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Der erste Roman Péter Esterházys, neben Harmonia Cælestis und Einführung in die schöne Literatur einer der drei Grundpfeiler seines Werks. Als er 1979 in Ungarn erschien, schlug er wie eine Bombe ein und erlangte "Kultstatus".
Ein Roman aus zwei Teilen. Teil I ist die grandiose Parodie eines Produktionsromans", jener Gattung, in der die Autoren der kommunistischen Hemisphäre gemäß der Doktrin des sozialistischen Realismus das Leben der Arbeiterklasse optimistisch widerzuspiegeln" hatten. Esterházy zeigt den Tagesablauf in einem mathematischen Institut, die Irrungen und Wirrungen des…mehr

Produktbeschreibung
Der erste Roman Péter Esterházys, neben Harmonia Cælestis und Einführung in die schöne Literatur einer der drei Grundpfeiler seines Werks. Als er 1979 in Ungarn erschien, schlug er wie eine Bombe ein und erlangte "Kultstatus".
Ein Roman aus zwei Teilen. Teil I ist die grandiose Parodie eines Produktionsromans", jener Gattung, in der die Autoren der kommunistischen Hemisphäre gemäß der Doktrin des sozialistischen Realismus das Leben der Arbeiterklasse optimistisch widerzuspiegeln" hatten. Esterházy zeigt den Tagesablauf in einem mathematischen Institut, die Irrungen und Wirrungen des Rechentechnikers Imre und seines Genossen Generaldirektor Gregory Peck, beide hin(und her-)gerissen von der blonden Sekretärin Marilyn Monroe. Aber jede Produktion, die der Titel verspricht, wird von der Papierflut überschwemmt, die die groteske Slapstick-Suche nach einer verloren gegangenen Studie auslöst.
Teil II heißt E.s Aufzeichnungen". Der Chronist Peter Eckermann (oder Péter Esterházy?) berichtet in Anmerkungen voller Verehrung und Respekt, aber hochvergnüglich über die Umstände, unter denen Teil I vom Meister" (Goethe?, Péter Esterházy?) geschrieben wurde, über dessen Privatleben - in Szenen von gnadenloser Alltäglichkeit, immer wieder unterbrochen von den Kommentaren des Meisters", seinen Reflexionen über den Roman. Nur scheinbar ein Anmerkungsteil, ist es in Wahrheit ein Produktionsroman" im Esterházy'schen Sinne, ein Roman über die Produktion eines Romans, die Keimzelle seiner späteren Themen und Schreibweisen und, zusammen mit den typo - graphischen Frechheiten und dem bischofsvioletten Umschlag (eine Reminiszenz an eine Jugend als Messdiener), ein Affront zu Zeiten der herrschenden Widerspiegelungstheorie", der Einbruch der Moderne in die ungarische Literatur.
Nach dem Erscheinen des Produktionsromans" 1979 gab es dort nur noch ein Davor" und Danach", und in der Weltliteratur hatte er nur einen Vorläufer: Nabokovs Fahles Feuer.
Autorenporträt
Esterházy, Péter
Péter Esterházy wurde 1950 in Budapest geboren, wo er auch heute lebt, seit 1978 als freier Schriftsteller. Für seinen Roman »Harmonia Cælestis« (BV 2001; BvT 2003) erhielt er unter anderem den Ungarischen Literaturpreis und den Grinzane-Cavour-Preis. 2004 wurde er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2010

Flanke Eckermann, Kopfball Esterházy

Was, bitte, ist ein Produktionsroman? Eine Zumutung der sozialistischen Literatur. Und eine raffinierte postmoderne Posse von Péter Esterházy.

Von Hubert Spiegel

Dieses Buch kann einen die kindliche Tugend lehren, sich an schönen Dingen auch dann zu erfreuen, wenn man sie nicht so ganz versteht. Das beginnt schon mit dem Titel: "Ein Produktionsroman (Zwei Produktionsromane)". Was, bitte schön, ist eigentlich ein "Produktionsroman"? Und warum erscheint das Buch diesen Titels, das der große europäische Autor Péter Esterházy bereits 1979 in seiner ungarischen Heimat veröffentlichte, erst jetzt in einer deutschen Übersetzung? Weil es unübersetzbar, hiesigen Lesern unverständlich oder vergleichsweise unwichtig für Esterházys Gesamtwerk wäre?

Der deutsche Verlag zählt den Roman, es ist Esterházys zweiter, zusammen mit "Einführung in die schöne Literatur" (1986; deutsch 2006) und "Harmonia Caelestis" (2000; deutsch 2001) zu den "Grundpfeilern" von Esterházys Werk, und Kindlers Literatur Lexikon sieht darin einen "ganzen sozialen Kosmos und ein differenziertes Bild Ungarns in den siebziger Jahren" gespiegelt. Unwichtig kann das Buch also nicht sein. Unübersetzbar? Terézia Moras Übertragung liest sich fabelhaft, ein Sprachkunstwerk eigenen Rechts, und nur wer des Ungarischen mächtig wäre, könnte das Ausmaß der Kongenialität genauer bestimmen. Bleibt noch die Verständlichkeit.

Im Nachschlagewerk findet sich zwar der Priesterroman und der Professorenroman, aber kein Produktionsroman. Man muss schon in die Vergangenheit und hinter den Eisernen Vorhang blicken, wenn man wissen will, dass der Produktionsroman als Gattung ein Sprössling des Sozialistischen Realismus war, der die positive Darstellung des Aufbaus neuer Industrieanlagen zum Zweck hatte. Der technische Fortschritt im Sozialismus, aber auch der Wiederaufbau der durch Kriegsschäden oder anschließende Demontage ruinierten Industriebetriebe sollten in den Romanen gleichermaßen dargestellt und glorifiziert werden.

Der Produktionsroman war ein von Staat und Partei verordnetes literarisches Genre und wie die sozialistische Kulturpolitik überhaupt ein Mittel zur Durchsetzung ideologischer Ziele. Walter Ulbricht erklärte auf der zweiten Bitterfelder Konferenz 1964 recht unverblümt: "Leiten und Anleiten sind eine große Kunst. Man muss sie beherrschen. Von ihrer Qualität hängt die Wirkung der praktischen Kulturpolitik ab." Dass mit "Leiten und Anleiten" recht eigentlich Vorschreiben und Zensieren gemeint waren, zeigte die kulturpolitische Praxis.

Was die Schriftsteller davon hielten, hatte Brecht bereits elf Jahre zuvor beschrieben, als er beklagte, dass Parteifunktionäre den Künstlern ihr "großes Gedankengut" aufdrängen würden wie "sauer Bier": "Es mag für administrative Zwecke und mit Rücksicht auf die Beamten, die für Administration zur Verfügung stehen, einfacher sein, ganz bestimmte Schemata für Kunstwerke aufzustellen. Dann haben die Künstler ,lediglich' ihre Gedanken (oder die der Administration?) in die gegebene Form zu bringen, damit alles ,in Ordnung' ist. Aber der Schrei nach Lebendigem ist dann ein Schrei nach Lebendigem für Särge. Die Kunst hat ihre eigenen Ordnungen."

Solche Sätze konnte sich damals, 1953, allenfalls ein Brecht leisten, und erst Ende der siebziger Jahre wurden Stimmen laut, die auszusprechen wagten, dass "unerwartete künstlerische Entdeckungen", wie ein bulgarischer Literaturkritiker es vorsichtig formulierte, die Theorie des Sozialistischen Realismus vor die Notwendigkeit stellen könnte, "einige ihrer Positionen kritisch neu zu bewerten".

Das war die literarische Tradition, in die Esterházy 1979 mit seinem Roman hineingrätschte wie ein wildgewordener Mittelstürmer. Seine höhnische, mit allen Wassern der literarischen Postmoderne gewaschene Parodie auf den Produktionsroman holzte dem alten Genre in die morsch gewordenen Knochen, dass es nur so krachte. Es war dieses Krachen, das Esterházy berühmt machte. Seitdem gilt er als Erneuerer der ungarischen Literatur.

Der erste Teil des Romans spielt genretypisch in einem Industriebetrieb, einem Rechenzentrum mit jungen Technikern, die mit starken Händen ihre Waffe, "das Terminal", halten und sich sorgenvoll über Zeilendrucker und Lochstreifen beugen sollten. Denn "die Dossiers und Mappen sollen sich füllen, die Daten sollen sich ergießen in alle Ecken und Enden des im Aufbau befindlichen, erstarkenden Vaterlands". Aber die Angestellten bauen keineswegs den Sozialismus auf, sondern verbringen ihre Zeit mit Intrigen, Eifersüchteleien und Konkurrenzkämpfen. Esterházy beschreibt bizarre Sitzungen, nennt probate Mittel zur Bekämpfung eines Schädlings mit dem schönen Namen "Rübenderbrüssler" und füllt ein ganzes Kapitel mit der grandiosen Darstellung einer Angestelltenphantasie vom Karrieresprung: "Wenn ich Chef wäre ..." Dann folgt die endlose Litanei: hätte ich recht, würde ich klauen, betrügen, lügen; würde man mir Luft zufächeln; würde meine eine Hand meine andere waschen. So geht es fast vierzehn Seiten lang. Am Ende des ersten Romanteils begräbt eine ungeheure Papierlawine, die bei der Suche nach einer ominösen Studie versehentlich ausgelöst wird, das ganze Institut sintflutartig unter sich.

Johannes R. Becher definierte den Schriftsteller als "kollektives Wesen", Esterházy erfindet sich in seinem Roman als postmodernes Personenkollektiv, als multiple Persönlichkeit. Der Rechentechniker Imre Tomcsányi, die Hauptfigur des ersten Teils, entpuppt sich in der zweiten, ungleich umfangreicheren Romanhälfte als Erfindung und Alter Ego des Schriftstellers Péter Esterházy, der selbst als Rechentechniker in einem mathematischen Institut in Budapest arbeitete und dessen Leben als fußballverrückter "Meister" von einem weiteren "P. E." beschrieben wird, hinter dem sich sowohl Péter Esterházy wie Peter Eckermann, Goethes getreuer Chronist, verbergen. Dieser zweite Produktionsroman schildert also auf ausufernde Weise die Entstehungsbedingungen des ersten Produktionsromans, mit dem er auf vielfältige Weise verknüpft ist: durch Anmerkungen, einzelne Sätze, die in beiden Teilen vorkommen, oder parallele Handlungselemente.

Unmöglich, allen Anspielungen zu folgen, alle Zitate zu erkennen, alle Pointen, Finten und Finessen dieser quecksilbrigen Prosa zu erfassen, die unablässig in Bewegung ist, die Tonarten und Register wechselt, sich in ungezählten Parodien ergeht und immer wieder eintaucht in drei große Themenfelder, die Esterházy nie voneinander abgrenzt, sondern unaufhörlich miteinander vermengt. Es sind dies die ungarische Geschichte, die Geschichte seiner Familie, der Grafen Esterházy, sowie: der Fußball.

Nichts, kein Thema, keine Person, kein Ereignis ist denkbar, dass sich nicht umstandslos mit dem Fußball in Verbindung bringen ließe. So wie das uralte Geschlecht der Esterházys allgegenwärtig seine Bücher durchwandert, erscheint auch der Fußball bei Péter Esterházy geradezu als überzeitliches Phänomen: Er war immer da, er wird immer da sein, und wahrscheinlich ist das Fußballspiel auch der wahre Grund, weshalb die Erde rund ist und keine Scheibe. Sie ist das Spielfeld ohne Außenlinie. Deshalb hört das Spiel auch nie auf, es geht immer weiter, in der Umkleidekabine, auf den Straßen (durch die der Meister zu reiten pflegt), zu Hause, beim Essen, bei der Liebe, im Schlaf.

Und was immer der Fußballspieler und Schriftsteller Péter Esterházy tut, ob er nach dem Spiel unter die Dusche geht oder mit dem Drucker die Farbe des künftigen Buchumschlags bespricht, stets ist er als sein eigener Eckermann bestrebt, des Meisters Weisheiten für die Nachwelt zu bewahren: "Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, doch der Umschlag!, der ist bischofsviolett!."

Neunundzwanzig Jahre alt war Péter Esterházy, als er dem sozialistischen Realismus die tödliche Nase seiner "Produktionsromane" drehte, die literarische Moderne in Ungarn einläutete und sich auf James Joyce weniger berief, als dass er ihn zu sich auf jenes Podest holte, das er sich mit seinem Roman selbst gezimmert hatte. Auch Goethe wurde einbestellt, zu ironischen Übertrumpfungszwecken: Denn was kann schon ein Dichter taugen, der nicht eine Zeile über Fußball geschrieben hat?

Péter Esterházy: "Ein Produktionsroman. (Zwei Produktionsromane)". Aus dem Ungarischen von Terézia Mora. Berlin Verlag, Berlin 2010. 538 S., geb., 36,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Wenn Sie Peter Esterhazy nicht verstehen, befinden Sie sich in guter Gesellschaft: Seine Mutter hat Schwierigkeiten damit, Peter Nadas findet ihn "vertrickst" und Miklos Meszöly ärgerte sich über die "Szenesprache". Auch Rezensent Andreas Isenschmid hat Probleme. Und doch! Seine Besprechung ist eine einzige Werbung dafür, den Versuch zu wagen. Esterhazy trainiert den Gehirnmuskel wie kein anderer, verspricht der Rezensent. "Ein Produktionsroman" erschien in Ungarn 1979 und machte den Autor auf der Stelle berühmt. Die Ungarn liebten dieses Buch, das den Irrsinn der sozialistischen Bürokratie mit den vertracktesten Wortspielen und Anekdoten aufs Korn nahm, erzählt Isenschmid. Esterhazy wollte keine Gesinnungsliteratur schreiben, sondern das System mit ästhetischen Mitteln entlarven. Und das scheint ihm laut Rezensent bestens gelungen zu sein. Übersetzerin und Autorin Terezia Mora hat im Deutschen daran nicht unerheblichen Anteil und ein "fettes Sonderlob" geht an den Berlin Verlag, der den deutschen Lesern die drei Hauptromane Esterhazys zugänglich gemacht hat.

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