Der Vater wird in Lotte Paepckes Erzählung zu einem namenlosen vertriebenen Deutschen, der nicht mehr Deutscher sein durfte. Zu einem entwurzelten Emigranten, der alle Gewissheiten und den Boden unter sich verlor, die er auch nach seiner Rückkehr nicht wiederfand. Das macht den Kleinen Händler zu einem Exempel für all die Namenlosen, vom Schicksal Geschlagenen in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Zu einem Sinnbild für das gewaltsame, unwiederbringliche Ende der fruchtbaren deutsch-jüdischen Koexistenz seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Aber der Kleine Händler lässt sich heute auch als Parabel für all jene lesen, die durch Kriege, Not und Leid aus ihrer Heimat ins Exil vertrieben wurden - eine höchst aktuelle Lektüre.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensent Leander Berger möchte während der Lektüre von Lotte Paepkes "Ein kleiner Händler" immer wieder Passagen unterstreichen, oder noch besser: Laut daraus vorlesen. So fein, so präzise, von so großer poetischer Leichtigkeit ist diese biografische Erzählung, in der uns Paepcke von jüdischem Leben und Überleben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erzählt. Einziger Protagonist ist ihr Vater Max Mayer, lesen wir, ein jüdischer Lederhändler, der in der Weimarer Republik ein Amt im Landrat annimmt, 1933 verhaftet wird, und sechs Jahre später nach New York flieht. Paepcke verzichtet dabei auf allgemeine Analysen und Betrachtungen, konzentriert sich stattdessen ganz darauf, uns diesen Mann näher zu bringen - seinen Alltag, sein Erleben, seine Körpersprache, sein "Ducken und Geradestehen", durch das wir viel erfahren über das jüdische Leben in dieser Zeit, so Berger. Ein großes Glück, findet der berührte Rezensent, dass dieses schmale, dennoch aufschlussreiche, schöne Buch nun endlich wieder erhältlich ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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