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Elmar Schenkel unternahm 1998 und 2000 zwei größere Indienreisen, die ihn nach Neu Delhi, Benares, Auroville, zum heiligen Berg Arunachala, zu den erotischen Tempeln von Khajuraho, auf eine Hochzeit und in einen Ashram führten. Sehr aufschlußreich sind seine Gespräche mit indischen Friseuren, Soldaten, Waldarbeitern, Brahmanen oder den Ausgestiegenen und den Einsteigern aus Europa.

Produktbeschreibung
Elmar Schenkel unternahm 1998 und 2000 zwei größere Indienreisen, die ihn nach Neu Delhi, Benares, Auroville, zum heiligen Berg Arunachala, zu den erotischen Tempeln von Khajuraho, auf eine Hochzeit und in einen Ashram führten. Sehr aufschlußreich sind seine Gespräche mit indischen Friseuren, Soldaten, Waldarbeitern, Brahmanen oder den Ausgestiegenen und den Einsteigern aus Europa.
Autorenporträt
Elmar Schenkel, geb. 1953 bei Soest/Westf., lebt seit 1993 in Leipzig als Anglist, Schriftsteller und Übersetzer. Arbeiten zu John Cowper Powys, Hugo Kükelhaus, zur modernen Lyrik, Reiseliteratur, Phantastik und zum Verhältnis von Literatur und Naturwissenschaften. Übersetzungen britischer Lyrik.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.11.2001

Gezupfte Identität
Steinboden: Elmar Schenkel fährt nach Indien und findet Westfalen

Zwei Westfalen kommen in eine Pommesbude und stoßen prompt auf einen dritten: "Rolf aus Herford". Handelte es sich um eine Begegnung in Münster oder Bünde, wäre sie nicht der Erwähnung wert. Das landsmannschaftliche Zufallstreffen findet aber im indischen Auroville statt, und Rolf "arbeitet an einer Methode, Wasser zu energetisieren". Hat er die erst gefunden, soll solches Wasser unter anderem zur Produktion von noch härterem Beton verwendet werden. Einer aus dem Fritten-Trio fühlt sich hingegen immer weicher, durchlässiger und aufgelöster: ein westfalendeutscher Intellektueller mit Bart und Pfeife, der in Leipzig arbeitet und nun zum ersten Mal in Indien ist - und der von dieser Begegnung berichtet. Wohl deshalb sucht auch er manchmal ein energetisiertes Wasser. Das gibt es zuverlässig auf der Dachterrasse des "Aristo" in Pondycherry, wenn man dort einen "Special Tea, very cold" bestellt. Der Kellner bringt dann eine weiße Porzellankanne, die ist gefüllt mit Bier.

Westfälische Rückenstärkung und dann und wann einen "Special Tea" kann man auch brauchen, wenn die Indien-Erkundung mit einem lupenreinen Fehlstart begann, mit der Feststellung frühmorgens im Hotel, daß man seinen Paß offensichtlich gerade auf dem Flughafen von Delhi verbummelt hat. Die dort tätigen Fachkräfte für Ein- und Ausreise verstehen sich nämlich glänzend darauf, dem Petenten zu jeder Tageszeit zu signalisieren, daß er ein seriöses Problem ist und hat, auch oder gerade wenn sie wissen, daß das vermißte Dokument im Nebenzimmer still der Rückgabe an seinen Besitzer harrt. Wer dann am nächsten Tag noch auf den Trick mit dem Hundekot reinfällt - ein Spezialist appliziert unbemerkt die tierische Ausscheidung auf dem Glattlederschuh des Touristen, ein freundlicher Herr macht dankenswerterweise auf den peinlichen Fleck aufmerksam und verweist auf einen gerade zufällig in der Nähe befindlichen Schuhputzer, der sich die Arbeit dann fürstlich entlohnen läßt -, der kommt nachvollziehbar zu dem Schluß: "Dem Europäer geht es in Indien an seine Identität. Den ganzen Tag wird an ihm gezerrt, gezupft und gezogen."

Das meint die physische Attacke durch körperliche Nähe, sichtbare Armut, Lärm und Gestank wie die geistige durch eine Lebenshaltung, die die europäisch gewohnte Grenze zwischen Physik und Metaphysik schlicht ignoriert und auf eine erheblich längere Tradition zurückschauen kann als der Rationalismus. Die hat europäische Intellektuelle schon lange fasziniert, aber aufgegangen in indischem Leben ist wohl kaum einer. Wer dort als Europäer Wohnsitz genommen hat, erscheint eher als Einsiedlerkrebs, der sein Haus mitschleppte, um in Asien aus dem Fenster zu schauen oder auch mal den Fuß vor die Tür zu setzen wie "Franz, ein weiterer Westfale, der aus Soest stammt". Der hat zwar "indische Zeichen an den Wänden", die Basis für diese Wände aber bildet "westfälischer Steinboden".

Auf einer indischen Hochzeit in Delhi begegnet Schenkel einem Leipziger, der an jeder erdenklichen haftfähigen Oberfläche einen Aufkleber mit dem Slogan "Leipzig kommt" anbringt. Andere schützen ihr Ich durch Abspielen von Mozart-Platten oder suchen eine stark frequentierte psychoanalytische Praxis in Auroville auf. Die betreiben "Chang, die koreanische Psychoanalytikerin aus Köln, und ihr Mann, ein jüdischer Philosoph und Taxifahrer". Wem dann schließlich doch die fremde Brandung das geistige Haus unter Wasser gesetzt hat, der kann es sich in Freiburg in der "psychiatrischen Auffangstation für Indienheimkehrer" trocknen lassen.

Sicherlich, Schenkel hat auf den zwei Vierwochenreisen im Februar 1998 und 2000 auch das Indien der Kalender- und Fernsehbilder gesehen, der Tadsch Mahal in Agra, das Rote Fort in Delhi und die sogenannten erotischen Tempel von Kajuraho, in seinem Reisetagebuch berichtet er aber mehr über die Begegnung mit den Menschen um diese Ikonen herum. Das sind in der Mehrzahl keine Westfalen. Die sind es, die ihm immer wieder bewußtmachen, daß er von einer anderen Baustelle kommt und das dort erworbene Verhaltensrepertoire hier nur von begrenztem Wert ist.

Der Reisende ist dabei aber nicht der Meinung, daß sein Kulturkreis Indien nichts zu bieten hätte. Er hat auch gräßliche Bauten in Indien gesehen und übersetzt auf der zweiten Reise deshalb eine Woche lang das Traktat "Unmenschliche Architektur" des westfälischen Architekten Hugo Kükelhaus ins Englische, auf daß es in Auroville gedruckt werde und dann seine segensreiche Wirkung entfalte. Auf der ersten Reise hatte er auch einen eigenen Vortrag in der Tasche, über "Alchemie, Literatur und das Fahrrad". An der Universität Delhi wollte man ihn dann doch lieber über "Regionalismus in der britischen Literatur" referieren hören.

Wenn man sein Reisetagebuch gelesen hat, muß man das für eine Fehlentscheidung halten, denn Schenkel ist durchaus zuzutrauen, daß er die Trias inspirierend verwirbelt und Denkanstöße produziert hätte. Solche sind jedenfalls in seinen indischen Notizen reichlich zu finden, unaufdringlich, eher als Probebohrungen für den Autor selbst und für den Leser denn als Analysen. Die überläßt er realistisch Autoren wie Naipaul et. al., mit deren Werken er sich in Indien in Regale füllendem Umfang eindeckt. Die erschrockene Feststellung aus Zeile drei: "Alles ist anders", die will ja irgendwie bearbeitet sein.

BURKHARD SCHERER

Elmar Schenkel: "Ein Lächeln und zwei Fragezeichen". Indisches Reisetagebuch. Edition Isele, Eggingen 2000. 174 S., br., 24,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In dem Reisebericht von Elmar Schenkel, der aus zwei Vierwochenreisen im Februar 1998 und 2000 hervorgegangen ist, findet Burkhard Scherer "reichlich Denkanstöße", wenn auch eher in Form von Probebohrungen denn Analysen. Die überlasse der Reisende "realistisch" Autoren wie Naipaul et. al., mit denen Schenkel sich reichlich eingedeckt habe. Obwohl der Rezensent dem Autor auch in dieser Hinsicht einiges zugetraut hätte: "Alles ist anders" - zu dieser Einsicht komme der Autor bereits in Zeile drei. Dass der europäische Intellektuelle, den das Land Indien fasziniert, auf einer realen und nicht nur geistigen Reise durch das Land mit einer anderen Wirklichkeit konfrontiert wird, zeige Schenkel in seinem Bericht. Ja, der Autor spreche sogar von einem Angriff auf die europäische Identität, berichtet Scherer, wenn er schreibe: 'Dem Europäer geht es in Indien an seine Identität. Den ganzen Tag wird an ihm gezerrt, gezupft und gezogen.' Die Erkenntnis, dass das europäische Verhaltensrepertoire in Indien plötzlich nur noch "begrenzten Wert" hat und dass die einzige verzweifelte Reaktion darauf die Verbreitung der eigenen heimischen Kultur ist, vermittle einem das Buch auf amüsante Art und Weise.

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