Die Arbeit ordnet die erkenntnistheoretische Position des Radikalen Konstruktivismus so in die Geistesgeschichte ein, daß deren Grundlagen und Argumentationsmuster als Antworten auf immer wiederkehrende philosophische Fragen und Probleme interpretiert werden. Konkreter ausgedrückt: Der Radikale Konstruktivismus wird als Psychologismus ausgelegt, wie ihn Edmund Husserl in seinen Prolegomena zur reinen Logik von 1900 dargestellt und kritisiert hat. Husserls Erörterungen erwiesen sich hierfür auch insofern als besonders geeignet, da er den Psychologismus in mehreren Varianten darstellt. So lassen sich Parallelen zu den verschiedenen Ausprägungen des Radikalen Konstruktivismus nachweisen. Zudem bietet Husserl auch in positiver Hinsicht eine ausgewogene Position im Vergleich zu den psychologistischen Einseitigkeiten. Es zeigt sich, daß viele Begründungsschemata im Radikalen Konstruktivismus über den Nachweis ihrer psychologistischen Provenienz unschwer in der philosophischen Tradition wiederzufinden sind. Dennoch ist es der Position gelungen, in verschiedenste Wissenschaften (Medizin, Philosophie, Geschichte, Literaturwissenschaft uvm.) als epistemologische Grundorientierung einzudringen. Ermöglicht wurde dieser Erfolg dadurch, daß der Radikale Konstruktivismus von relativ einfachen Prämissen ausgeht. Diese kulminieren in der These, daß das menschliche Gehirn in sich völlig geschlossen ist, also keinen Bezug zu einer Außenwelt hat.