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»Du musst das halt in meinem Sinn machen«, trägt Thomas Bernhard seinem Halbbruder Peter Fabjan auf, als er spürt, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Und der sieben Jahre Jüngere gehorcht und übernimmt die Verantwortung, dieses Mal für ein schwieriges Erbe - so wie er es immer getan hat von Jugend an, wenn ihn der Ältere gebraucht hat. Den anderen galt er als »der liebe Bruder«, Fabjan selbst sieht sich eher als »Helfer in der Not«, denn oft genug fand er sich in der Rolle des Chauffeurs und dienstbaren Geistes wieder, der am Nebentisch saß, während der Bruder mit Persönlichkeiten aus…mehr

Produktbeschreibung
»Du musst das halt in meinem Sinn machen«, trägt Thomas Bernhard seinem Halbbruder Peter Fabjan auf, als er spürt, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Und der sieben Jahre Jüngere gehorcht und übernimmt die Verantwortung, dieses Mal für ein schwieriges Erbe - so wie er es immer getan hat von Jugend an, wenn ihn der Ältere gebraucht hat. Den anderen galt er als »der liebe Bruder«, Fabjan selbst sieht sich eher als »Helfer in der Not«, denn oft genug fand er sich in der Rolle des Chauffeurs und dienstbaren Geistes wieder, der am Nebentisch saß, während der Bruder mit Persönlichkeiten aus Politik und Kunst parlierte.
Peter Fabjan, Bruder und gleichzeitig behandelnder Arzt Thomas Bernhards, gibt in seinen Erinnerungen einen Einblick in das Leben an der Seite, besonders aber auch im Schatten des österreichischen Dramatikers und Romanschriftstellers, der Weltruhm erlangte. Er erzählt von den schwierigen und vielfach belasteten familiären Verhältnissen genauso wie von der Kriegskindheit, von gemeinsamen Reisen in die USA oder nach Portugal und von seinen Bemühungen um das Leben seines von langer und schwerer Krankheit gezeichneten Patienten. Ein offenherziger, freimütiger und ehrlicher Bericht.
Autorenporträt
Peter Fabjan, geboren 1938 in Traunstein (Bayern), studierte Medizin in Wien und war bis 2001 als Internist tätig. Nach Thomas Bernhards Tod übernahm er die Betreuung des Erbes seines Halbbruders. Er gründete das Thomas Bernhard Archiv, die Thomas-Bernhard-Privatstiftung und die Internationale Thomas Bernhard Gesellschaft, deren Ehrenpräsident er ist. Peter Fabjan lebt in Gmunden (Oberösterreich).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensentin Judith von Sternburg haben die Erinnerungen des Mediziners Peter Fabjan an seinen Halbbruder Thomas Bernhard spürbar bewegt. So diskret, wie er anscheinend auch an der Seite seines raumfordernden Bruders agierte, schreibt der Autor der Kritikerin zufolge auch: Zart, knapp und unrasant berichtet er von den eigentümlichen, meist dunklen Momenten mit dem berühmten Schriftsteller, eine Ästhetik, die Sternburg für das Resultat eines unbedingten Willens zur genauen Erinnerung hält. Die Schwierigkeit im Umgang mit Bernhard tritt klar zutage, ohne dass der Autor seine Rolle beklagen würde, erzählt die faszinierte Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2021

Österreich hat er ja doch nicht gehasst

Zum neunzigsten Geburtstag erinnern zwei Bücher an den Schriftsteller Thomas Bernhard: die Erinnerungen des Halbbruders und eine "unkorrekte Geschichte" in Bildern

Thomas Bernhard sagte einmal, das Schöne an seinen Büchern sei, dass es überhaupt nicht darin vorkomme: So entstehe es von selbst. Seinen Geschwistern verbot er, nach seinem Tod von ihm zu erzählen, und schrieb vorbeugend eine fünfbändige Autobiographie. Bernhards "lieber Bruder", der 82 Jahre alte Mediziner und Nachlassverwalter Peter Fabjan, hat sich jetzt dem Verbot widersetzt und in seinem Buch über das "Leben an der Seite von Thomas Bernhard" auch das Schöne festgehalten. Aber man soll ja, auch mit Bernhard gesprochen, immer dorthin gehen, wo ein Kontrast ist.

Bernhard saß gern im Café Bräunerhof und dachte an das Übel dieser Welt, darunter die Menschen am Nebentisch. Er grantelt, weil er begreift, dass er letztendlich selbst "Die Ursache" ist, wie ein Band seiner Autobiographie hieß. Nach Mallorca reiste er zum Schreiben, weil er das Klima mag und kein Spanisch spricht. Auch gibt es dort kaum Österreicher: zwar lauter liebe Leute, aber bösartig, unwichtig, und katholisch.

Das ist Allgemeingut zu Thomas Bernhard, dessen Geburtstag sich gerade zum neunzigsten Mal jährte. Im Bilderbuch von Nicolas Mahler steht es aber ganz anders: "Die Bernhard-Forschung hat mittlerweile herausgefunden: Der Autor hat sein Land und dessen Bewohner gar nicht gehasst." Das Land jedoch musste sich erst an ihn gewöhnen, ehe er zum kanonischen Autor avancieren durfte. Es machte immerhin 1988 noch einen Aufstand, als er im Stück "Heldenplatz" im Auftrag Claus Peymanns am Burgtheater die jubelnden Menschenmassen wieder heraufbeschwor, welche 1938 auf diesem Platz Hitlers Einzug gefeiert hatten.

Die Konfrontation des sich selbst beobachtenden Dramatikers, die in "Heldenplatz" steckt, war absolut notwendig: Ein Geistesmensch spielt mit Suizidgedanken, weil der Rechtsextremismus sein Land nie verlassen hat - und der herrschende Katholizismus der große Zerstörer der Kinderseele ist. In Mahlers "unkorrekter Biografie" wird aus dem Hitlerportrait an der Schulwand ein gekreuzigter Christus, darunter macht der Bursche brav die Hausaufgaben. Seine Hassliebe zu Österreich beschrieb Bernhard gern über die Metapher seines Herzens, das er für immer ans Heimathaus gehängt hat und welches dort nun langsam verschimmelt.

Während Mahler die Lebensstationen in Form eines Bilderbuchs in Wiener Schmäh verpackt, reicht Fabjans "Rapport" von komplizierter Familiengeschichte über Archivsammelsurien bis zu trockenen Listen ("Die Krankengeschichte in groben Teilstationen"). Bei Mahler wird die innere Zerrissenheit des Autors in chronologischen Bildern lebendig.

Vom leiblichen Vater im Stich gelassen, wurde Thomas Bernhard als Säugling ins Heim gesteckt, wo die Mutter ihn kaum umarmen durfte, später landete er in einem nationalsozialistischen Erziehungsheim, das nach dem Krieg katholisch wurde. Die Schule war für Bernhard in beiderlei Form eine Geistesvernichtungsanstalt, weshalb er sie schließlich abbrach, um für einen Kolonialladen im Armenviertel zu arbeiten. Dort erkrankte er an Lungentuberkulose, der Beginn einer langen Leidensgeschichte.

Für Bernhard bedeuten die Krankheiten auch das frühe Ende einer Sängerkarriere. Mit siebzehn singt er Wagner, mit achtzehn Mozart, mit zwanzig "begnügt" er sich mit Bach. Höhepunkt seiner musikalischen Laufbahn ist das "Ave Maria" von Bruckner in der Veitskirche in Sankt Veit im Pongau. Dort singt er gegen Gott an, ihm kommen die Tränen. In diesem Moment selbstverliebten Hochmuts sieht er später den Kern seines seelischen Verderbens. Den Geistesüberdruss muss er sich fortan vom Leib schreiben, dabei bleibt er musikalisch. Jedes Wort ein Treffer. Jedes Kapitel eine Weltanklage.

Um solche Passionsgeschichten geht es bei Fabjan nicht. Schon der Titel eines Kapitels, "Für Thomas Bernhard wichtige Menschen, die ich mit ihm erlebt habe", deutet an, dass der Bruder auch sanfte Korrekturen an Bernhards Erzählungen vornehmen möchte. So klärt er etwa darüber auf, wie aus einem windstillen Nachmittag am Traunsee mit dem manisch-depressiven Paul Wittgenstein bei Bernhard ein erfolgreicher Segelturn wird. Dem guten Freund und Pianist hat der Autor später ein Buch gewidmet und es charmant "Wittgensteins Neffe" betitelt. Im Zentrum steht nicht Paul, sondern die Form als Grenze des Sagbaren, ganz wie im berühmten "Tractatus".

Aus Fabjans Bericht erahnt man, dass Bernhard zwar unausstehlich sein konnte, sich aber im Innersten nach tiefer Geschwisterliebe sehnte. Der Arzt kommentiert dies lapidar: "Die Schwester und ich erlebten ihn als den in eine ferne Welt entrückten, uns in Zuneigung wie Distanzbedürfnis verbundenen Bruder. Unsere Zuneigung durften wir ihm nicht schenken, sie wurde verlangt und musste ein Leben lang bewiesen werden. Eine schwierige Situation."

Genauso schwierig wie die Frage, wie man mit dem Nachlass eines Menschen umgeht, der so von der Welt verschwinden wollte, wie er auf sie gekommen ist: ohne Aufsehen. Siebzig Jahre Aufführungsverbot stehen im Testament, sein von der Akademie der Wissenschaften digitalisiertes Werk ist nicht frei zugänglich. Auf dem Totenbett hat Bernhard kein Lustspiel mehr auf die Tragikomödie seiner Existenz geschrieben. Dabei hätte es sich vermutlich besser verkauft als ein Buch, das den Titel "Verstörung" trägt, wie Mahler anmerkt. Die Botschaft ist trotzdem klar: Bernhard beschreibt das Furchtbare, damit wir es vermeiden.

HELENA RASPE

Peter Fabjan, "Ein Leben an der Seite von Thomas Bernhard" (195 Seiten, 24 Euro), Nicolas Mahler, "Thomas Bernhard. Die unkorrekte Biografie" (119 Seiten, 16 Euro). beide erschienen im Suhrkamp Verlag.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Thomas Bernhard ist alles andere als vergessen, aber vor lauter Bernhard-Folklore verschwand der Mensch hinter dem Werk. Peter Fabjan bringt ihn uns zurück.« Marc Reichwein WELT AM SONNTAG 20210207