Das Gedeihen der Erdfrüchte zählt in einer vorwiegend landwirtschaftlich ausgerichteten Gemeinschaft zu den wichtigsten Problemen. Die Kenntnis der günstigsten Aussaatzeit gehörte daher zu den bedeutendsten Fragen, die mangels technischer Hilfsmittel u.a. auch mit Hilfe von Orakeln zu beantworten versucht wurden. Eine Quelle vom Beginn des 15. Jahrhunderts sowie Belege vom 19. und 20. Jahrhundert berichten von einem Orakel, bei dem der Orakelsucher drei Ähren aus der frischen Ernte entnahm und sie hintereinander, morgens, mittags und abends, unter Gebet an einem besonderen Ort einpflanzte. Jede Ähre bezog sich auf einen Saattermin, nämlich auf einen frühen, mittleren oder späten, wobei die in der weiteren Entwicklung am besten gedeihende Ähre den günstigsten Saattermin anzeigte. Ein aus dem oberösterreichischen Mühlviertel stammender Beleg berichtet, dass dieses Orakel am Fest Mariä Himmelfahrt vorgenommen wurde. Die volkskundliche Einordnung des Orakels, seine Verflechtungen mitdem Brauchtum und mit der Volksreligion sowie seine historische Entwicklung sind Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.