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Es war zu Mitte Februar, und es ging auf Mitternacht. In den stolzen Zeitungspalast nah der Wiener Ringstraße war endlich für kurze Weile ein Schweigen eingekehrt. Das rastlose Leben verstummte, das ihn sonst stoßweise doch heftig bewegt. Aus den Fenstern des zweiten Stockwerkes, in dem sich die Redaktion befindet, brach noch ein einsames Lampenlicht in die Nebel und auf die öde Straße. Auch das erlosch. Die elektrischen Bogenlampen über der Einfahrt gossen ihr weißes, fast schrilles Licht über ein harrendes Zweigespann aus. Auf dem Bocke saß der Kutscher mit nickendem Kopfe und bis zur…mehr

Produktbeschreibung
Es war zu Mitte Februar, und es ging auf Mitternacht. In den stolzen Zeitungspalast nah der Wiener Ringstraße war endlich für kurze Weile ein Schweigen eingekehrt. Das rastlose Leben verstummte, das ihn sonst stoßweise doch heftig bewegt. Aus den Fenstern des zweiten Stockwerkes, in dem sich die Redaktion befindet, brach noch ein einsames Lampenlicht in die Nebel und auf die öde Straße. Auch das erlosch. Die elektrischen Bogenlampen über der Einfahrt gossen ihr weißes, fast schrilles Licht über ein harrendes Zweigespann aus. Auf dem Bocke saß der Kutscher mit nickendem Kopfe und bis zur Unkenntlichkeit eingemummelt, um sich vor dem rastlosen Winde zu schützen, der taumelnd und irre über der Großstadt dahinfuhr. Das Haustor stand offen, aber nur selten huschte jemand hinein oder trat daraus. Wer dieses mußte, der verhielt ein Weilchen schaudernd und kurzatmig, eh' er in die Winternacht mit ihrem wehenden, formlosen und frostigen Brodem sich wagte. Wenige Schritte, und ihn hatte das Dunkel verschlungen. In der Nachtredaktion selbst brannten noch alle Lampen. Eben war der Metteur mit einem Stück Manuskript fortgegangen; nun stand das Blatt, und die Maschinen feierten, der letzten Nachrichten gewärtig, die ein spätes Telegramm oder ein säumiger Bote noch bringen konnten. In dem ziemlich großen Raume roch es muffig: nach Firniß, nach Öl und nach Druckerschwärze. Nur noch drei Personen waren darin anwesend. Der Nachtredakteur spielte zerstreut mit einer großen Schere; an einem Pulte saß im Frack ein Berichterstatter und feilte an seinem Ballbericht, den er offenbar gar nicht schön und farbig genug herausbekommen konnte. Endlich stand noch ein Mann, zum Fortgehen fertig, an einem Tischchen und überflog die jüngsten Depeschen, welche die Stunde gebracht hatte. Er sah dabei überlegt und überlegen aus, wie er so jedes Wort nach Wert und nach Gewichtigkeit abschätzte. Er war auch mit der letzten zu Ende gekommen; sorgfältig legte er das Blatt nieder und wandte sich zum Gehen. Da pochte es an die Türe: kräftig und dennoch ungleich, wie ängstlich. Der Schreibende sah auf; der Nachtredakteur klappte seine Schere hart zu. Die beiden blickten einander an, lächelten und sprachen in einem Atem: »Also ¿ der Bernhofer«...
Autorenporträt
Jakob Julius David wurde als Sohn eines wohlhabenden jüdischen deutschsprachigen Pächters in Mähren geboren. Die Familie übersiedelte bald nach Fulnek, wo der Vater starb. David wuchs in Söhle auf und besuchte die Gymnasien in Kremsier und Troppau. Hier erkrankte er 1873 schwer an Typhus, wodurch er in seinem Sehvermögen stark eingeschränkt wurde. Außerdem war er seither schwerhörig. Dennoch begann er 1877 in Wien mit dem Studium der Germanistik und Geschichte und nahm lebhaften Anteil am studentischen Leben der Hauptstadt. Da ihm aufgrund seiner Behinderung der Lehrberuf verwehrt war, arbeitete er zunächst als Hauslehrer und dann als Journalist. Jakob Julius David war als Redakteur und Journalist tätig, u. a. für die Wiener Mode, die Zeit, die Montagsrevue, die Wiener Allgemeine Zeitung, das Neue Wiener Journal und die Wiener Zeitung. Daneben war er freier Schriftsteller. Im Jahr 1889 erfolgte seine Promotion zum Doktor der Philosophie. Er wechselte vom Judentum zum Katholizismus, was aber keine große Bedeutung hatte, da er weiterhin in regem Kontakt zu jüdischen Persönlichkeiten stand und für jüdische Publikationen, wie die Österreichische Wochenschrift, philosemitische Artikel verfasste. 1891 heiratete David Juliane Ostruska, der Ehe entstammte eine Tochter. 1899 machte er eine ausgedehnte Italienreise. Jakob Julius David schloss sich der Freimaurerloge Zukunft an, für deren Zeitschrift Zirkel er Beiträge verfasste. 1905 erkrankte er an Bronchialkrebs und starb 1906 im Alter von 47 Jahren in Wien und ist auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 0, Reihe 1, Nummer 52) in einem Ehrengrab beerdigt.