Als Laure Adler dem großen Gelehrten und Literaturwissenschaftler George Steiner zum ersten Mal begegnet, weiß sie noch nicht, dass dieser Nachmittag, der in einem Garten in Oxford beginnt, ein langer sein wird: Über mehrere Jahre treffen sich die beiden immer wieder, um ihr Gespräch fortzusetzen. Steiner, einer der letzten wahren Flaneure, rekapituliert das 20. Jahrhundert. Seine Eltern fliehen vor dem wachsenden Antisemitismus in Wien nach Paris und 1940, in allerletzter Minute, weiter nach New York. Eine Frage wurde zum Angelpunkt von Steiners Denken: Wie konnte das zivilisierte, kultivierte Europa diese unvorstellbare Barbarei hervorbringen? Steiners Geisteshaltung ist von seiner Biographie beeinflusst: seine Liebe zur Sprache genauso wie seine Verachtung für die großen Mythen des 20. Jahrhunderts - die Psychoanalyse, den Marxismus und Strukturalismus. Aber George Steiner führt die Leser nicht nur bravourös durch die Geistesgeschichte des vergangenen Jahrhunderts, immer wieder kehrt der Literaturwissenschaftler, der viele Jahre lang einen Lehrstuhl in Oxford innehatte, zu seiner großen Liebe, der Musik, zurück, die für ihn Ausdruck reiner Lebenslust ist.
Zunächst, so schreibt Mara Delius, sei sie skeptisch gewesen, ob sich ein Denker wie George Steiner überhaupt begreifen lasse anhand eines in Buchform gebrachten Gesprächs, wie es die französische Kulturjournalistin Laure Adler geführt hat. Die Kritikerin fürchtete gar eine "intellektuelle Homestory". Doch die Angst sei unbegründet gewesen, gibt Delius nach der Lektüre zu. Auf einen mit Anekdoten gespickten Abriss von Steiners Leben folge in dem schmalen Band die Aufforderung zum Rückzug ins Denken. Doch dabei sei der Philosoph und Kulturkritiker kein Mann der Intellektualismen, so Delius, seine Liebe zum Wort bleibe stets lebendig und lebensnah. So hat die Rezensentin dieses in ihren Augen "wohlkomponierte Gespräch" ganz offensichtlich mit großem Gewinn gelesen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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