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Jean Giono hat singuläre Meisterwerke der französischen Literatur seiner Epoche geschaffen. In Deutschland ist er bis heute ein großer Unbekannter geblieben. Ein Mensch allein - 1946 geschrieben, vom 1. September bis 10. Oktober, ist das erste von Jean Gionos Büchern nach dem Krieg. Berühmt ist er geworden mit Büchern, die das scheinbar ferne archaische Leben der Haute- Provence beschworen haben.
Ein Bergdorf, dicht unter den Wolken und vom Schnee erstickt. Menschen verschwinden spurlos. Capitaine Langlois, ein ehemaliger Kolonialsoldat, richtet sich mit seinen sechs Gendarmen in einem
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Produktbeschreibung
Jean Giono hat singuläre Meisterwerke der französischen Literatur seiner Epoche geschaffen. In Deutschland ist er bis heute ein großer Unbekannter geblieben. Ein Mensch allein - 1946 geschrieben, vom 1. September bis 10. Oktober, ist das erste von Jean Gionos Büchern nach dem Krieg. Berühmt ist er geworden mit Büchern, die das scheinbar ferne archaische Leben der Haute- Provence beschworen haben.

Ein Bergdorf, dicht unter den Wolken und vom Schnee erstickt. Menschen verschwinden spurlos. Capitaine Langlois, ein ehemaliger Kolonialsoldat, richtet sich mit seinen sechs Gendarmen in einem Gasthaus ein und spürt den erahnten Verbrechen nach. Ein Baum, eine Buche, der »zitherspielende Apoll unter den Buchen«, birgt das Geheimnis.

Langlois stellt den Mörder, er spricht das Urteil ohne Gericht - und er vollzieht es. Dann nimmt er seinen Abschied. Aber er kehrt zurück als Major des Wolfsjagdkorps. Er spürt den Wölfen nach. Er möchte sich im Dorf einrichten, Teil der Gemeinschaft werden, er findet eine Frau. Aber er ist: ein Mensch allein. Hochmütig und abweisend. Nur vertraut mit Gewalt und mit dem Tod.

In dieser einsamen Bergwelt wird Langlois, von dessen Leben in einem vielstimmigen Bericht über die Zeiten hinweg und im Tonfall und der Tradition mündlicher Überlieferung erzählt wird, zur faszinierenden Gestalt. Seine Deutung aber überlässt uns Jean Giono. Er zitiert Blaise Pascal, den Philosophen, den Mathematiker und Moralisten, im Titel des französischen Originals - »ein König ohne Vergnügen«. Das ist ein Mensch allein, ein Mensch voller Not?
Autorenporträt
Jean Giono (1895-1970) kehrte als Pazifist aus dem Soldatendienst im Ersten Weltkrieg zurück in seinen Heimatort. Sein Romandebüt 1930 brachte ihm augenblicklichen Erfolg und die Anerkennung seiner Schriftstellerkollegen ein. Er entdeckte Herman Melville für Frankreich und übersetzte dessen Moby Dick - nicht zuletzt die Aufnahme in die Académie Goncourt und in die Ehrenlegion zeugen von seiner Stellung im literarischen Frankreich, die er bis heute einnimmt
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Wolfgang Schneider weiß, dass Jean Giono lange Zeit im Ruf eins politisch Suspekten stand, weil er sich nach dem Ersten Weltkrieg weigert, auch noch im Zweiten zu kämpfen. Umso erstaunlicher findet Schneider die "durchaus unpazifistische Gewaltfaszination", die aus diesem Roman von 1946 spricht, in dem der französische Autor die Geschichte eines Bergdorfs in den Westalpen erzählt, in dem ein Polizeioffizier erst auf Wolfs- und Menschenjagd geleichermaßen geht. Manchmal wird die Geschichte dem Rezensenten zwar zu ominös, aber die kraftvolle Sprache mach den Roman zu einer großen Lektüre, versichert Schneider, der vor allem die bürgerliche Welt aus "Ehrbarkeit und Camembert" treffend geschildert findet.   

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.06.2019

Das ist Victor Hugo on the rocks
Erst wie ein Krimi, dann psychologisch ohne Psychologie: Jean Gionos erster Nachkriegsroman "Ein Mensch allein" von 1947 in neuer Übersetzung

Manche Werke fallen einem zu wie gefrorene Früchte: Kaum sind sie aufgetaut, wundert man sich, so frisch wirken sie, knackig, saftig, wie eben gepflückt. So geht es dem Leser mit Jean Gionos Roman "Ein Mensch allein" (1947): Seine 72 Jahre merkt man dem Werk nicht an, es wirkt wie ein Zeitgenosse von Céline Minard, deren lebhafter Stil mit einem Schlag in einer ungeahnten Kontinuität erscheint. Und so lässt man sich rasch darauf ein, wird mitgerissen, denn das, was Giono zu erzählen hat, ist spannend: erst wie ein Krimi, dann psychologisch, ohne Psychologie zu betreiben.

"Ein Mensch allein" erzählt von einem namenlosen Dorf, das - so machen Nachwort und ein Blick auf die Karte plausibel - Lalley im Departement Isère sein muss, gut 60 Kilometer südlich von Grenoble am Rande des Vercors gelegen. Es ist eine karge Berggegend Frankreichs, die in den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts Jahren noch isolierter gewesen sein muss - die Handlung spielt unter Bürgerkönig Louis-Philippe. Erzählt werden drei Geschichten in einer: eine Kriminalgeschichte, im Laufe derer Monsieur V. aus dem Nachbarort Chichilianne mehrere Winter lang in Lalley mordet und schließlich von Gendarmerie-Hauptmann Langlois hingerichtet wird. Eine Waidmannsgeschichte: Langlois organisiert eine Wolfsjagd und erlegt einen Prachtkerl. Ein Brautwerben: Langlois will heiraten und wird dabei von der ehemaligen Prostituierten Saucisse sowie der bourgeoisen Madame Tim geleitet.

Der Roman scheint in Episoden zu zerfallen, zudem kommen wechselnde Erzähler zum Einsatz, mal anonym, mal bekannt (Saucisse übernimmt in Teil drei). Kontinuität entsteht zum einen durch den mündlichen Erzählstil, der stets unverstellt, mitunter derb daherkommt, des Dorfes Seele sozusagen. Perspektive und Thema nähern diesen oralen Stil weniger Louis-Ferdinand Céline als dem chorischen Erzählen eines Giovanni Verga, der ebenfalls die Dorfwelt eines archaischen Südens inszeniert. Einheit schafft zum anderen der Held: Langlois wird als inoffizieller König des Örtchens gezeigt. Schließlich durchzieht das Thema elementarer Gewalt den Roman.

Was sich deutlich wandelt, ist die Atmosphäre. Der erste Teil malt eine schneebedeckte Bergwelt, die von mysteriös-monströsen Taten heimgesucht wird. Langlois erscheint als kompetenter Ermittler, der dem Geschehen jedoch nachgeordnet ist; die Lösung des Falls gelingt einem Dorfbewohner eher zufällig. Der Hauptmann stellt und exekutiert den Täter, reicht dann seinen Rücktritt ein. Der zweite Teil verabschiedet sich von der Krimi-Handlungskette und widmet sich dem exzentrischen Charakter. Langlois kehrt nach einem Jahr zurück: "Der Reiter hatte einen bis zum Hals geknöpften, sehr eng gegürteten Gehrock ohne Uniformschnüre, aber einen breitrandigen Klappzylinder von seltener Vermessenheit. Die Ausmaße, das Profil, das Haar, die Art, wie er auf die Seite und doch ein wenig in die Stirn geschoben war, die Geschicklichkeit, derer es bedurfte, um ihn bei den Volten und Passaden im Gleichgewicht zu halten, machten aus dem Hut eine Art Fußtritt in den kollektiven und runden Hintern all derer, die ihn betrachteten." Der Inszenierung von Charisma folgt im dritten Teil eine scheinbar ziellose Szenenfolge, in der Langlois immer ungreifbarer wird.

Die Gestalt "mönchisch" und "militärisch", das Gebaren souverän und distanziert: "Dieses schweigsame, kalte Gesicht, diese Augen, die durch die Berge hindurch man wusste nicht was beobachteten, verbargen zweifellos die Mechanik der Berechnung, ohne berechnend zu sein." Langlois scheint die Gunst höherer Kreise zu genießen, ist mit dem Königlichen Staatsanwalt befreundet; sein eigenmächtiges Justizverständnis im Fall V. hat ihm nicht geschadet. Die Landbevölkerung umkreist den Mann, nähert sich ihm über sein Pferd. Auf der Wolfsjagd, welche die Menschenjagd spiegelt, beim Besuch bei einer Stickerin, die wohl die Witwe des Mörders ist, oder bei der Brautschau in Grenoble: Der Protagonist bewegt sich in einer eigenen Welt und gibt "allem einen feierlichen Charakter". Was aber verbirgt die monarchische Aura? Nichts, hat Pierre Michon in "Le roi vient quand il veut" behauptet: "Dass er diese leere, leere, völlig leere Figur des Langlois finden konnte . . . Nietzsches gesamtes Werk reicht nicht an Langlois heran!"

Es ist die Dialektik von Fülle und Leere, die den Roman im Grunde beherrscht; der Originaltitel "Un roi sans divertissement" ("Ein König ohne Ablenkung"), der ein Pascal-Fragment zur Absurdität der irdischen Existenz zitiert, legt das gleichfalls nahe.

"Ein Mensch allein" markiert einen Wendepunkt im Werk. In den dreißiger Jahren war Jean Giono (1895 bis 1970), Autor der Landutopie "Bleibe, meine Freude" (1934), einer der wichtigsten Intellektuellen Frankreichs, eine pazifistische, antikapitalistische Stimme. Obwohl seine politischen Sympathien links lagen, war seine regionale Verwurzelung nach rechts anschlussfähig. Die deutsche Besatzung brachte ihn in eine heikle Lage: Pazifismus erschien nun als Feigheit oder gar Kollaboration - Giono, durch die Erfahrung des Ersten Weltkriegs geprägt, wollte jedoch nicht davon abrücken. Auch wenn sein Prozess nach der Befreiung keinen Beweis gegen ihn erbrachte: Dem Romancier haftete fortan etwas an. Wolfgang Matz' Essay arbeitet das konturiert heraus - einen besseren Kenner der Zeitläufte hätte man sich kaum denken können als den Autor von "Frankreich gegen Frankreich", einem Buch, das Gionos Situation bereits auslotet.

"Ein Mensch allein", Gionos erster Nachkriegsroman, hat die utopische Bahn verlassen: Wie die zeitgleich projektierten Angelo-Romane, zu denen Gionos bekanntestes Werk "Der Husar auf dem Dach" (1951) gehört, wendet er sich dem 19. Jahrhundert zu. In einem kaustischen, fast reihenden, dann wieder getriebenen Stil beschreibt er Vorgänge, ohne sie zu entschlüsseln, kultiviert Landschaften und Menschen, die sich nicht recht preisgeben. Die Psyche der Figuren lässt sich nur ausschnittsweise greifen, und das (pyrotechnisch anachronistische) Ende überrascht: "Es war Langlois' Kopf, der endlich die Dimensionen des Universums annahm." Victor Hugo on the rocks.

In Frankreich erfreut sich Giono großer Beliebtheit, "Ein Mensch allein" findet sich in mehreren Ausgaben, auch für den Schulgebrauch. Mehr noch, Schriftsteller wie Michon sehen in Giono ein Modell für regional verwurzelte Autoren, die es im zentralistischen Nachbarland schwer haben. In Deutschland hingegen ist er wenig gelesen und "Ein Mensch allein" nur antiquarisch, in der Übersetzung von Richard Herre (1951), zu haben. Höchste Zeit für neue Ausgaben: Die der "Anderen Bibliothek" bereitet die gewohnte Freude - wie bedauerlich, dass keine Fortsetzung geplant ist.

NIKLAS BENDER

Jean Giono: "Ein Mensch

allein. Chroniken 1". Roman. Aus dem Französischen

von Caroline Vollmann. Mit einem Essay von Wolfgang Matz zu Leben und Werk von Jean Giono. Die Andere Bibliothek, Berlin 2018. 288 S., geb., 42,- [Euro].

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"Seine 72 Jahre merkt man dem Werk nicht an, es wirkt wie ein Zeitgenosse von Céline Minard, deren lebhafter Stil mit einem Schlag in einer ungeahnten Kontinuität erscheint. Und so lässt man sich rasch darauf ein, wird mitgerissen, denn das, was Giono zu erzählen hat, ist spannend: erst wie ein Krimi, dann psychologisch, ohne Psychologie zu betreiben." Frankfurter Allgemeine Zeitung 20190625