Prof. Häfners erster Kontakt mit König Ludwig II. war 2004 eher zufällig, und damals arbeitete er sich in die Symptome, in die Leiden Ludwigs ein. Er gelangte zu einer neuen Beurteilung der problematischen und belasteten Biografie und diagnostizierte ein zunehmendes Suchtverhalten. Unter
Berücksichtigung und Würdigung von Ludwigs Fähigkeiten und Leistungen, die nur zu oft ignoriert werden, fand…mehrProf. Häfners erster Kontakt mit König Ludwig II. war 2004 eher zufällig, und damals arbeitete er sich in die Symptome, in die Leiden Ludwigs ein. Er gelangte zu einer neuen Beurteilung der problematischen und belasteten Biografie und diagnostizierte ein zunehmendes Suchtverhalten. Unter Berücksichtigung und Würdigung von Ludwigs Fähigkeiten und Leistungen, die nur zu oft ignoriert werden, fand Häfner alle Merkmale einer "nicht substanzgebundenen Sucht" - Ludwig war "bausüchtig".
Im Gegensatz zu anderen, die sich mit Ludwig II. beschäftigen, muss Häfner auf keine Eitelkeiten Rücksicht nehmen. So kann er viele Fakten unvoreingenommen einordnen und bewerten, ohne gleichzeitig unter dem Druck zu stehen, Sensationen oder Gefälligkeiten liefern zu müssen.
Andere Autoren blenden wichtige Charakterzüge aus oder umschreiben sie nur verschämt; speziell die Gefühle Ludwigs werden oftmals gar nicht erwähnt oder nur stark verzerrt dargestellt. So verwundert es auch nicht, dass sich einige Kritiker besonders auf die von Häfner als "vierte Entwicklungslinie" herausgearbeitete "Homoerotische Passion" stürzten und hier genüsslich über den "Missbrauch von Reitersoldaten" berichteten.
Sein Buch erinnert an eine Kriminalgeschichte mit akademischem Charakter. Bei der Tat geht es nicht um das "Ende" des Königs, sondern um dessen Entmachtungsverfahren. Die daran beteiligten Personen werden detailliert, auch mit ihren Motiven dargestellt. Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren ordnet Häfner die Person Ludwigs nicht nur in einen festgelegten historischen Kontext ein, sondern leitet diesen aus einer psychiatrischen Sicht neu ab.
Mit der für ihn typischen Akribie schildert Häfner in 13 Kapiteln die Persönlichkeitsbildung Ludwigs und geht dann auf die bereits in seiner Festrede festgestellte Bausucht ein. Er geht der Frage nach, welche Mittel zur "Beseitigung unerwünschter Herrscher" zur Verfügung standen. Nachdem er ausführlich auf das Verfahren der Entmachtung selbst eingeht, veranschaulicht er den Zustand der Psychiatrie zu Ludwigs Lebzeiten. Sowohl der Psychiater Gudden als auch dessen entscheidendes Gutachten werden untersucht. Auch eine mögliche erbliche Belastung in der Familie des Königs wird in Betracht gezogen. Die Entmachtung des Königs und die anschließende psychiatrische Internierung bilden mit der Analyse der Schädel- und Hirnsektion den Abschluss.
Dieses Werk offenbart angenehm unaufgeregt, dass nicht die Todesursache selbst entscheidend ist, sondern der gesamte Verlauf der Absetzung und die Wahl der Mittel, mit denen Ludwig "beseitigt" wurde. Wohl zum ersten Mal wird das Zusammenspiel der Familie (die Wittelsbacher im 19. Jahrhundert), der Politik (der bayerische Landtag allgemein und die Regierung um den bayerischen Ministerpräsidenten Johann von Lutz im Besonderen) und schließlich der Medizin (in Person des Psychiaters Bernhard von Gudden und seinen beteiligten Kollegen) schlüssig geschildert, welches zur Beseitigung des Königs führte. Jeder der Beteiligten hatte ein Interesse daran, einen "schwulen König" loszuwerden.
Hier wird das Leben Ludwigs von einem Insider beschrieben, der historische Fakten aus neuer Perspektive beleuchtet. Damit hat Häfner ein neues Standard-Werk vorgelegt, welches von jedem, der sich ernsthaft mit dem Leben Ludwigs beschäftigt, unbedingt hinzugezogen werden sollte.
Wer also genug hat von den vielen pseudohistorischen Räuberpistolen, in denen das Leben des "Kini" bis zur Verkitschung verklärt wird, der findet hier ein Buch, das sich dem Menschen Ludwig von Wittelsbach mit all seinen Widersprüchlichkeiten widmet.