Diese Studie geht der Frage nach, wie sich die Frauenerwerbsarbeit in Liechtenstein seit rund einem Jahrhundert entwickelt hat. Der Prozentsatz der weiblichen Erwerbsbevölkerung stieg von 24,2 Prozent im Jahr 1941 auf 46,3 Prozent im Jahr 2020. Allerdings hat die Statistik die Frauenerwerbsarbeit früher systematisch unterschätzt, weil sie sich am Modell des männlichen Alleinernährers orientierte und die (Teilzeit-)Arbeit der Frauen, etwa im Gastgewerbe oder im Detailhandel, übersah. Administrative, pflegerische und pädagogische Tätigkeiten sind seit den 1960er Jahren für die Frauen wichtig geworden, während andere Berufe wie das Dienstmädchen oder die Damenschneiderin zu Randerscheinungen wurden. Auch die (Mit-)Arbeit von Frauen auf dem Bauernhof, die früher die wichtigste Frauenerwerbsarbeit war, ist mit dem Bedeutungsverlust des Agrarsektors verschwunden. Ebenfalls zum Auslaufmodell wurde die Fabriklerin, die einst die Textilindustrie und damit die liechtensteinische Fabrikarbeiterschaft dominierte. Der Frauenlohn galt ursprünglich als blosser Zusatzverdienst oder als Verdienst für die Zeit zwischen Schule und Heirat, während der Männerlohn als (Allein-)Ernährerlohn konzipiert war. Die Männer erhielten in den 1930er Jahren für gleichwertige Arbeit etwa doppelt so viel Lohn wie die Frauen. Diese Lohnschere ist mittlerweile – ausser bei einigen schlecht bezahlten Frauenberufen – fast geschlossen. Auch bei der Ausbildung haben die Frauen die Männer inzwischen eingeholt, ja zum Teil überholt. Ende 2019 gingen nur 69 Prozent der 20- bis 64-jährigen Einwohnerinnen Liechtensteins einer Erwerbstätigkeit nach. Der Anteil der Frauen mit Vollzeitbeschäftigung sinkt heute ab einem Alter von 30 Jahren deutlich, weil die favorisierte Teilzeitarbeit sich gut mit den Anforderungen der Familien- und Care-Arbeit vereinbaren lässt. Der hohe Anteil an nicht oder nur teilzeitbeschäftigten Frauen bei gleichzeitig hoher Vollzeitbeschäftigung der Männer hängt vor allem mit gesellschaftlichen Idealvorstellungen zusammen, dann aber auch mit der Politik – diese fördert die (traditionelle) Familie stark, nicht aber die egalitäre Arbeitsteilung innerhalb einer Partnerschaft.