoch nie einen Vater gehabt. Freunde fehlen ihm auch. "Genja Hinkebein!" rufen ihm die Kinder auf dem Hof hinterher, bewerfen ihn mit Dreck und verspotten ihn, wenn seine Großmutter ihn von der Schule abholt. Ein ängstlicher Außenseiter also, ein Zukurzgekommener. Aber etwas Besonderes ist er auch, und er leidet darunter: Als einzige im Häuserblock besitzt Genjas Mutter ein Klavier. Wenn der Krieg nicht gewesen wäre, hätte sie das Konservatorium besucht.

Genjas Mutter ist mutig. Zum Geburtstag ihres Sohnes lädt sie alle Kinder auf dem Hof ein, alle seine Feinde, auch den gefürchteten Shenka. Sie bewirtet sie reichlich und spielt ihnen Schubertlieder vor. Daß Beethoven, dessen Büste auf dem Klavier steht, zwar ein Deutscher, aber ein Genie war, sollen sie hören. Genja könnte ihnen natürlich auch etwas vorspielen, doch er hat etwas anderes, womit er die wilde Horde ebenso verzaubert wie seine Mutter mit ihrer Musik: Aus Zeitungspapier faltet er Schiffchen, Tiere - alles, was sich "die Banditen", wie die Großmutter die Kinder vom Hof nennt, wünschen. Zum ersten Mal zeigt er ihnen etwas, was sie nicht können. "Der glückliche Junge verteilte Papierspielzeug", lautet der letzte Satz.

Alle sechs Kindergeschichten haben ein glückliches Ende. Kindheit ist hier keineswegs ein Jammertal, auch wenn der Verlust eines Zehnrubelscheins oder eine zerbrochene Uhr beinahe eine Katastrophe sind. Es gibt die kleinen Abenteuer, die überraschenden Tauschgeschäfte mit einem Trödler, den ersehnten Besitz einer Ente aus Wachs, deren Flügel zerdrückt sind.

Beschädigt sind oft auch die Menschen, die nun ihr Haus mit fünf anderen Familien teilen müssen und für die eine einzige Nähnadel schon ein Geschenk ist. Ljudmila Ulitzkaja erzählt liebevoll von ihnen, und wir sehen nicht nur den Urgroßvater, der sich seinen Sarg selber zimmert, mit ihren Augen. Schneeschmelze, der Geruch nach Frühjahrserde - Ljudmila Ulitzkaja scheint diese Jahreszeit besonders zu lieben, eine Zeit des Umbruchs, des Neuanfangs, auch wenn dann erst recht Unrat und Abfälle sichtbar werden. Doch Abfälle - gibt es die überhaupt in dieser Armut, in der ein krummer Nagel noch einen Wert hat? Den Jungen Genja Hinkebein und seine gefalteten Kunstwerke aus Zeitungspapier werden wir so schnell nicht vergessen und die kleine Valka, die sich nach einer Wachsente sehnt, auch nicht. Ljudmila Ulitzkaja hat uns ein paar unverwechselbare Kindergestalten geschenkt, die alle insgeheim eine Botschaft tragen. Die Geschichten sind meist nur ein Dutzend Seiten lang, ganz leicht zu lesen. Und beim zweiten Mal sind sie sogar noch schöner.

MARIA FRISÉ

Ljudmila Ulitzkaja: "Ein glücklicher Zufall und andere Kindergeschichten". Aus dem Russischen übersetzt von Anna-Maria Braungardt. Mit Illustrationen von Wolf Erlbruch. Hanser Verlag, München 2005. 78 S., geb., 12,90 [Euro]. Ab 6 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Rezensentin Maria Frise ist begeistert von dieser "bibliophilen Kostbarkeit". Nicht nur die sechs "einfachen, fast parabelhaften" Kindergeschichten der russischen Autorin haben es ihr angetan, und sie durch "ihre Nüchternheit und leise Ironie, ihre Sanftheit" sehr berühren. Die "spröden Imaginationen" von Wolf Erlbruchs großflächigen Rötelzeichnungen, ihr "karger, treffender Strich" arbeiten aus ihrer Sicht die Atmosphäre der Erzählungen auf "vollendete Weise" heraus. Alle Geschichten haben, wie uns die Rezensentin versichert, ein glückliches Ende. Auch wenn es sich bei den Erwachsenen oft um vom Leben gebeutelte Menschen handele, sei die Kindheit trotzdem kein "Jammertal". Denn mit ihren Erzählungen hat uns die Autorin ein paar "unverwechselbare Kindergestalten" geschenkt, versichert Frise. Ulitzkaja, die die Rezensentin zu den besten zeitgenössischen Autoren Russlands zählt ("Tschechow, aber auch Nabokov könnten ihre Verwandten sein") überzeugt sie besonders durch warmherzige Zuneigung zu ihren Figuren und eine "unzerstörbare Hoffnung auf eine bessere Zukunft".

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Herrliche Geschichten von kleinen und großen Wundern des Alltags und vom Glück, ein Kind zu sein." Focus, 09.05.2005 "Geschichten ... über Kindheit, die auch erwachsene Leser zu Tränen rühren. ... Es sind die großen, kleinen Gefühle, die uns diese Kindergeschichten aus fremder Welt nahe bringen ..." Britta Heidemann, Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 21.05.2005 "Ljudmila Ulitzkaja gehört ohne Zweifel zu den besten zeitgenössischen russischen Schriftstellerinnen. ... Ljudmila Ulitzkaja hat uns ein paar unverwechselbare Kindergestalten geschenkt." Maria Frisé, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.07.2005 "Ljudmila Ulitzkaja malt ihre Menschen mit dem gleichen menschlichen Blick aus wie der Illustrator Wolf Erlbruch dazu seine Papierporträts schnitzt." Die ZEIT 1.9.2005 "Nicht nur die Kinder werden mit glühenden Ohren von den Abenteuern ihrer altersgenossen hören, auch die vorlesenden Eltern erhalten einen Einblick in die notwendige Verschrenkung von Komik und Tragik." Ulrich M. Schmid, Neue Zürcher Zeitung, 07.12.2005