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'Das bisher beste deutschsprachige Buch zum Leben Melvilles.' -- Neue Zürcher Zeitung
'Die ideale Biografie!' -- Die Zeit
'Eine Fundgrube.' -- Brigitte Kronauer
Herman Melville, einer der berühmtesten Autoren der Weltliteratur, war zu Lebzeiten ein Außenseiter, gescheitert als Schriftsteller und Mensch. Sein Leben auf Handelsschiffen und Walfängern inspirierte ihn zu seinen ersten erfolgreichen Romanen. Doch sein größtes Werk, Moby Dick , blieb erfolglos. Ein Leben zeigt in Briefen, Tagebüchern und Aufzeichnungen den Menschen Melville. Durch lebensgeschichtliche Erläuterungen ergänzt,…mehr

Produktbeschreibung
'Das bisher beste deutschsprachige Buch zum Leben Melvilles.' -- Neue Zürcher Zeitung

'Die ideale Biografie!' -- Die Zeit

'Eine Fundgrube.' -- Brigitte Kronauer
Herman Melville, einer der berühmtesten Autoren der Weltliteratur, war zu Lebzeiten ein Außenseiter, gescheitert als Schriftsteller und Mensch. Sein Leben auf Handelsschiffen und Walfängern inspirierte ihn zu seinen ersten erfolgreichen Romanen. Doch sein größtes Werk, Moby Dick , blieb erfolglos. Ein Leben zeigt in Briefen, Tagebüchern und Aufzeichnungen den Menschen Melville. Durch lebensgeschichtliche Erläuterungen ergänzt, entsteht die Chronik eines aufregenden und bis heute weitgehend unbekannten Schriftstellerlebens.
Autorenporträt
Herman Melville (1819-91) stammte aus einer verarmten New Yorker Familie. Er ging früh zur See und verdingte sich als Matrose, unter anderem auch auf Walfängern. Seine Reisen führten ihn bis in die Südsee. 1844 kehrte er in die USA zurück, lebte als freier Schriftsteller und war von 1866-85 als Zollinspektor in New York tätig. Der Romancier und Autor von Kurzgeschichten und Lyrik gilt als einer der bedeutendsten amerikanischen Schriftsteller. Sein Meisterwerk 'Moby Dick' zählt zu den Klassikern der Weltliteratur.

Daniel Göske, geboren 1960, promovierte über Herman Melville in deutscher Sprache und ist Professor für Amerikanistik an der Universität Kassel.

Werner Schmitz wurde 2011 mit dem "Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis" ausgezeichnet. Er wurde für seine Übersetzungen zeitgenössischer amerikanischer Literatur, insbesondere für seine Übertragung der Romane Paul Austers geehrt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2004

Eine Vision der Schöpfung von verzweifelter Erhabenheit
Weißer Wal und graues Auge: Der große Melville ist in Reisetagebüchern, Briefen und Friedhelm Rathjens gewagter Übersetzung des "Moby-Dick" neu zu entdecken

Vielleicht beginnt die literarische Moderne nicht nur, wie wir gelernt haben, mit Baudelaire und Flaubert, sondern auch, zeitgleich, mit Emily Dickinson und Herman Melville. Die beiden Neuengländer mußten freilich weit länger auf ihre Stunde warten als die Franzosen. Wieviel Zukunft ihre gewaltsame Abweichung vom damals Üblichen hatte, wie kühn sie den horror vacui einer entgöttlichten Welt aushielten und ausdrückten, hat die lesende Menschheit erst spät zur Kenntnis genommen.

So sehen wir heute Melvilles Meisterwerk "Moby-Dick" mit ganz anderen Augen als die ursprüngliche Leserschaft von 1851, die sich in ihrer Erwartung exotischer Südsee-Abenteuer vom Autor herb enttäuscht sah. Aber was ist das auch für ein Roman, dessen Seemannsgarn so bald schon ins Philosophische und Enzyklopädische zerfasert; dessen Ich-Erzähler als Handelnder rasch in den Hintergrund rückt und dafür zum Kompilator einer abgründig ausufernden Cetologie oder Walkunde mutiert? Ein Achthundert-Seiten-Wälzer, ohne ordentliche Intrige, frauenlos, mit einer Mannschaft aller Hautfarben der Welt, die sich der ozeanischen Wildnis und ihrem "Leviathan" aussetzt - und ohne rechten Bösewicht? Denn der einbeinige Käpt'n Ahab wird trotz seines schlimmen alttestamentlichen Namens und seines dämonischen Auges der Rolle des Schurken nicht gerecht. Zunehmend erweist er sich als ein von Erkenntnisdrang und Lebensqual getriebener Faustus, Lear und Hiob der Wasserwüste, der am Ende die Seinen mit sich in den Sog des Abgrunds reißt. Einzig Ismael, der Erzähler, durch seinen gleichfalls biblischen Namen als Ausgesonderter gezeichnet, entkommt dem apokalyptischen Strudel, ein Sarg seine Rettungsboje.

Vom ersten Satz an stilisiert der Roman die Queste seiner Figuren ins Symbolische. Unwiderstehlich und Schritt für Schritt ziehen uns die Auftaktkapitel in eine "andere" Welt, deren Fremde und Geschlossenheit das Walfangschiff verkörpert. Doch kaum ist es recht in Fahrt gekommen, da wird der Erzählfluß immer aufs neue nach einem Verfahren gebrochen, das Lawrence Sterne, einer der Meister Melvilles, in seinem "Tristram Shandy" die progressive Digression nennt. Denn der Weiße Wal, das Ungetüm, der große Antagonist Ahabs, muß in der Wort- und Gedankenfülle des Buches seine Entsprechung finden: "So erhebend ist die Wunderkraft eines ausgedehnten Themas! Wir weiten uns zu seinem Umfang." Aber je mehr das Wortnetz des Erzählers den Wal zu fassen sucht, um so hartnäckiger entzieht er sich dem Zugriff. Als seine Fänger ihn im Crescendo des Schlußteils endlich gestellt haben, sind sie endgültig seiner Macht verfallen.

Wie die Odyssee Homers ist diese Schiffahrt der Mythos eines ganzen Zeitalters: eine Odyssee ohne Heimkehr. Und wie Joyces "Ulysses" ist es ein Text aus hundert Stimmen und Stilen, der als Echoraum der Weltliteratur alle Genres in sich vereint, in einer Huldigung an das unerschöpfliche Schöpfertum der Sprache selbst. Jede ernsthafte Übertragung dieses verbalen Ungetüms muß so zu einem riskanten Abenteuer werden und zum angestrengten Widerstand gegen die ständige Versuchung des Bearbeitens und Einebnens.

Friedhelm Rathjen, dessen "Moby-Dick" seinerzeit vom Hanser Verlag als unlesbar zurückgewiesen wurde, verkörpert diesen strengen Melville-Übersetzer nach außen hin am unerbittlichsten; nicht umsonst ist er bei Joyce, Beckett und Arno Schmidt in die Lehre gegangen. Seine Fassung liegt jetzt in einer schönen, von den holzschnittartigen Federzeichnungen Rockwell Kents prachtvoll illustrierten Ausgabe bei Zweitausendeins vor. Im Anhang wiederholt der Übersetzer die Grundsätze seiner Poetik, die er ursprünglich mit ersten Textproben im "Schreibheft" 57 vorgestellt hatte: absolutes Respektieren der Vorlage in ihrer ganzen Neuartigkeit und Befremdlichkeit ohne Rücksicht auf den Leser; keine Hierarchisierung ihrer Bedeutungsschichten; weitgehender Verzicht auf eigene Interpretation, ja auf eigenes Verstehenwollen.

Ohne Rücksicht auf den Leser?

Es ist der aufs äußerste gesteigerte Anspruch, dem fremden Meisterwerk unbedingt und selbstlos zu dienen. In ihm begegnen sich Schleiermachers Postulat verfremdender Übersetzung und die Lust der Moderne am Schwierigen, Nicht-Gängigen. Wolfgang Matz, Rathjens einstiger Widerpart bei Hanser, weist soeben in der "Neuen Rundschau" auf die hermeneutische Paradoxie dieses Anspruchs hin: Jedes Übertragen setzt ein Verstehen voraus, und die Utopie einer vollständigen Umsetzung macht nun einmal Prioritäten unvermeidbar. Solche Binsenwahrheiten sind unspektakulär, aber wer sie außer Kraft setzen will, läuft Gefahr, sich zu überheben. Nicht umsonst spricht Schleiermacher von den Risiken, denen ein Übersetzer sich ausliefert, "wenn er bei dem Bestreben, den Ton der Sprache fremd zu halten, nicht die feinste Linie beobachtet".

Die programmatische Fremdheit moderner Texte radikalisiert naturgemäß das Problem ihrer Übertragung. Für Rathjen bedeutet die Modernität des "Moby-Dick" seine grundsätzliche Unverständlichkeit, ganz so, als sei er ein zweiter "Finnegans Wake". Ein absolutes Unding nennt er ihn, eine Monstrosität, einen Bastard, die literarische Wirrnis schlechthin. Ganz abgesehen davon, ob diese reißerische Zuspitzung kritisch gerechtfertigt ist - was bedeutet unter solch ungünstigen Auspizien Rathjens Entschluß, "bei der Übersetzung dieses Brockens aufs Ganze zu gehen"? Denn hier gilt, was die Engländer so unübersetzbar pragmatisch formulieren: the proof of the pudding is in the eating.

Und siehe da, Rathjens Monstrosität erweist sich sehr wohl als genießbar. Der konzentrierte Leser (und nur solche verträgt das Buch, auch im Original) hört sich in das Melvillesche Fremddeutsch mit seinen absichtlichen Brüchen und Ungelenkheiten hinein. Nicht zuletzt Komik und Humor des großen Buches werden durch die schrägen Töne immer wieder schlaglichtartig erleuchtet. Vor allem aber dient die stilistische Befremdung, wie in der Vorlage auch, der Einsicht in die Unheimlichkeit der Existenz. Dies ist etwa bei der folgenden Schilderung von Ahabs Kainszeichen der Fall, einem gertenhaften, fahl-weißlichen Mal: "Es glich einer senkrechten Naht, wie sie bisweilen dem aufrechten, hochragenden Stamm eines großen Baumes eingeschrieben wird, wenn der Blitz von hochdroben zerfetzend daran niederjagt und, ohne einen einzigen Zweig abzureißen, die Borke von der Spitze bis in den Boden abschält und ausfurcht, ehe er in die Erde springt, den Baum immer noch bei grünem Leben, aber gezeichnet zurücklassend." Das hat lebendigen Rhythmus und dramatische Sinnlichkeit, wie sie für Rathjen at his best typisch sind.

Die verzweifelte Erhabenheit, die Melvilles Vision der Schöpfung auszeichnet, findet bei ihm eine starke Resonanz; so in dem Zentralkapitel über die Farbe Weiß, mit dem auch Ahabs Mal in unterirdischer Verbindung steht. Es ist ein Weiß, das "die Schatten und herzlosen Leeren und Unermeßlichkeiten des Universums vorauswirft . . . eine farblose, allfarbige Welt ohne Gott, vor der wir zurückschrecken. . . liegt das gelähmte Universum als Aussätziger vor uns gebreitet; und gleich halsstarrigen Reisenden in Lappland, welche sich weigern, getönte und tönende Brillen auf ihren Augen zu tragen, starrt der erbärmliche Ungläubige sich blind an dem monumentalen weißen Bahrtuch, welches die ganze Aussicht ringsumher einhüllt." Wir sind auf dem Weg von Jean Paul zu Nietzsche.

Freilich, das "gerüttelt Maß an Sturheit", das Rathjen sich als Übersetzer abverlangt, fordert auch mancherlei sprachliche Opfer, kuriose und schmerzhafte. Als ob es das 1. Buch Mose nicht seit längerem auf deutsch gäbe, muß der Erzähler partout Ishmael heißen; deutsche Ortsnamen erscheinen als Heidelburgh, Frankfort oder Blocksburg, wo Melvilles erratische Schreibweise nur deren amerikanische Aussprache wiedergibt. Noch toller wird es, wenn die Vorlage Ritzzeichnungen von Wilden mit den Stichen des "fine Dutch savage, Albert Durer" vergleicht und dieser prompt als "jener famose niederländische Wilde, Albert Dürer" erscheint. Haben wir nicht aus jugendlicher Karl-May-Lektüre gelernt, daß die liebevolle Anrede "bloody Dutchman" keineswegs nur Holländern gilt? Und warum macht die Wortwörtlichkeit vor dem Umlaut des Künstlers halt?

Mag ja sein, daß manche Leser des globalen Zeitalters bei direkter Figurenrede nach dem Muster "Was für eine Art von Kerl ist er denn - wird die Stunde immer so spät bei ihm?" kennerhaft erfreut die amerikanische Idiomatik nicht nur durchschimmern, sondern regelrecht durchschlagen sehen. Vielleicht sollte man dabei lieber nicht an den alten Pennälerscherz über die verbale Sklaverei der Lateinversionen denken: "Sage mir, Wächter der Nacht, in bezug auf das Feuer, wo brennt es?" Aber was ist mit Formulierungen wie "Tuest du dann nicht lauschende Horcher fürchten?" oder "Du seiest es wo von Sinnen ihn suchest"? Hier wird die altväterlich biblische Sprechweise Neuenglands (Dost thou, thou art) aparterweise durch deutsche Konjunktive wiedergegeben - natürliche Sprache durch Unnatur. Offenbar war Herausgeber Norbert Wehr nicht imstande, seinem Übersetzer solchen grammatischen Unfug auszureden, der eine insgesamt imponierende Sprachleistung immer wieder störend entstellt.

Daß Rathjens Stilgefühl die masochistische Unterwerfung unter ein mißverstandenes Diktat der Vorlage nicht unbeschadet überlebt hat, zeigt sein massenhafter Gebrauch von Wortleichen wie "nichtsdestotrotz" und "in keinster Weise"; letzteres, wie wir von Hannah Arendt wissen, eine Lieblingsformel des bürokratischen Herrn Eichmann. Kraus und knorrig, verstiegen und versponnen, wie die selbstgefälligen Euphemismen des Nachworts lauten, ist an solchen Peinlichkeiten nichts mehr. Ermächtigt der selbstlose Dienst am Meisterwerk zu dessen stilistischer Demontage?

Im übrigen ist mit der Hanser-Übersetzung von Matthias Jendis (2001) der Beweis bereits erbracht, daß ein deutscher "Moby-Dick", der die Vertracktheit und Stilvielfalt des Originals streng respektiert, durchaus ohne schlimme grammatische und lexikalische Verrenkungen - und als keineswegs billige Lösung - zu haben ist. Auch sonst laden die beiden Ausgaben zum Vergleich ein. Während Rathjens Interpretationsverbot sich noch auf seinen - dokumentarischen - Anhang (mit Ausnahme einer Deutung von Moby-Dick als Allegorie des Großkapitals) auszuwirken scheint, findet der Leser bei Hanser ein vorzügliches Nachwort und ebensolche Anmerkungen des Herausgebers Daniel Göske. Ein Snob, wer dieses leserfreundliche und unpedantische Beiwerk verschmäht.

Einsamer Wanderer durch die Wüste der Zeit.

Im Rahmen der großen Hanserschen Melville-Ausgabe erscheint soeben als besonders wertvolle Zugabe "Ein Leben", die gelungene Übertragung aller Briefe und Reisetagebücher des Autors durch Werner Schmitz und Daniel Göske. Erstmals, und das gilt auch für den angelsächsischen Bereich, sind hier alle Dokumente chronologisch angeordnet und durch knappe, gehaltvolle Zwischentexte miteinander verbunden. So entsteht für diesen nicht gerade zur autobiographischen Konfession neigenden Schriftsteller ein Lebensbild in der ersten Person. Der Bogen spannt sich von seinen jugendlichen Abenteuerreisen und dem Triumph der ersten Romane über den Wendepunkt, den der Mißerfolg des "Moby-Dick" bedeutete, bis zur Desillusion der späteren Jahre, als der verkannte Autor in der Rolle eines New Yorker Zollinspektors eine neue Lebensaufgabe fand und entschlossen war, nur noch "gescheiterte" Bücher zu schreiben.

Selbst in der brieflichen Aussprache mit den engsten Angehörigen, die ihm in seinen zahlreichen Lebenskrisen unentbehrlichen materiellen und seelischen Halt boten, öffnet sich Melville nur selten rückhaltlos. Das tut er in einer (für seine Verhältnisse) wunderbaren Weise jedoch seinem Freund und zeitweiligen Nachbarn Hawthorne gegenüber, dem sein großer Roman gewidmet ist. Während amerikanische Rezensenten das Werk als Schund aus der schlimmsten Schule der Irrenhausliteratur brandmarkten, hatte Hawthorne dem Jüngeren verständnisvoll geschrieben. Dessen Antwort nennt Göske völlig treffend eine Art Liebesbrief: "Ihr Herz schlug in meiner Brust, und meins in Ihrer, und beide in der Brust Gottes . . . Hawthorne, woher kommen Sie? Mit welchem Recht trinken Sie aus meinem Krug des Lebens?" In der schwarzen Grundierung der Hawthorneschen Vision erkennt Melville einen wesensverwandten Zug; auch sein Weißer Wal, so vertraut er dem Freund an, habe im Höllenfeuer geschmort. Diese Dokumente, die auch im Anhang der Rathjen-Ausgabe abgedruckt sind, markieren eine Sternstunde der jungen amerikanischen Literatur. Später wird Hawthorne sich dem Liebeswerben Melvilles gegenüber spröder zeigen.

Auch die Reisetagebücher, so wenig intim sie sich geben, sind von hohem Interesse. Wir erleben im Rhythmus seiner atemlosen Neugier, wie sich der Autor auf der Höhe seines frühen Ruhmes dem alten Europa, seiner Landschaft und Kultur öffnet und selbstbewußt in London mit Verlegern und Literaten Umgang pflegt. Die zeitgenössische Leserschaft in England sollte sich als seine verständnisvollste erweisen. Ganz anders im Stil, stärker elaboriert, sind seine Eindrücke der späteren Fahrt ins Heilige Land. Mit ernüchtertem Blick betrachtet ein zutiefst skeptischer Sucher als Wanderer durch die Wüste der Zeit die Stätten einstiger Offenbarung: Judäa erscheint ihm als bloßer Schutthaufen, versteinerte Bühne der traurigen Possen, die die Vertreter erstorbener Glaubensrichtungen und ihre Religionstouristen dort aufführen. Jerusalem blickt ihn an "wie das kalte graue Auge eines kalten alten Mannes".

Die Härte dieser Texte ist eine literarische Qualität. Melville sammelt Material für das abweisendste, unbekannteste seiner großen Werke. Es ist der Versroman in 150 Gesängen "Clarel", den der Autor 1876 auf eigene Kosten drucken und bald darauf einstampfen ließ, die Chronik seines Glaubensverlustes als Fiktion einer Pilgerfahrt. Rainer G. Schmidt bereitet, o Wunder der Beharrlichkeit, eine Gesamtübertragung vor, aus der er im neuen "Schreibheft" reizvolle Proben mitteilt. Aber wer wird die 18 000 Verse dieser Herausforderung an unsere schnellebige Zeit lesen? Wie dem auch sei, die Deutschen sind dabei, den großen Amerikaner neu zu entdecken. Sie tun es mit Enthusiasmus, Sachkenntnis, einem Schuß Übereifer und der ihnen einstmals nachgesagten Gründlichkeit.

Herman Melville: "Moby-Dick oder: Der Wal". Aus dem Amerikanischen übersetzt von Friedhelm Rathjen. Mit 269 Illustrationen von Rockwell Kent. Herausgegeben von Norbert Wehr. Verlag Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2004. 859 S., geb., 42,80 [Euro].

Herman Melville: "Ein Leben". Aus dem Amerikanischen übersetzt von Werner Schmitz und Daniel Göske. Herausgegeben von Daniel Göske. Hanser Verlag, München 2004. 888 S., geb., 34,90 [Euro].

"Schreibheft". Zeitschrift für Literatur, Heft 63. Rigodon-Verlag, Essen 2004. 196 S., br., 10,50 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Bewunderung der Schriftstellerin Brigitte Kronauer für Hermann Melville kennt kaum Grenzen. Nur dem selber Schreibenden, stellt sie fest, könne einleuchten, mit welchem weltfremden Willen zur Radikalität Melville das Unverständnis seiner Mitwelt herausforderte und sich so selbst ins literarische Abseits schrieb. "Geniewahn eines längst vergangenen Jahrhunderts?", fragt die Rezensentin rhetorisch und macht dann klar: Melville konnte einfach nicht anders. Nachvollziehen lässt sich das jetzt in diesem Band, der Briefe und Selbstzeugnisse des Autors zu einer beeindruckenden Lebensschau versammelt, der alles unangenehm Stilisierende geplanter Autobiografien, so Kronauer, sehr wohltuend fehlt. Höchst lesenswert die Korrespondenz mit Nathaniel Hawthorne, aber auch die großen Aufzeichnungen von den Reisen nach Europa und Palästina. Worum es Melville immer ging und immer gehen musste, darum wird es auch dem Leser dieser "Fundgrube" scheinbar biografisch zu nehmender Texte zu tun sein, betont Kronauer: "Nie die Biografie, immer sein Werk."

© Perlentaucher Medien GmbH
"Nie wird fundiertes Bescheidwissen über den Autor vorgetäuscht. Dunkelheiten und Lücken sind, wenn möglich, durch einen umfangreichen Kommentar im Anhang geklärt und aufgefüllt, ansonsten respektvoll gegenüber den Geheimnissen der Person Melville zur freien Verfügbarkeit des Lesers stehen gelassen." Brigitte Kronauer, Süddeutsche Zeitung, 2.1.2005 "Daniel Göske nimmt durch seine kenntnisreichen Kommentare und Erläuterungen den Leser gewissermaßen bei der Hand und führt ihn so durch dieses ereignisreiches Leben." Thomas Stölzel, tageszeitung, 4.1.2005