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Zum ersten Mal vollständig erschlossen: Lion Feuchtwangers bislang unveröffentlichte Tagebücher. Der konfliktreiche Weg eines vielseitigen Literaten zum international anerkannten Romancier und Weltbürger. Zum ersten Mal gedruckt: Lion Feuchtwangers im Verborgenen geführte Tagebücher aus den Jahren 1906 bis 1940. Entdeckt wurden sie erst in den neunziger Jahren in Los Angeles in der Wohnung seiner Sekretärin, wo er sie in der McCarthy-Ära wohl ihrer Brisanz wegen versteckt hatte. Die vorliegende Edition basiert auf der Transkription der Handschrift und einer mühevollen Entzifferung sämtlicher…mehr

Produktbeschreibung
Zum ersten Mal vollständig erschlossen: Lion Feuchtwangers bislang unveröffentlichte Tagebücher. Der konfliktreiche Weg eines vielseitigen Literaten zum international anerkannten Romancier und Weltbürger. Zum ersten Mal gedruckt: Lion Feuchtwangers im Verborgenen geführte Tagebücher aus den Jahren 1906 bis 1940. Entdeckt wurden sie erst in den neunziger Jahren in Los Angeles in der Wohnung seiner Sekretärin, wo er sie in der McCarthy-Ära wohl ihrer Brisanz wegen versteckt hatte. Die vorliegende Edition basiert auf der Transkription der Handschrift und einer mühevollen Entzifferung sämtlicher in Kurzschrift verschlüsselten Teile. Der Tagebuchschreiber erweist sich als ein vorbehaltlos offener Chronist des eigenen bewegten Lebens sowie zentraler Kapitel deutscher Geschichte. Der Mensch Feuchtwanger konnte noch nie so vielschichtig präsentiert werden, mit all seinen Eigenheiten, Schwächen und einzigartigen Stärken. »Feuchtwanger ohne Filter.« Mit einem Vorwort von Klaus Modick. »Wir erleben Feuchtangers Leben als einen dramatischen Roman jener Jahre, das Leben eines jüdischen Deutschen, der sich stets als Internationalist betrachtete.« Volker Weidermann, Der Spiegel. »Die Tagebücher Lion Feuchtwangers erzählen von den Zwängen der Sexualität und einem Schriftstellerleben im Zeitalter der Totalitarismen.« Richard Kämmerlings, Literarische Welt. »Nun muss der Kanon seiner Werke um ein weiteres ergänzt werden, das nie zur Veröffentlichung bestimmt war: die Tagebücher, in denen er fast täglich Begegnungen und Vorkommnisse festhielt ... Wie ein pointilistisches Gemälde setzen diese vielen kleinen Punkte sich zu einem Panorama von wahrhaft weltgeschichtlichem Ausmaß zusammen. Wo immer man beginnt, man liest sich fest und liest am liebsten sogleich weiter in den Feuchtwanger-Romanen.« Tobias Döring, F.A.Z. »Ein beeindruckender Blick auf das letzte Jahrhundert und einen seiner bestvernetzten Schriftsteller.« Judith Heitkamp, Bayerischer Rundfunk.

Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Lion Feuchtwanger, 1884-1958, war Romancier und Weltbürger. Seine Romane erreichten Millionenauflagen und sind in über 20 Sprachen erschienen. Als Lion Feuchtwanger mit 74 Jahren starb, galt er als einer der bedeutendsten Schriftsteller deutscher Sprache. Die Lebensstationen von München über Berlin, seine ausgedehnten Reisen bis nach Afrika, das Exil im französischen Sanary-sur-Mer und im kalifornischen Pacific Palisades haben den Schriftsteller, dessen unermüdliche Schaffenskraft selbst von seinem Nachbarn in Kalifornien, Thomas Mann, bestaunt wurde, zu einem ungewöhnlich breiten Wissen und kulturhistorischen Verständnis geführt. 15 Romane sowie Theaterstücke, Kurzgeschichten, Berichte, Skizzen, Kritiken und Rezensionen hatten den Freund und Mitarbeiter Bertold Brechts zum "Meister des historischen und des Zeitromans" (Wilhelm von Sternburg) reifen lassen. Mit seiner "Wartesaal-Trilogie" erwies sich der aufklärerische Humanist als hellsichtiger Chronist Nazi-Deutschlands. Nele Holdack hat u. a. Werke von Hans Fallada und Victor Klemperer, Lion Feuchtwanger und Mark Twain, Tillie Olsen und Brigitte Reimann herausgegeben. Marje Schuetze-Coburn, Bibliothekarin der Feuchtwanger Memorial Library an der University of Southern California, zahlreiche Veröffentlichungen über das Exilleben in Los Angeles. Michaela Ullmann, lange Jahre Bibliothekarin der Exile Studies Libraries, zahlreiche Publikationen zu den Themen Exil und Exilsammlungen.   
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.01.2019

Wenn es strindbergelt, droht Beziehungsdrama
Wie ein pointilistisches Gemälde: Lion Feuchtwangers Tagebücher erscheinen erstmals als Leseausgabe

Die "Frankfurter Zeitung" war lange seine größte Hoffnung. Seinen Aufsatz über Shylock, Shakespeares Judenfigur, auf den deutschen Bühnen nahm sie nicht nur zügig an und druckte ihn bereits nach gut vier Wochen; sie wies zwei Tage später sogar noch einmal "sehr anerkennend" und ausdrücklich auf diese "ausgezeichnete" Studie hin: "sehr zufriedenstellend", wie der Münchner Autor, fünfundzwanzigjährig und voll heißer Ambition, sich einen Platz im literarischen Establishment zu schaffen, festhält. Weniger zufrieden ist er mit der Honorierung seiner Arbeit durch die Zeitung: "Höchste Geldnot!", liest man einige Zeit später. "Das Honorar von der F.Z., das ich schrecklich nötig brauche, kommt nicht." Zu dieser Notlage trägt allerdings der Umstand bei, dass der aufstrebende Jungautor trotz bester Vorsätze, wie ebenfalls im Tagebuch notiert ("festen Entschluss, keine Karte mehr zu berühren"), seiner Spielsucht nicht entkommt. Dagegen kommen Zahlungen selbst der renommiertesten Zeitung nicht an.

So sind die frühen Jahre seiner regen Auftrags- und Gelegenheitsschriftstellerei - neben Theaterstücken, die mit einigem Erfolg gespielt werden, entstehen viele Feuilletons und Rezensionen - lang und entbehrungsreich, nicht zuletzt weil er die Einkünfte oft schnell wieder verspielt. Auch die Romanfassung "Jud Süß", zu der er sein Bühnenskript erweitert hat, bringt zunächst keine Besserung, da in den frühen zwanziger Jahren kein Verlag ein derart heißes Thema bringen will. Als der Roman 1925 doch erscheint, braucht es erst die internationale Anerkennung durch die englische Ausgabe, um ihn endlich auch in Deutschland durchzusetzen. Fast über Nacht wird Lion Feuchtwanger (1884 bis 1958) zu einem der erfolgreichsten, produktivsten und meistgelesenen deutschen Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts. Zwanzig Jahre nach dem Warten auf das Zeitungshonorar kann er daher notieren: "Ich genieße viel Respekt."

Fünfzehn Romane, mehr als ein Dutzend Schauspiele, dazu viele Erzählungen und Reportagen sowie unzählige Rezensionen, Kritiken und Berichte hat er in rastloser Schreibarbeit verfasst und sich damit - neben Millionen Lesern in rund zwanzig Sprachen - Respekt und Freundschaft so unterschiedlicher Kollegen wie Bertolt Brecht und Thomas Mann, mit denen er zeitweise das Exil in Südfrankreich sowie Kalifornien teilte, verschafft. Nun muss der Kanon seiner Werke um ein weiteres ergänzt werden, das nie zur Veröffentlichung bestimmt war und sechzig Jahre nach Feuchtwangers Tod jetzt erstmals in einer bestens präsentierten Leseausgabe vorliegt: die Tagebücher, in denen er fast täglich Begegnungen und Vorkommnisse festhielt.

Anfang der neunziger Jahre waren sie ein Zufalls- und ein Sensationsfund: die schlichten schwarzen Hefte, eng beschrieben, die sich im Nachlass von Feuchtwangers letzter Sekretärin fanden. Auf öffentliche Nachfrage hatte der Autor 1931 ausdrücklich bestritten, dass er Tagebuch führe, und sich mit einigem Spott über die Akte von Selbststilisierung und Wunschprojektion ausgelassen, zu denen dieses Genre üblicherweise verführe. Seine eigene Praxis darin hielt er denn auch strikt geheim: Er verwendete Kurzschrift, und er verbarg die erhaltenen Hefte mutmaßlich bei der Sekretärin, um in der McCarthy-Ära als staatenloser linker Sympathisant, der sich sein Zuhause in Pacific Palisades geschaffen hatte, nichts Kompromittierendes zu bieten. Was also bieten sie uns, wenn wir sie jetzt Jahrzehnte später lesen?

Erstaunlich viel und Faszinierendes, gerade weil sie fast durchweg in äußerst dürren Worten daherkommen: "Bei herrlichem Wetter nach Cannes gefahren. Marta sehr nett. Eva an der Bahn. Erst beiderseitig ein bißchen Befangenheit. Dann spazierengegangen. Besonders nett zu Abend gegessen. Furchtbar gevögelt. Großartig." So lautet der Eintrag vom 25. April 1937. Knochentrocken und lakonisch hält er noch die größten Erschütterungen, die man vielleicht erahnen mag, ganz unbeeindruckt fest, als habe Feuchtwanger seine eigentlich barocke Wortgewalt, von der seine Erzählwerke so reichlich zeugen, für Wichtigeres aufgehoben. In den Tagebüchern findet sich dagegen, wie Klaus Modick im Vorwort schreibt, "nicht das leiseste Zwinkern in Richtung Nachwelt". So lesen wir wie über des Autors Schulter, was er sich allein mitzuteilen hat.

Dazu verwendet er zum Teil ganz eigenes Vokabular: das Verb "strindbergeln" beispielsweise, das sich regelmäßig in Verbindung mit seiner Ehefrau findet: "Marta strindbergelt leicht", heißt es da, oder "strindbergelt furchtbar" oder auch "kleine Strindbergiade beiderseits". Tatsächlich nehmen die Beziehungsdramen - neben seiner Frau war Feuchtwanger jahrzehntelang mit mindestens zwei Geliebten und zahllosen wechselnden Gelegenheitsdamen verbunden - bemerkenswert großen Raum ein und drängen das politische Geschehen in den Hintergrund. Erst zwei Monate vor dem Cannes-Ausflug war er in Moskau, wo auch Stalin ihn empfangen hat. Hitler steht auf dem Zenit seiner Macht, die Welt vor dem Krieg. Der Exilant jedoch notiert, mit wem er essen und ins Bett geht. Noch die größten Lebensumwälzungen werden derart knapp protokolliert, dass es uns den Atem nimmt: "Eine neue Schreibmaschine gekauft. Neues Leben" steht am 24. März 1933, dem Beginn seines Exils. Feuchtwanger war von der Amerika-Reise vorsorglich nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt. Sechs Wochen später wurden dort seine Bücher verbrannt.

Selbstreflexionen oder Schilderungen finden sich nur ganz vereinzelt. Den größten Raum in den hier nachlesbaren Einträgen (erhalten sind die Aufzeichnungen 1906 bis 1921 und 1931 bis 1940, von deren Umfang rund die Hälfte präsentiert wird) nehmen persönliche Begegnungen ein, private ebenso wie literarische, sexuelle ebenso wie professionelle. So gut wie alle davon bleiben knapp und pointiert ("der widerliche Arnold Zweig", "Ein junger Mensch bringt ein ausgezeichnetes Stück. Bert Brecht", "zu einer Hure. Billig und ganz nett", "mit einem Kölner Kaufmann zusammen, einem fixen, gutmütigen Kerl, Antisemit") und lassen sich oft nur durch Hilfestellung der Herausgeber (allein ihr Personenverzeichnis erstreckt sich über 75 Seiten) überhaupt erschließen.

Wie ein pointilistisches Gemälde aber setzen diese vielen kleinen Punkte sich zu einem großen Panorama von wahrhaft weltgeschichtlichem Ausmaß zusammen. Wo immer man beginnt, man liest sich fest und liest am liebsten sogleich weiter in den Feuchtwanger-Romanen, die man viel zu lange nicht gelesen hat.

TOBIAS DÖRING.

Lion Feuchtwanger: "Ein möglichst intensives Leben". Die Tagebücher.

Herausgegeben von Nele Holdack, Marje Schuetze-Coburn und Michaela Ullmann unter Mitarbeit von Anne Hartmann und Klaus-Peter Möller. Vorwort von Klaus Modick. Aufbau Verlag, Berlin 2018. 639 S., geb., 26,- [Euro].

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»Wie ein pointilistisches Gemälde setzen viele kleine Punkte sich zu einem großen Panorama von wahrhaft weltgeschichtlichem Ausmaß zusammen. Wo immer man beginnt, man liest sich fest und liest am liebsten sogleich weiter in den Feuchtwanger-Romanen.« Frankfurter Allgemeine Zeitung 20190115