Mädchenpower: Yes, I can!
Wie kam es, dass die 14-jährige Holländerin Laura Dekker beinahe die gesamte europäische Presse, Gerichte sowie unzählige selbsternannte Kapazitäten auf dem Gebiet der Kindererziehung gegen sich aufbringen konnte? Die Antwort: Sie wollte segeln. Allein. Um die Welt. Als bislang Jüngste überhaupt.
Am 20. Januar 2011 war es so weit: Endlich durfte Laura Dekker zu ihrer Solo-Weltumsegelung starten. Ein Jahr und einen Tag später legte sie wieder auf der Antilleninsel St. Maarten an. Nach 27000 Seemeilen im Kielwasser, 16 Jahre alt. Und plötzlich von beinahe jedermann bejubelt. Dies alles und noch viel mehr, ihre Segelerlebnisse, ihre Tagebuchaufzeichnungen präsentiert Laura Dekker hier schonungslos ehrlich und mit dem Blick eines jungen Mädchens, das schon so viel mehr als mancher Erwachsene erlebt hat.
Wie kam es, dass die 14-jährige Holländerin Laura Dekker beinahe die gesamte europäische Presse, Gerichte sowie unzählige selbsternannte Kapazitäten auf dem Gebiet der Kindererziehung gegen sich aufbringen konnte? Die Antwort: Sie wollte segeln. Allein. Um die Welt. Als bislang Jüngste überhaupt.
Am 20. Januar 2011 war es so weit: Endlich durfte Laura Dekker zu ihrer Solo-Weltumsegelung starten. Ein Jahr und einen Tag später legte sie wieder auf der Antilleninsel St. Maarten an. Nach 27000 Seemeilen im Kielwasser, 16 Jahre alt. Und plötzlich von beinahe jedermann bejubelt. Dies alles und noch viel mehr, ihre Segelerlebnisse, ihre Tagebuchaufzeichnungen präsentiert Laura Dekker hier schonungslos ehrlich und mit dem Blick eines jungen Mädchens, das schon so viel mehr als mancher Erwachsene erlebt hat.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.2013Die Wasserfrau
Weltumseglerin Laura Dekker - ein Leben als Törn / Von Jens Uthoff
In gewisser Weise ist sie doch ein normaler Teenager. Laura Dekker sitzt an einem Tisch in einem Hamburger Verlagshaus. Sie spielt mit ihrem Smartphone, blickt genervt auf das Display: "Warum geht die Funktion nicht?" Sie drückt auf dem Handy herum. Ihr Freund will ihr das Telefon aus der Hand nehmen. Sie kabbeln sich.
Aber wenn man dieser 18-jährigen Frau eine Zeitlang zuhört, kommen einem doch eher Attribute in den Sinn, die man nicht unbedingt mit einem Teenager verbinden würde: Reife, Klarheit, Zielstrebigkeit. Selbst dann, wenn sie davon erzählt, dass sie die Schule abgebrochen hat: "Den Abschluss brauche ich nicht. Ich habe realisiert, dass man auch sehr viel lernt, wenn man Menschen aus fremden Ländern und Kulturen kennenlernt, wenn man etwas von der Welt sieht."
Laura Dekker hat bereits viel von der Welt gesehen. Sie ist die Jüngste, die je allein um die Welt segelte; der Törn der jungen Niederländerin wurde vor gut drei Jahren zum Politikum. Im August 2010 war sie - gerade 14-jährig - losgefahren. Ende Januar 2012 hatte sie es geschafft. Nun hat sie ein Buch über diese Zeit geschrieben. Es liest sich wie ein Bord-Tagebuch.
Dekker könnte darin als Botschafterin für das einfache, das unentfremdete Leben durchgehen. Denn am wenigsten versteht und verstand sie die Aufregung um ihre Weltumseglung: "Hollywood wollte einen Film machen, Oprah Winfrey wollte, dass ich komme. Ich wollte das alles nicht." Den Film zur Weltreise drehte schließlich eine Freundin, die New Yorkerin Jillian Schlesinger. Im März hatte "Maidentrip" in den Vereinigten Staaten Premiere und wird im März nächsten Jahres auch in Deutschland laufen. Mediale Öffentlichkeit mag Laura Dekker eigentlich nicht: "Ich bin dann immer froh, wenn ich wieder auf dem Wasser bin."
Die junge Niederländerin kokettiert nicht mit ihrer Scheu, man nimmt sie ihr ab. Sie ist nach Deutschland gekommen, um das Buch zu promoten - Freude macht ihr das offenbar nicht. Sie sitzt an einem großen Tisch in einem Konferenzraum mit gläserner Fensterfront. Sie wirkt zurückhaltend, aber selbstbewusst. Ab und an nimmt sie einen Schluck Wasser, guckt zu ihrem Freund Daniel herüber, der zwölf Jahre älter ist als sie und aus Bonn stammt. Und wartet auf die nächste Frage. Ob der 21. Januar 2012, der Tag, an dem sie es geschafft hatte, ein bedeutender Einschnitt in ihrem Leben gewesen sei? "Nein, es war gar keine Zäsur, ich war eine Woche an Land, dann bin ich weitergesegelt." Punkt. Das sei doch schließlich ihr Leben. Es spiele sich an Bord ab.
Auf einer Weltreise wurde sie auch geboren. Der niederländische Segelnarr Dick Dekker und seine damalige deutsche Frau, Barbara Müller, befanden sich 1995 gerade in Neuseeland, als Laura geboren wurde. Seither lebt sie fast ausschließlich an Bord - entweder im Hausboot der Familie, das im niederländischen Ort Den Osse liegt, oder unterwegs.
Mit sechs Jahren begann Laura Dekker selbst zu segeln, in einem kleinen Kindersegelboot. Sie fuhr Regatten mit, segelte fast jeden Tag. In den Ferien reiste sie allein zu den niederländischen Inseln. Mit 13 Jahren das erste Mal nach England. "Und dann hatte ich das Gefühl, es müsste was Neues kommen, ich hatte ja rund um die Niederlande alles gesehen."
Mit dem Vorhaben der Weltreise begann ein Justizkrieg: der Staat Niederlande gegen Laura Dekker und Familie. Die Eltern wollten ihre Weltumsegelung erlauben, die Behörden sperrten sich. Sie entzogen den Eltern das Sorgerecht. Heute sagt Tochter Dekker: "Die haben sich nicht diplomatisch verhalten. In so einem Fall muss man individuell entscheiden. Es mag 13-Jährige geben, die nicht mal allein mit dem Zug fahren, ich aber hatte das Segeln von klein auf gelernt."
In Laura Dekkers Tagebuch kommt ein Begriff gar nicht vor: Angst. Furcht, so sagt sie, schade nur: "An Deck ist es gefährlich, wenn man Angst hat. Man muss das Boot ja in schwierigen Situationen durch unruhiges Gewässer bringen und reagieren können." Angst empfinde sie eher, wenn sie in großen Städten unterwegs sei. "Auf See weiß ich immer, was zu tun ist."
Wasserstraßen sind ihr vertrauter als Asphalt. Ihr Boot Guppy, eine hübsche rote Gin-Fizz-Segelyacht des französischen Herstellers Jeanneau, findet im Buch stets liebevolle Erwähnung. "Es ist vielleicht ähnlich wie die Beziehung, die andere zu ihren Autos haben - das heißt, eigentlich sogar mehr, denn es ist ja gleichzeitig dein Haus", sagt sie. Ihr Lieblingsort im Segelboot: das Cockpit.
Die längste Zeit, die sie durchgehend an Bord war, waren 48 Tage. Anfangs, sagt Dekker, habe sie mit sich selbst gesprochen. "Aber das hörte sich dumm an. Dann habe ich mit dem Wind und den Wellen gesprochen", sagt sie, "sehr interessante Gespräche." Sie lacht.
Laura Dekker würde es gern ihr Leben lang so handhaben: An Land ein wenig arbeiten, um genug Geld für die Reise zu haben - am liebsten auf Tauchschiffen oder Bootsbetrieben. Und dann aber auch schnell wieder losfahren. Sie braucht nicht viel: Eine 150-Liter-Wasser-Tonne, Spaghetti, Reis. Ein paar Metallica- oder Nirvana-CDs. Donald-Duck-Hefte. Auch die Geschichten Marco Polos oder Jules Vernes findet sie interessant, aber so viel lese sie nun auch nicht an Bord. Es gibt schließlich anderes zu tun: "Nachdenken. Rumgucken." Nur mit dem Schlaf ist es manchmal schwierig: "Ich wache automatisch jede Stunde auf", sagt sie, "ich habe zwar ein Alarmsystem an Bord, aber schaue trotzdem immer, ob alles in Ordnung ist."
Im Tagebuch beschreibt die Niederländerin stets sehr plastisch, was sie sieht, was sie hört, was sie spürt. Es finden sich viele Ausdrücke des Staunens, des Entdeckens, des Erschreckens. Während Dekker im Interview einen erwachsenen Eindruck macht, klingt sie in Schwarz auf Weiß auch manchmal so: Mannomann, Hmpf, Argh, Yeah. Die Lektüre ist erfrischend.
Heute lebt Laura Dekker - wenn sie an Land ist - mit ihrem Freund in Neuseeland nahe Whangarei, der Stadt, in der sie geboren wurde. Eine gemeinsame Weltreise steht auf dem Plan. Ihr Solo-Törn findet übrigens noch immer keine Erwähnung im Guinness-Buch der Rekorde - man will junge Menschen nicht dazu ermutigen, sie zu unterbieten. In vergangenen Zeitaltern wäre Laura Dekker vielleicht ein ganz normaler Teenager gewesen. Heute ist sie uns seltsam fremd, diese natürliche junge Frau, die nichts will als nur auf dem Wasser sein.
"Laura Dekker. Ein Mädchen, ein Traum".
Delius Klasing Verlag. 324 Seiten, 19,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Weltumseglerin Laura Dekker - ein Leben als Törn / Von Jens Uthoff
In gewisser Weise ist sie doch ein normaler Teenager. Laura Dekker sitzt an einem Tisch in einem Hamburger Verlagshaus. Sie spielt mit ihrem Smartphone, blickt genervt auf das Display: "Warum geht die Funktion nicht?" Sie drückt auf dem Handy herum. Ihr Freund will ihr das Telefon aus der Hand nehmen. Sie kabbeln sich.
Aber wenn man dieser 18-jährigen Frau eine Zeitlang zuhört, kommen einem doch eher Attribute in den Sinn, die man nicht unbedingt mit einem Teenager verbinden würde: Reife, Klarheit, Zielstrebigkeit. Selbst dann, wenn sie davon erzählt, dass sie die Schule abgebrochen hat: "Den Abschluss brauche ich nicht. Ich habe realisiert, dass man auch sehr viel lernt, wenn man Menschen aus fremden Ländern und Kulturen kennenlernt, wenn man etwas von der Welt sieht."
Laura Dekker hat bereits viel von der Welt gesehen. Sie ist die Jüngste, die je allein um die Welt segelte; der Törn der jungen Niederländerin wurde vor gut drei Jahren zum Politikum. Im August 2010 war sie - gerade 14-jährig - losgefahren. Ende Januar 2012 hatte sie es geschafft. Nun hat sie ein Buch über diese Zeit geschrieben. Es liest sich wie ein Bord-Tagebuch.
Dekker könnte darin als Botschafterin für das einfache, das unentfremdete Leben durchgehen. Denn am wenigsten versteht und verstand sie die Aufregung um ihre Weltumseglung: "Hollywood wollte einen Film machen, Oprah Winfrey wollte, dass ich komme. Ich wollte das alles nicht." Den Film zur Weltreise drehte schließlich eine Freundin, die New Yorkerin Jillian Schlesinger. Im März hatte "Maidentrip" in den Vereinigten Staaten Premiere und wird im März nächsten Jahres auch in Deutschland laufen. Mediale Öffentlichkeit mag Laura Dekker eigentlich nicht: "Ich bin dann immer froh, wenn ich wieder auf dem Wasser bin."
Die junge Niederländerin kokettiert nicht mit ihrer Scheu, man nimmt sie ihr ab. Sie ist nach Deutschland gekommen, um das Buch zu promoten - Freude macht ihr das offenbar nicht. Sie sitzt an einem großen Tisch in einem Konferenzraum mit gläserner Fensterfront. Sie wirkt zurückhaltend, aber selbstbewusst. Ab und an nimmt sie einen Schluck Wasser, guckt zu ihrem Freund Daniel herüber, der zwölf Jahre älter ist als sie und aus Bonn stammt. Und wartet auf die nächste Frage. Ob der 21. Januar 2012, der Tag, an dem sie es geschafft hatte, ein bedeutender Einschnitt in ihrem Leben gewesen sei? "Nein, es war gar keine Zäsur, ich war eine Woche an Land, dann bin ich weitergesegelt." Punkt. Das sei doch schließlich ihr Leben. Es spiele sich an Bord ab.
Auf einer Weltreise wurde sie auch geboren. Der niederländische Segelnarr Dick Dekker und seine damalige deutsche Frau, Barbara Müller, befanden sich 1995 gerade in Neuseeland, als Laura geboren wurde. Seither lebt sie fast ausschließlich an Bord - entweder im Hausboot der Familie, das im niederländischen Ort Den Osse liegt, oder unterwegs.
Mit sechs Jahren begann Laura Dekker selbst zu segeln, in einem kleinen Kindersegelboot. Sie fuhr Regatten mit, segelte fast jeden Tag. In den Ferien reiste sie allein zu den niederländischen Inseln. Mit 13 Jahren das erste Mal nach England. "Und dann hatte ich das Gefühl, es müsste was Neues kommen, ich hatte ja rund um die Niederlande alles gesehen."
Mit dem Vorhaben der Weltreise begann ein Justizkrieg: der Staat Niederlande gegen Laura Dekker und Familie. Die Eltern wollten ihre Weltumsegelung erlauben, die Behörden sperrten sich. Sie entzogen den Eltern das Sorgerecht. Heute sagt Tochter Dekker: "Die haben sich nicht diplomatisch verhalten. In so einem Fall muss man individuell entscheiden. Es mag 13-Jährige geben, die nicht mal allein mit dem Zug fahren, ich aber hatte das Segeln von klein auf gelernt."
In Laura Dekkers Tagebuch kommt ein Begriff gar nicht vor: Angst. Furcht, so sagt sie, schade nur: "An Deck ist es gefährlich, wenn man Angst hat. Man muss das Boot ja in schwierigen Situationen durch unruhiges Gewässer bringen und reagieren können." Angst empfinde sie eher, wenn sie in großen Städten unterwegs sei. "Auf See weiß ich immer, was zu tun ist."
Wasserstraßen sind ihr vertrauter als Asphalt. Ihr Boot Guppy, eine hübsche rote Gin-Fizz-Segelyacht des französischen Herstellers Jeanneau, findet im Buch stets liebevolle Erwähnung. "Es ist vielleicht ähnlich wie die Beziehung, die andere zu ihren Autos haben - das heißt, eigentlich sogar mehr, denn es ist ja gleichzeitig dein Haus", sagt sie. Ihr Lieblingsort im Segelboot: das Cockpit.
Die längste Zeit, die sie durchgehend an Bord war, waren 48 Tage. Anfangs, sagt Dekker, habe sie mit sich selbst gesprochen. "Aber das hörte sich dumm an. Dann habe ich mit dem Wind und den Wellen gesprochen", sagt sie, "sehr interessante Gespräche." Sie lacht.
Laura Dekker würde es gern ihr Leben lang so handhaben: An Land ein wenig arbeiten, um genug Geld für die Reise zu haben - am liebsten auf Tauchschiffen oder Bootsbetrieben. Und dann aber auch schnell wieder losfahren. Sie braucht nicht viel: Eine 150-Liter-Wasser-Tonne, Spaghetti, Reis. Ein paar Metallica- oder Nirvana-CDs. Donald-Duck-Hefte. Auch die Geschichten Marco Polos oder Jules Vernes findet sie interessant, aber so viel lese sie nun auch nicht an Bord. Es gibt schließlich anderes zu tun: "Nachdenken. Rumgucken." Nur mit dem Schlaf ist es manchmal schwierig: "Ich wache automatisch jede Stunde auf", sagt sie, "ich habe zwar ein Alarmsystem an Bord, aber schaue trotzdem immer, ob alles in Ordnung ist."
Im Tagebuch beschreibt die Niederländerin stets sehr plastisch, was sie sieht, was sie hört, was sie spürt. Es finden sich viele Ausdrücke des Staunens, des Entdeckens, des Erschreckens. Während Dekker im Interview einen erwachsenen Eindruck macht, klingt sie in Schwarz auf Weiß auch manchmal so: Mannomann, Hmpf, Argh, Yeah. Die Lektüre ist erfrischend.
Heute lebt Laura Dekker - wenn sie an Land ist - mit ihrem Freund in Neuseeland nahe Whangarei, der Stadt, in der sie geboren wurde. Eine gemeinsame Weltreise steht auf dem Plan. Ihr Solo-Törn findet übrigens noch immer keine Erwähnung im Guinness-Buch der Rekorde - man will junge Menschen nicht dazu ermutigen, sie zu unterbieten. In vergangenen Zeitaltern wäre Laura Dekker vielleicht ein ganz normaler Teenager gewesen. Heute ist sie uns seltsam fremd, diese natürliche junge Frau, die nichts will als nur auf dem Wasser sein.
"Laura Dekker. Ein Mädchen, ein Traum".
Delius Klasing Verlag. 324 Seiten, 19,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main