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Die Ich-Erzählerin des Romans ist siebzehn, als sie die beklemmende Enge ihres österreichischen Elternhauses verläßt und nach Madrid reist. Sie nimmt Beziehungen zu Männern auf und hofft so, Selbständigkeit zu erlangen. Doch die anerzogenen Zwänge sind stärker. Unüberlegt heiratet sie den dominanten Miguel und gelangt damit von der väterlichen Abhängigkeit in die des Ehemannes. Ein psychologisch fesselnder Roman der Autorin des Bestsellers "Wie kommt das Salz ins Meer".

Produktbeschreibung
Die Ich-Erzählerin des Romans ist siebzehn, als sie die beklemmende Enge ihres österreichischen Elternhauses verläßt und nach Madrid reist. Sie nimmt Beziehungen zu Männern auf und hofft so, Selbständigkeit zu erlangen. Doch die anerzogenen Zwänge sind stärker. Unüberlegt heiratet sie den dominanten Miguel und gelangt damit von der väterlichen Abhängigkeit in die des Ehemannes. Ein psychologisch fesselnder Roman der Autorin des Bestsellers "Wie kommt das Salz ins Meer".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.12.1996

Schnürbrust im Zwielicht
Alles kommt wieder: Brigitte Schwaiger macht einen langen Urlaub

Wir erinnern uns; zweimal war die junge Erzählerin Brigitte Schwaiger im literarischen Gespräch: mit ihrem Roman "Wie kommt das Salz ins Meer" (1977), der vielfach übersetzt und 1986 von Peter Beauvais verfilmt wurde, und der Erzählung "Lange Abwesenheit" (1980), mit der sie sich in ganz eigener Weise auf der Woge der Väter-Literatur behauptete. Im Debütroman scheitert eine junge Frau in einer Ehe, in die das Gebot bürgerlichen Wohlverhaltens sie hineingedrängt hat. In der Erzählung setzt sich die Autorin mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ihres Vaters auseinander, eines oberösterreichischen Arztes, der auch nach dem Krieg dem Antisemitismus nicht abgeschworen hat. Zwischen beiden erschien das Prosabuch "Mein spanisches Dorf" (1978), dessen Titel Bild für die streng geregelten Lebensformen im Ort der eigenen Kindheit ist.

Nach einer Reihe weiterer Romane bringt Brigitte Schwaiger nun in ihrem Buch "Ein langer Urlaub" die Grundmotive dieser drei frühen Erzähltexte in eine neue Konstellation. Wieder taucht die Gestalt des unbelehrbaren Vaters auf, eines Verfechters der Rassenhygiene. Bekräftigt wird das autobiographische Element vom Namen der Ich-Erzählerin, Brigitte, wie auch von der Wahl des Hauptschauplatzes der Handlung, Spanien: Die Autorin gab zeitweilig Deutsch- und Englischunterricht in Spanien und versuchte sich in Malerei und Bildhauerkunst. Und wieder steht eine Ehe unter dem Unstern einer halb erzwungenen Heirat.

Die Freude des Wiedererkennens wird beim Leser in Grenzen gehalten durch die Begegnung mit Wiederholungen. Doch wird im Unterschied zum Roman "Mein spanisches Dorf" das Land Spanien konkret und mit seinen Konventionen für die Ehe verhängnisvoll. Die Ich-Erzählerin vergegenwärtigt sich die Geschichte der Ehe und die Vorgeschichte beim Versuch, den "Faden" zu ihrem "Lebensknäuel" zu finden.

Zu drei Männern stellen sich in Spanien engere Beziehungen her. Der Medizinstudent Fernando, ein Kolumbianer, bedrängt sie sexuell, sieht in ihrem Körper offenbar aber auch einen Experimentiergegenstand; sein gynäkologisches Interesse wetteifert mit dem erotischen. Der Deflorationsversuch mißlingt. Brigitte wünscht sich allerdings auch einen anderen. Sie will selbst angreifen und verführen. Es ist Eusebio, den sie mit Küssen und Liebesbissen überfällt. Aber sie müht sich vergebens ab. Sie könnte genausogut einen Stein begehren. Denn Eusebio ist Miguels Freund.

Miguel, Student der Tiermedizin und Offiziersanwärter an der Militärakademie, Anhänger Francos, ergreift sofort die Rolle des Kavaliers, Beschützers und Bewachers. Er nimmt sie in Besitz, entjungfert sie, zwingt ihr den Verhaltenskodex spanischer Frauen auf, möchte sie für seine Reputation benutzen und zugleich in die vier Wände sperren. Sie ist überwältigt von seinen Liebesbeteuerungen und erschrocken über die Verbote, mit denen er sie umstellt. Sie will keine Ehe, aber er zwingt sie mit seinem Liebesterror hinein.

Was an diesem Roman fesselt, ist die Geschichte einer jungen Österreicherin, die sich vom nationalsozialistisch gesinnten Vaterhaus emanzipiert hat und nun zu einem Leben in altspanischer Schnürbrust und unter dem Franco-Regime verurteilt fühlt. Nicht nur an der bis zuletzt ungeweckten Sexualität der Frau, sondern auch an einer fremden, Verfügungsgewalt des Mannes einschließenden gesellschaftlichen Tradition zerbricht die Ehe.

Zugleich jedoch ist dieses Scheitern schon in den individuellen Vorgaben der Frau angelegt, in ihrer Unentschlossenheit, ihrer Furchtsamkeit, ihrer Nachgiebigkeit, im Mangel an Aufgeklärtheit über sich selbst. Nach der Trennung und der Rückkehr von einem "langen Urlaub" in die österreichische Heimat glaubt sie, ihre große Liebe verfehlt zu haben und wiederfinden zu können. Aber die Begegnung mit Fernando endet wie ihre Ehe mit einer großen Enttäuschung.

Die Verschränkung der Perspektiven von Rückschau und jeweiliger Situation der Vergangenheit sorgt in diesem Roman immer wieder für ein diffuses Licht. Das entspricht der Haltung der Ich-Erzählerin und der Offenheit des Romans: Die Krise ist zwar durchleuchtet, doch sie dauert an. Ein zwiespältiges, aber im Nichtverdecken des Zwiespältigen auch ehrliches Buch. WALTER HINCK

Brigitte Schwaiger: "Ein langer Urlaub". Roman. Verlag Langen Müller, München 1996. 238 S., geb., 34,- Mark.

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