Leben heißt Veränderung
„Erst mit dir ist alles vollständig geworden. Ich dachte früher, es muss der Sohn sein, der alles weiterführt. Ich habe mich getäuscht … Die Töchter werden es tun, meine 4 Töchter …“ (S. 346)
Lange haben Miri und ihre Halbschwestern auf die Anerkennung ihres Vaters
Friedrich Thalheim warten müssen, stammt er doch noch aus einer Generation, in der nur die Söhne etwas…mehrLeben heißt Veränderung
„Erst mit dir ist alles vollständig geworden. Ich dachte früher, es muss der Sohn sein, der alles weiterführt. Ich habe mich getäuscht … Die Töchter werden es tun, meine 4 Töchter …“ (S. 346)
Lange haben Miri und ihre Halbschwestern auf die Anerkennung ihres Vaters Friedrich Thalheim warten müssen, stammt er doch noch aus einer Generation, in der nur die Söhne etwas galten. Dabei beweisen Silvie, Rike, Flori und Miri seit Jahren ihr Können im Familienunternehmen, dem Kaufhaus Thalheim.
Doch jetzt, Ende der 60er Jahre, sind die Welt, Deutschland und Berlin wieder einmal im Wandel. Die Haare und Röcke werden kürzer, die Klamotten und Musik schriller, das Leben freier. Wenn das Thalheim mit der Zeit gehen will, muss sich was ändern, finden die Schwestern. Sie wollen ihren Vater überzeugen, aus dem Kaufhaus „Thalheim City“ zu machen – lauter kleine Shops und abgeschlossene Abteilungen, in denen die verschiedenen Geschmäcker der KundInnen thematisch bedient werden können.
„Einen vertrauten Ort aufzugeben, fühlte sich für Miri an, als würde ihr erneut der Boden unter den Füßen weggezogen. … wer sich wie sie unter dem Naziregime als Flitzer zwei endlose Jahre in geheimen Kammern, abgelegenen Bauernhöfen oder Lauben hatte verstecken müssen, in der der ständigen Angst, gefasst, deportiert und getötet zu werden, konnte sich nicht mit einem Fingerschnipsen in neuen vier Wänden einleben.“ (S. 17)
Auch privat steht Miris Leben Kopf. Ihre Adoptivtochter Jenny ist in der Pubertät und sie ziehen gerade um als sie feststellt, dass sie mit Anfand 40 endlich schwanger ist – dabei hatte sie diese Hoffnung längt begraben. Dann begegnet sie auch noch ihrer ersten Liebe wieder, dem Mann, der ihr im Krieg geholfen hatte.
Genauso spannend, aufregend und abwechslungsreich wie die damalige Zeit war, erzählt Brigitte Riebe jetzt Miris Geschichte. Die bisher stets so starke Frau gerät an ihre Grenzen. Ihr Baby ist ein Schreikind, die große Tochter wird immer aufmüpfiger, ihre Ehe plätschert nur noch vor sich hin und die aktuellen Begebenheiten katapultieren sie immer wieder in die Nazizeit zurück, lassen sie die Schrecken noch einmal erleben. Dazu kommt der Kampf mit Friedrich um die Umgestaltung und Umstrukturierung des Kaufhauses, Miri kann oft einfach nicht mehr. Ihre Jugendliebe wird zum Rettungsanker und Ruhepol. Er kennt sie besser als jeder andere und weiß, was sie damals erlebt, wie sie sich gefühlt hat.
„Ein neuer Morgen“ ist so bunt und vielfältig wie die 70er. Brigitte Riebe bezieht die aktuelle Mode, Musik und Politik ein. Rut Brandt kauft ihre Kleider immer noch bei Miri, weil deren Modelle so frisch und unkonventionell sind, immer am Puls der Zeit; ein neuer Kanzler wird gewählt; Jimi Hendrix gibt ein Konzert, das nur 7 Titel dauerte (Dass das schon als Konzert zählt, hat mich echt überrascht).
Innerhalb der weitreichenden Familie Thalheim werden das politische Tagesgeschehen, die Studentenaufstände und Attentate auf Rudi Dutschke und Benno Ohnesorg heiß diskutiert und zum Teil live miterlebt. Außerdem muss man sich mit Themen wie freie Liebe, Kommune, Künstlerkolonie und Blumenkinder auseinandersetzen.
Ich habe mich gefreut, dass auch Friedrich Thalheims Herzenstochter Miri noch ihren eigenen Band bekommen hat und ich mehr über sie erfahren durfte. Jetzt schließe ich das Buch mit einem lachenden und einem weinenden Auge – die Ära der Thalheims ist zu Ende.