Der Humor Jesu übertreibt, damit man die Wahrheit erkennt, er verzerrt, damit man richtig sehen lernt, er macht das Kleine groß. Nur in einigen apokryphen Evangelien lacht Jesus selbst, sonst aber bringt er Menschen zum Lachen und befreit sie dadurch aus dem Labyrinth ihrer Abwege. Jesu Humor reizt die Phantasie, zeigt sich tierlieb, bisweilen grotesk, aber nie verletzend, manchmal spöttisch, doch nicht zerstörend, sondern aufklärend. Denn Jesu Humor ist der Vater aller seiner Weisheit. Die in diesem Buch zusammengestellten Worte und Taten Jesu sind ein ganz eigener und eigenständiger Zugang zu Jesus. Es heißt, Jesus habe nie gelacht. Er habe von Sünde und Gnade, von Gottes Reich und der Hölle gesprochen, nichts davon ist lustig oder witzig. Jedenfalls berichtet das Neue Testament von keinem Lachen Jesu. Aber ist es wirklich vorstellbar, dass Jesus mit den Jüngerinnen und Jüngern durch die Lande zog, gemeinsam aß und Wein trank, dass dabei aber Lachen verboten war? Wenn das Unwahrscheinlichste zuträfe, dass Jesus nie gelacht hätte, bliebe doch noch die Frage nach der Reaktion auf seine Worte und Taten bei den Menschen. Zwischen Lachen, Spotten, Lächeln, Schmunzeln und Beifallklatschen gibt es eine Fülle von möglichen Reaktionen. Klaus Berger findet einen außergewöhnlichen Zugang zu Jesus. Weder Exegese noch Dogmatik haben ihn so an Jesus heranführen können. Er begegnet Jesus ganz neu: als stünde er ihm beim Nachdenken über diese Notizen und Berichte Jesus als Mitmensch, Freund oder, mit Verlaub gesagt, Kollegen direkt gegenüber.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2019Mühlstein am Hals
Umberto Eco hätte seine Freude über Klaus Bergers Buch. Hier wird das Lachen nicht verboten. Im Gegenteil: Es bekommt göttliche Weihen. Es geht um den Humor Jesu, und der ist erlösend. Beispiele werden angeführt, etwa die Strafe mit dem Mühlstein, vgl. Mt 18,6. Sie ist technisch und physikalisch unmöglich. Es gibt keinen Kopf, der durch die Öffnung passt. Außerdem: Jeder Mensch würde unter dem Gewicht des Steins zusammenbrechen. Mit anderen Worten: Das geht alles gar nicht. Und worin besteht dann der Humor? Im Unrealistischen, in der maßlosen Übertreibung. Humor ist ein Spiel mit dem Unmöglichen, das eine neue Sicht auf die Wirklichkeit eröffnet.
Jesus fordert seine Zuhörerschaft auf zu einem radikalen Wechsel ihrer Lebensausrichtung. Metanoein, umdenken, sollen sie. Es gilt, eine völlig neue Lebenssicht zu gewinnen; und zwar dadurch, dass sie sich auf das euangelion, die gute, Frohe Botschaft, einlassen. Wer sich auf sie einlässt, nimmt die bestehende Wirklichkeit völlig anders wahr: als Einbruch des Göttlichen, der absoluten und universalen Vatergüte. Damit wird die Welt auf den Kopf gestellt. Unwichtiges wird plötzlich wichtig. Wichtiges unwichtig. Kleine Verdienste oder Vergehen werden insgesamt riesig. "Diese Umwertung wird als Aufklärung und als befreiende Einsicht erlebt - und damit entsteht Humor."
Der emeritierte Heidelberger Neutestamentler kennt die Quellen. Er kennt auch, wie kaum ein zweiter, den zeitgeschichtlichen Kontext und vermag immer wieder überraschende Einsichten zu vermitteln: Der Sohn Marias übertreibt, spitzt zu und stellt sich der Angst. Familienregeln, religiöse Gewohnheiten, eingefahrene Denkschemata werden durchbrochen, selbst der Tod wird mit Humor entmachtet. Berger gelingt es, die "weltgeschichtliche Relevanz" des Humors Jesu aufzuzeigen. Jesus war kein "Spaßvogel". In seiner Verkündigung ging es um Leben und Tod. Er liebte Gottes Schöpfung, auch die Tiere. Und doch war Jesus kein irgendwie an Diogenes maßnehmender jüdischer "Kyniker", wie in Abgrenzung etwa zu Bernhard Lang ("Jesus der Hund", München 2010) nachgewiesen wird. Eine Lektüre, die intellektuelle Freude bereitet.
MANFRED GERWING.
Klaus Berger: "Ein Kamel durchs Nadelöhr?" Der Humor Jesu.
Herder Verlag, Freiburg im Br. 2019. 208 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Umberto Eco hätte seine Freude über Klaus Bergers Buch. Hier wird das Lachen nicht verboten. Im Gegenteil: Es bekommt göttliche Weihen. Es geht um den Humor Jesu, und der ist erlösend. Beispiele werden angeführt, etwa die Strafe mit dem Mühlstein, vgl. Mt 18,6. Sie ist technisch und physikalisch unmöglich. Es gibt keinen Kopf, der durch die Öffnung passt. Außerdem: Jeder Mensch würde unter dem Gewicht des Steins zusammenbrechen. Mit anderen Worten: Das geht alles gar nicht. Und worin besteht dann der Humor? Im Unrealistischen, in der maßlosen Übertreibung. Humor ist ein Spiel mit dem Unmöglichen, das eine neue Sicht auf die Wirklichkeit eröffnet.
Jesus fordert seine Zuhörerschaft auf zu einem radikalen Wechsel ihrer Lebensausrichtung. Metanoein, umdenken, sollen sie. Es gilt, eine völlig neue Lebenssicht zu gewinnen; und zwar dadurch, dass sie sich auf das euangelion, die gute, Frohe Botschaft, einlassen. Wer sich auf sie einlässt, nimmt die bestehende Wirklichkeit völlig anders wahr: als Einbruch des Göttlichen, der absoluten und universalen Vatergüte. Damit wird die Welt auf den Kopf gestellt. Unwichtiges wird plötzlich wichtig. Wichtiges unwichtig. Kleine Verdienste oder Vergehen werden insgesamt riesig. "Diese Umwertung wird als Aufklärung und als befreiende Einsicht erlebt - und damit entsteht Humor."
Der emeritierte Heidelberger Neutestamentler kennt die Quellen. Er kennt auch, wie kaum ein zweiter, den zeitgeschichtlichen Kontext und vermag immer wieder überraschende Einsichten zu vermitteln: Der Sohn Marias übertreibt, spitzt zu und stellt sich der Angst. Familienregeln, religiöse Gewohnheiten, eingefahrene Denkschemata werden durchbrochen, selbst der Tod wird mit Humor entmachtet. Berger gelingt es, die "weltgeschichtliche Relevanz" des Humors Jesu aufzuzeigen. Jesus war kein "Spaßvogel". In seiner Verkündigung ging es um Leben und Tod. Er liebte Gottes Schöpfung, auch die Tiere. Und doch war Jesus kein irgendwie an Diogenes maßnehmender jüdischer "Kyniker", wie in Abgrenzung etwa zu Bernhard Lang ("Jesus der Hund", München 2010) nachgewiesen wird. Eine Lektüre, die intellektuelle Freude bereitet.
MANFRED GERWING.
Klaus Berger: "Ein Kamel durchs Nadelöhr?" Der Humor Jesu.
Herder Verlag, Freiburg im Br. 2019. 208 S., geb., 22,- [Euro].
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