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"Es ist wie in einem Traum", notierte Joseph Goebbels, als er im Sommer 1940 das besetzte Paris besichtigte. In der Kultur des Dritten Reiches schienen Wunsch und Wirklichkeit ineinander zu fließen. Völkische Visionen und spektakuläre Inszenierungen trugen zu diesem Gefühl ebenso bei wie klassische Konzerte und populäre Filmkomödien. Kultur nach dem Geschmack der Mehrheit förderte die Akzeptanz des Regimes. Dabei schloss das Dritte Reich an bürgerliche Traditionen an, verweigerte sich aber auch nicht den modernen Trends der Massenkultur. Weil die Kultur der NS-Zeit Raum ließ für…mehr

Produktbeschreibung
"Es ist wie in einem Traum", notierte Joseph Goebbels, als er im Sommer 1940 das besetzte Paris besichtigte. In der Kultur des Dritten Reiches schienen Wunsch und Wirklichkeit ineinander zu fließen. Völkische Visionen und spektakuläre Inszenierungen trugen zu diesem Gefühl ebenso bei wie klassische Konzerte und populäre Filmkomödien. Kultur nach dem Geschmack der Mehrheit förderte die Akzeptanz des Regimes. Dabei schloss das Dritte Reich an bürgerliche Traditionen an, verweigerte sich aber auch nicht den modernen Trends der Massenkultur. Weil die Kultur der NS-Zeit Raum ließ für unterschiedliche Bedürfnisse und Phantasien, konnte sie auch Krieg, imperiale Herrschaft und Vernichtung legitimieren. Moritz Föllmer stellt diesen Zusammenhang erstmals konsequent in das Zentrum seiner innovativen Darstellung. Er fragt, was Kultur zwischen 1933 und 1945 bedeutete: für überzeugte Nationalsozialisten, für scheinbar unpolitische Zeitgenossen, für Antifaschisten und Juden. Und er lässt Beobachter aus ganz Europa zu Wort kommen.
Autorenporträt
Moritz Föllmer ist Associate Professor of Modern History an der Universität Amsterdam.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2016

Brutaler Traum im Riesenraum
NS-Herrschaft und Kultur

Kultur war mehr als der "schöne Schein des Dritten Reiches", sie gehörte entscheidend zur Dynamik des Hitler-Regimes. Daran erinnert Moritz Föllmer in seinem vorzüglichen Taschenbuch. Kultur sei zu jeder Zeit mit Wünschen und Träumen verbunden - und stets "abhängig von den konkreten Umständen ihrer Realisierung". Dieses Spannungsverhältnis steht im Mittelpunkt der Darstellung, die zudem kulturelle Selbstbehauptungsversuche von politisch oder rassisch Ausgegrenzten, Verfolgten und Exilanten einfühlsam würdigt. Auch die Kollaboration in besetzten Gebieten, gefördert durch nationalsozialistische Spielfilme, Wochenschauen, Zeitschriften, bezieht er ein. Es ging um die als "Erneuerung" verbrämte Vorherrschaft, was "kluge Zeitgenossen" verdrängten: "So beklagte Werner Heisenberg im September 1941 gegenüber seiner Frau, dass Kopenhagener Kollegen seinen Gastvortrag aus politischen Gründen boykottiert hatten: ,Es ist merkwürdig, wie man hier, obwohl die Dänen ja völlig ungestört leben können und es ihnen gut geht, verstanden hat, so viel Hass und Angst zu erzeugen, dass auch eine Verständigung auf kulturellem Gebiet - wo sie früher selbstverständlich war - fast unmöglich geworden ist.' Was der renommierte Physiker euphemistisch ,Verständigung auf kulturellem Gebiet' nannte, beruhte letztlich auf militärischen Voraussetzungen und war gerade deshalb fragil."

Die deutsche Selbstaufwertung ging spätestens seit Kriegsbeginn 1939 einher mit der Abwertung anderer Kulturen. Und die Parole von einem vereinten Europa sollte das eigentliche Ziel kaschieren: "die eigene Überlegenheit zu demonstrieren und durchzusetzen". Vielen "Volksgenossen" war übrigens "die Einlösung der Konsumversprechen aus der Vorkriegszeit wichtiger als territoriale Gewinne. Deshalb reagierten etwa Kinobesucher mit Unmut auf Werbefilme für Ersatzprodukte." Die "konkreten Vernichtungsmaßnahmen" bei der Verfolgung der Juden in Europa habe das Regime verschwiegen: "Von den meisten Deutschen wurde der Übergang zur systematischen Ermordung, wenn nicht begrüßt, so doch akzeptiert oder hingenommen", behauptet der Autor. Über Hitler, der sich gern als NS-Oberkunstkenner gerierte, schreibt er zurückhaltend: Was der Diktator "wirklich dachte, lässt sich schwer ausmachen". Hitler soll 1944/45 "zielstrebig an der Inszenierung des unvermeidlich gewordenen Untergangs" gearbeitet und sein Propagandist Goebbels "ideelle und pseudohistorische Rechtfertigungen für militärisch sinnlose Opfer" entwickelt haben. Beides trug schließlich dazu bei, dass die Nachkriegsdeutschen jegliche eigene Schuld weit von sich weisen konnten: "Der kulturelle Überlegenheitsanspruch, der die gesamte Kriegsrhetorik durchzogen hatte, half nun dabei, sich selbst moralische Sauberkeit zu bescheinigen", resümiert Föllmer.

RAINER BLASIUS

Moritz Föllmer: Kultur im Dritten Reich. "Ein Leben wie im Traum". Verlag C.H. Beck, München 2016. 288 S., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Die Beck'sche Reihe "Die Deutschen und der Nationalsozialismus" soll vor allem jungen Lesern eine Vorstellung vom Leben im Dritten Reich ermöglichen, weiß Wolfgang Schneider. Im neuen Band "Ein Leben wie im Traum" widmet sich Moritz Föllmer jetzt dessen Kulturbetrieb, verrät der Rezensent, und tatsächlich gelingt ihm eine anschauliche Einführung ins Thema. Der Reiz der Kulturpolitik der Nationalsozialisten lag für viele Deutsche in eigenen Karrierechancen, die sich aufgrund der Arisierung und hoher Subventionen ergaben, erklärt Schneider. Statt allerdings eine eigens nationalsozialistische Kultur zu propagieren, obwohl man sich diese in der ideologischen Führung gelegentlich ausmalte, bediente man sich der gewohnten Klassiker, um die Leute bei (Kriegs-)Laune zu halten oder im Gefühl der Glorie der eigenen Tradition zu schwelgen, fasst der Rezensent zusammen. Einzelne sachliche Fehler tun dem begrüßenswerten Anspruch dieses Buches nur einen unwesentlichen Abbruch, findet Schneider.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Föllmer gelingt es, all diese Facetten der Kultur zwischen 1933 und 1945 zur Anschauung zu bringen."
Bernd Ulrich, Historsiche Zeitschrift, Dezember 2017