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Ein Held unserer Zeit ist Lermontows einziges vollendetes Prosawerk und gehört als erster großer psychologischer Roman zu den bedeutendsten russischen Werken des 19. Jahrhunderts.
Lermontow portraitiert die moderne Epoche mit ihrer Gefühlskälte, dauernden Selbstanalyse, Liebes- und Lebensunfähigkeit anhand der individuellen Eigenart seines Helden. So schildert er den intriganten und berechnenden Offizier und Lebemann Petschorin als unfähig, seine Gefühle zu zeigen. Einem eisamen, unsteten Wanderer gleich, treibt es ihn durch die wilde und durch kriegerische Auseinandersetzungen geprägte…mehr

Produktbeschreibung
Ein Held unserer Zeit ist Lermontows einziges vollendetes Prosawerk und gehört als erster großer psychologischer Roman zu den bedeutendsten russischen Werken des 19. Jahrhunderts.

Lermontow portraitiert die moderne Epoche mit ihrer Gefühlskälte, dauernden Selbstanalyse, Liebes- und Lebensunfähigkeit anhand der individuellen Eigenart seines Helden.
So schildert er den intriganten und berechnenden Offizier und Lebemann Petschorin als unfähig, seine Gefühle zu zeigen. Einem eisamen, unsteten Wanderer gleich, treibt es ihn durch die wilde und durch kriegerische Auseinandersetzungen geprägte Welt des Kaukasus. Doch trotz seiner rastlosen Suche nach Glück, bleibt ihm dauerhafte Erfüllung versagt.

In der ersten Novelle entführt der verliebte Held die Tochter eines Tscherkessen-Fürsten und gewinnt mit der Zeit ihre Zuneigung. Die ihn bald anödende und von ihm vernachlässigte Bela fällt in die Hände eines Banditen und kommt ums Leben. In Taman stört Petschorin zufällig die Geschäfte einer Gruppe von Schmugglern und bezahlt dies fast mit seinem Leben. Den grössten Teil des Romans nimmt die Geschichte von Prinzessin Meri ein: In einem kaukasischen Kurort machen Petschorin und sein Freund, der Junker, einer jungen Prinzessin den Hof. Während Petschorin nur mit den Gefühlen der Prinzessin spielt, verliebt sie sich leidenschaftlich in ihn und weist den Junker ab. Der Ausgestochene sinnt auf Rache und provoziert Petschorin; es kommt zum Duell, in dessen Verlauf der Junker von Petschorin getötet wird. In Der Fatalist schiesst sich ein serbischer Offizier wegen einer Wette Petschorin mit einer (versagenden) Pistole in den Kopf, um zu zeigen, dass es ein vorherbestimmtes Schicksal gibt und dass seine Zeit noch nicht gekommen ist; keine Stunde später wird der Offizier durch Zufall von einem betrunkenen Soldaten niedergesäbelt.

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2006

Wen suchst du, Freund? - Dich!
Zu Tode geliebt: Peter Urban gibt mit Michail Lermontows Roman „Ein Held unserer Zeit” einen russischen Ur-Text heraus – und begräbt ihn unter Marmor Von Sonja Zekri
D ie Duellanten hatten sich darauf geeinigt, in die Luft zu schießen, aber Martynow hielt sich nicht daran. Der Streit war über einer Winzigkeit ausgebrochen, Lermontow hatte wieder eine seiner spitzen Bemerkungen gemacht, Martynow hatte ihn gefordert. Und nun standen sich die beiden in Pjatigorsk im Kaukasus gegenüber: Lermontow, der Dichter, und Major Martynow, eine lächerliche Figur, die sich als byronesker Dandy aufführte und Lermontow bis aufs Blut reizte.
Lermontow schoss in die Luft. Martynow zielte lange, so lange, dass es selbst seinen Sekundanten peinlich wurde. Dann tötete er den Dichter mit dem ersten Schuss. Michail Lermontow wurde 26 Jahre alt. Es war der 14. Juli 1841.
Zar Nikolaus I. kommentierte die Tragödie mit den Worten: „Einem Hund ein hündischer Tod”. Dabei wusste er es besser. Mit Lermontow hatte Russland einen Dichter verloren, der zwar nie jenen weltweiten Ruhm erlangte, der ihm gebührte, dessen Namen aber jeder Russe in einem Atemzug mit Puschkin nennt, oft noch vor Dostojewski und Tolstoi.
In seinem Roman „Ein Held unserer Zeit”, den Peter Urban in einer neuen Übersetzung vorgelegt hat, hatte Lermontow die Szene seines eigenen Todes auf unheimliche Weise vorweggenommen, den Schwachkopf Martynow, den er Gruschinskij genannt hatte, die Verwirrung um geladene und nicht geladene Pistolen, die eisige Kaltblütigkeit, die im Roman sein Held Petschorin an den Tag legt. Nur ließ Lermontow den Richtigen sterben.
Literatur und Wirklichkeit durchdrangen einander in der russischen Adelsgesellschaft jener Tage, sie beflügelten einander, und manchmal ließen sie einander eskalieren – in Lermontows Leben nicht nur einmal. Der Dichter war ein düsterer, hochmütiger, verzweifelter Mensch. „Seine Augen lachten nicht, wenn er lachte”, schrieb Lermontow über Petschorin. Und bei Lermontow, schreibt Turgenjew, war es genauso. Als junger Soldat schrieb Lermontow Gedichte, historisch sind seine Verse über Puschkin, der im Duell starb: „Tod eines Dichters”. Darin entlarvte Lermontow die höfische Intrige hinter dem Zweikampf, wurde vom Zaren in den Kaukasus verbannt, verschliss, zurück in Petersburg, unzählige Frauen, duellierte sich, wurde erneut in den Kaukasus verbannt, kämpfte tapfer. Dann kam der Morgen des 14. Juli 1841.
„Ein Held unserer Zeit” ist sein berühmtester Roman. In fünf Geschichten entfaltet Lermontow das Porträt Grigorij Petschorins, eines ebenfalls düsteren, hochmütigen, verzweifelten Menschen, der im Kaukasus diente. Es wären Liebesgeschichten, wenn Petschorin, der Frauen und Pferde mit demselben Blick maß, zur Liebe fähig wäre. Petschorin aber ist ein prototypischer Vertreter des „überflüssigen Menschen”, dessen einzige Gefühlsregung die Langeweile ist. „Für sie gäbe ich mein Leben, nur langweile ich mich mit ihr”, schreibt Petschorin über die Fürstentochter Bela, die er erst aus dem Haus ihres Vaters entführt, erobert und schließlich abserviert. Später umgarnt er – diabolisch wie in Kierkegaards „Tagebuch eines Verführers” oder Laclois’ „Gefährlichen Liebschaften” – Prinzessin Mary: Jedes verweigerte Lächeln, jede Mazurka, jeden verstolperten Schritt berechnet er wie ein Feldherr, aber als sie ihm verfällt, interessiert sie ihn nicht mehr. Überhaupt hat er zu den Gefühlen anderer ein eher vampirhaftes Verhältnis, verschlingt gierig „ihre Zärtlichkeit, ihre Freuden und Leiden – und konnte mich doch nie sättigen”. Petschorin ist ein Liebeserpresser, der immer markierte Scheine kriegt, ein bedauernswertes Monstrum, sadistisch und unerlöst.
Auf den ersten Blick ist dieser demonstrative Überdruss von größter Aktualität. Stürzen sich heutige Hedonisten, übersättigt und bindungsunfähig, etwa nicht auf jeden Reiz? Doch Petschorin leidet – wie Onegin oder Oblomow – nicht an einem Übermaß an Freiheit, sondern an deren Mangel. Die Apathie ist die Folge jener erstickenden reglementierten Soldaten-Gesellschaft, die noch unter dem Schock des Dekabristen-Aufstandes zitterte. Im Kartenspiel oder im Duell entlud sich nicht Übermut, sondern Ohnmacht in trotzigen, lebensgefährlichen Fluchten die eine Ahnung von Zufall und Unberechenbarkeit herbeizwingen sollten. „Dort, wo der Tod in sein Recht trat, endete die Macht des Zaren”, schreibt Jurij Lotman. Petschorin, „ein Held unserer Zeit”, konstatiert Lermontow im Vorwort, sei „zusammengesetzt aus den Lastern unserer gesamten Generation”. In Wahrheit waren es Symptome der Fäulnis, die das Ancien Régime zerfraß.
Umso befreiender war der Kaukasus. Er bedeutete für die Russen in Lermontows Generation die unwiderstehliche Verheißung von Freiheit, Kampf und Leidenschaft, und Lermontow hat seine Bilder für immer in die russische Kultur geschrieben: die roten Felswände, die goldene Borte ewigen Schnees, die silbrig glänzenden Bäche. Nachdem er die Eleganz und Libertinage des Kurortes Pjatigorsk in „Prinzessin Mary” beschrieben hatte, brachen Adelige scharenweise dorthin auf. Aber es war auch die Welt der zwielichtigen Sonderlinge, der Schmuggler („Taman”) und Spieler („Der Fatalist”). Nie gehen Lermontows Erzählungen auf, immer bleiben offene Rechnungen und lose Enden übrig. Es sind unerlöste Geschichten.
Lermontows Erzählstrategie ist verschachtelt, aber dennoch kinderleicht zu verstehen. Anfangs begegnet uns Petschorin nur in der Erzählung eines treuherzigen Freundes, dann hat er einen ziemlich unsympathischen Cameo-Auftritt, schließlich kommt er selbst zu Wort in seinen Aufzeichnungen, die wiederum dem Erzähler in die Hände fallen. Das Raffinement, mit dem Lermontow seinen Helden mit einer Aura von Geheimnis und Sensation umgibt, wie er das Publikum mal auf Armeslänge von sich hält und dann wieder in die weit geöffnete Seele blicken lässt – das hat etwas von der Verführungskunst Petschorins: Auch Lermontows Verhältnis zum Leser war ein erotisches.
Diesen Ur-Text der russischen Literatur also hat Peter Urban neu übersetzt, mit einem Anmerkungsapparat, einer Chronik über Russlands Kriege im Kaukasus und einem klugen Nachwort versehen. Nun ist es immer gut, wenn ein verkannter Roman neue Aufmerksamkeit und frische Leser bekommt, zumal in einer so wunderbaren Reihe wie jener der „Winterbücher” bei der Friedenauer Presse. Zwingend war es nicht. Denn die bisherigen Übersetzungen, etwa von Günther Stein aus dem Jahr 1963 (Insel) oder selbst die Übertragung von Arthur Luther aus dem Jahr 1922 (heute Diogenes), wirkten da und dort ein wenig angestaubt. Aber sie waren brauchbar.
Und Peter Urban ist nicht der Übersetzer, der einen Klassiker, und sei es einen, der zu seiner Zeit als grundstürzend neu galt, übermäßig modernisiert. Im Gegenteil. Gewiss, Urban findet einen eleganten, musikalischen Ton. Ihm gelingt der poetische Glanz der Naturbeschreibungen, er meistert die jähen Tempowechsel zwischen getragener Melancholie und Tarantino-artigen Explosionen: „,Wen suchst du, Freund?’ – ,Dich!’ – antwortete der Kosak, schlug mit dem Säbel auf ihn ein und spaltete ihn von der Schulter bis fast an das Herz.” Und dass Lermontow sein Werk voller Stolz mit kaukasischen Ausdrücken nur so getränkt hat, ist nicht seine Schuld. Aber muss er auch noch mit beiden Händen Russizismen darüberstreuen? Warum belässt er Wörter wie „telega” (Wagen) und „stanica” (Station) im Original? Warum schreibt er von „der Tschetschnja”, obwohl das deutsche Wort „Tschetschenien” für das russische „tschetschnja” aus traurigen politischen Gründen längst eingeführt ist? Schlimmer noch: Urban übersetzt selbst russische Verdoppelungen wie „jedwa-jedwa” oder „ticho-ticho” nicht als Verstärkung, sondern ganz wörtlich, weshalb er allen Ernstes von einer „kaum-kaum sichtbaren Straße” schreibt und davon, dass jemand „leise-leise” hinausgeht.
Man kann darüber streiten, ob dem deutschen Leser wirklich mit der korrekten slawistischen Umschrift gedient ist. Wahrscheinlich würde ein Publikumstest ergeben, dass die meisten Leser das Wort „Puškin” als „Puss-kin” aussprechen, Pecorinals „Pe-tzo-rin” und viele Wörter gar nicht. Man kann ebenfalls darüber streiten, ob der russische Diminutiv, all die „Pferdchen” und „Sächelchen”, den deutschen Leser an eine faszinierende fremde Kultur heranführen oder an einen Kinderspielplatz erinnern. Ganz sicher aber machen Entscheidungen wie diese den Klassiker noch etwas klassikerhafter. Und genau das sollen sie auch.
Wo Lermontow „osobeno” schreibt, spricht Urban nicht von „besonders” oder „gerade”, er schreibt „sonderlich”. Bei ihm heißt es nicht: „Ich erinnere mich gut”, sondern „steht mir dieses Jahr fest im Gedächtnis”. Er bläst Sätze auf, macht sie pompöser, patinierter, er russifiziert sie künstlich. Unter so viel Marmor aber erstickt Lermontows biegsame, schnörkellose Sprache. Auch die Anmerkungen, die viel Nützliches beitragen, aber auch mancherlei Selbstverständliches, leiden unter diesem Allerklärungszwang, und das gleiche gilt für die an sich sinnvolle Chronik der russischen Kriege: Der Kaukasus hat eine bewegte Geschichte, aber der Irak-Krieg gehört ebenso wenig dazu wie die orangefarbene Revolution in der Ukraine.
Peter Urban, das spürt man in jeder Zeile, liebt Lermontow. Er hat ihn zu Tode geliebt.
„Duell und Kartenspiel waren trotzige lebensgefährliche Fluchten.”
„Lermontow verführt den Leser wie sein Held Petschorin Heerscharen von Frauen.”
Michail Lermontov
Ein Held unserer Zeit
Aus dem Russischen übersetzt und herausgegeben von Peter Urban. Friedenauer Presse, Berlin 2006. 256 Seiten, 22,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.02.1997

1840
Michail Lermontow "Ein Held unserer Zeit"

Ganz in der Nähe von Tolstois wunderbaren "Kosaken" spielt dieses Buch, im Kaukasus, aber eher dort, wo er damals, unfern der Wildnis, mondän war, in Pjatigorsk: und sowohl in die Steppenwildnis als auch ins mondäne Leben der sonst Untätigen versetzt uns Lermontow in diesem kleinen Roman, der selber nur aus einigen Erzählungen besteht. Es heißt immer, sein Held sei ein überflüssiger Mensch, aber beim Lesen wünscht man, es gäbe welche davon auch unter uns - Leute, die das Leben so leicht nehmen wie den Tod und nicht fortwährend von der Wichtigkeit erfüllt sind, die sie für die Welt hätten. Es heißt dann, dieser Held zerstöre alle Fühlenden um ihn durch seinen gleichsam todgetränkten Egoismus, aber gerade die Schönen und Guten lieben ihn, und wenn sie dann leiden an ihm, so doch an etwas, woran zu leiden das Leiden vielleicht glückseliger gemacht hatte als das oft so schale Vergnügen, das sie an nützlicheren Menschen gehabt hätten. Am Ende gibt es irgendwo ein ganz unnützes Duell, und zwar gerade dort, wo dann nicht lange danach, als hätte er das ganze Buch aus dem vorweggenommenen Himmel geschickt (denn in den richtigen, den man nicht vorwegnehmen kann, wäre er ja ohnehin nicht gekommen), Lermontow selber in einem unnützen Duell starb. Diese ganze strahlende Romantik im Buch und um den Autor herum ist unnütz und bringt nichts für das Leben, das ist klar, und Tod und Leben leicht nehmen soll man ja nicht, und vielleicht am Leben geblieben, hätte Lermontow darüber noch wichtige Romane geschrieben, wie seine weltberühmten Landsleute dann; aber es ist, für ihn damals, anders gekommen, zum Glück für uns, sein Buch verzaubert ohne alle späteren Bedenken und wirft, wie das leichtgenommene Leben seines Autors, auf die Welt einen Glanz, den sie nicht hätte ohne Leute, Helden oder nicht, die mit der Welt und dem Leben nur spielen, in wunderbarer Verschwendung; Lermontow war noch nicht siebenundzwanzig, als er starb. (Michail Lermontow: "Ein Held unserer Zeit". Aus dem Russischen übertragen von Günther Stein. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1989. 205 S., br., 10,90 DM.) R.V.

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