Produktdetails
- Verlag: Diogenes Verlag
- ISBN-13: 9783257860832
- Artikelnr.: 39678371
»Martin Suter gilt als Meister einer eleganten Feder, die so fein geschliffen ist, dass man die Stiche oft erst hinterher spürt.« Monika Willer / Westfalenpost Westfalenpost
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.05.2002Schlag auf den Kopf
Martin Suter und sein Psychothriller "Ein perfekter Freund"
Doktor Vogel war ein Fleischberg mit Sinn für komische Untertöne. Als er Fabio die weich gefütterte Hand reichte, mußte er sich abwenden, damit ihm sein Leib nicht in den Weg kam: "Das ist mein Problem, und welches ist Ihres?" Leichtfüßig kommt die Sprache in Martin Suters jüngstem, im Diogenes Verlag erschienenen Roman "Ein perfekter Freund" daher und umtänzelt das düstere Thema einer Lebenskrise in ironischen Wendungen. Wie ist das, wenn man nach einem heftigen Schlag auf den Kopf erwacht und glaubt, noch derselbe zu sein, aber von der Umgebung als ein anderer wahrgenommen wird? In der Frankfurter Buchhandlung Carolus las der Schweizer Autor jetzt Auszüge aus seinem Buch, das im Laufe der Handlung die Züge eines spannenden Psychothrillers annimmt.
"Ein perfekter Freund" handelt nicht nur vom Schrecken des Gedächtnisverlusts, sondern lotet zugleich die Möglichkeiten verlorener Erinnerung aus. Auf diese Weise gerät die Suche nach der eigenen Identität zum ebenso reizvollen wie gefährlichen Spiel. "Seine Hand spürte das Gesicht, aber sein Gesicht spürte die Hand nicht." Es war vor allem der Geruch, der Fabio Rossi davon abhielt, die Augen zu öffnen. Es roch nach Krankenhaus, und die weibliche Stimme, die zu ihm durch das Dunkel drang, schien vom anderen Ufer eines Flusses zu kommen. Er liege wegen einer Kopfverletzung in der Neurochirurgie der Uniklinik, erklärte die Stimme der Nachtschwester: "Ein Schädel-Hirn-Trauma. Sie haben einen Schlag auf den Kopf erhalten." Langsam entfaltet sich das Geschehen der vergangenen Tage Blatt für Blatt wie eine Knospe.
Der dreiunddreißigjährige Journalist Fabio leidet unter einer posttraumatischen Amnesie, einem Blackout, der 50 Tage währt. Wer jene blonde junge Frau ist, die sich, eingehüllt in Blütenduft, täglich über ihn beugt und ihn küßt, vermag er nicht zu sagen. Daß sie seit geraumer Zeit seine Freundin sein soll, verblüfft Fabio, da er überzeugt ist, die Frau noch nie gesehen zu haben. Ebensowenig versteht er, warum sich seine Lebensgefährtin Norina weigert, mit ihm zu sprechen. Welche Rolle nimmt sein Freund und Kollege Lucas Jäger in dem verwirrenden Geflecht der Beziehungen ein? Und weshalb hat er vor der Kopfverletzung seinen Redakteursjob beim "Sonntag-Morgen" aufgegeben, zumal er doch angeblich an einer "ganz großen Sache" gearbeitet haben soll?
Suter ist ein raffinierter Fährtenleger, der seinen Helden Schritt für Schritt die verschwunden geglaubte Vergangenheit rekonstruieren läßt. Ein schwieriger, mit Rückschlägen gepflasterter Weg, der Fabio zu seinem Alter ego führt, dieses aber zugleich immer rätselhafter erscheinen läßt. Dabei mischen sich skurrile Einfälle in den aus knappen Dialogen und erzählenden Passagen komponierten Text. So etwa, wenn der dicke, im höchsten Falsett lachende Psychotherapeut Dr. Vogel seinem Patienten rät, die grauen Zellen mit Hilfe mentaler Bilder zu trainieren. Um sich den Namen Vogel zu merken, solle Fabio sich das Bild eines Nilpferdes machen. "Und der Vogel?" "Sitzt auf dem Kopf des Nilpferdes."
KATJA MÖHRLE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Martin Suter und sein Psychothriller "Ein perfekter Freund"
Doktor Vogel war ein Fleischberg mit Sinn für komische Untertöne. Als er Fabio die weich gefütterte Hand reichte, mußte er sich abwenden, damit ihm sein Leib nicht in den Weg kam: "Das ist mein Problem, und welches ist Ihres?" Leichtfüßig kommt die Sprache in Martin Suters jüngstem, im Diogenes Verlag erschienenen Roman "Ein perfekter Freund" daher und umtänzelt das düstere Thema einer Lebenskrise in ironischen Wendungen. Wie ist das, wenn man nach einem heftigen Schlag auf den Kopf erwacht und glaubt, noch derselbe zu sein, aber von der Umgebung als ein anderer wahrgenommen wird? In der Frankfurter Buchhandlung Carolus las der Schweizer Autor jetzt Auszüge aus seinem Buch, das im Laufe der Handlung die Züge eines spannenden Psychothrillers annimmt.
"Ein perfekter Freund" handelt nicht nur vom Schrecken des Gedächtnisverlusts, sondern lotet zugleich die Möglichkeiten verlorener Erinnerung aus. Auf diese Weise gerät die Suche nach der eigenen Identität zum ebenso reizvollen wie gefährlichen Spiel. "Seine Hand spürte das Gesicht, aber sein Gesicht spürte die Hand nicht." Es war vor allem der Geruch, der Fabio Rossi davon abhielt, die Augen zu öffnen. Es roch nach Krankenhaus, und die weibliche Stimme, die zu ihm durch das Dunkel drang, schien vom anderen Ufer eines Flusses zu kommen. Er liege wegen einer Kopfverletzung in der Neurochirurgie der Uniklinik, erklärte die Stimme der Nachtschwester: "Ein Schädel-Hirn-Trauma. Sie haben einen Schlag auf den Kopf erhalten." Langsam entfaltet sich das Geschehen der vergangenen Tage Blatt für Blatt wie eine Knospe.
Der dreiunddreißigjährige Journalist Fabio leidet unter einer posttraumatischen Amnesie, einem Blackout, der 50 Tage währt. Wer jene blonde junge Frau ist, die sich, eingehüllt in Blütenduft, täglich über ihn beugt und ihn küßt, vermag er nicht zu sagen. Daß sie seit geraumer Zeit seine Freundin sein soll, verblüfft Fabio, da er überzeugt ist, die Frau noch nie gesehen zu haben. Ebensowenig versteht er, warum sich seine Lebensgefährtin Norina weigert, mit ihm zu sprechen. Welche Rolle nimmt sein Freund und Kollege Lucas Jäger in dem verwirrenden Geflecht der Beziehungen ein? Und weshalb hat er vor der Kopfverletzung seinen Redakteursjob beim "Sonntag-Morgen" aufgegeben, zumal er doch angeblich an einer "ganz großen Sache" gearbeitet haben soll?
Suter ist ein raffinierter Fährtenleger, der seinen Helden Schritt für Schritt die verschwunden geglaubte Vergangenheit rekonstruieren läßt. Ein schwieriger, mit Rückschlägen gepflasterter Weg, der Fabio zu seinem Alter ego führt, dieses aber zugleich immer rätselhafter erscheinen läßt. Dabei mischen sich skurrile Einfälle in den aus knappen Dialogen und erzählenden Passagen komponierten Text. So etwa, wenn der dicke, im höchsten Falsett lachende Psychotherapeut Dr. Vogel seinem Patienten rät, die grauen Zellen mit Hilfe mentaler Bilder zu trainieren. Um sich den Namen Vogel zu merken, solle Fabio sich das Bild eines Nilpferdes machen. "Und der Vogel?" "Sitzt auf dem Kopf des Nilpferdes."
KATJA MÖHRLE
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