Ein ruhiges Buch zum Thema Schreiborte finden als Frau:
Die norwegische Schriftstellerin Kristin Valla ist Anfang 40, verheiratet und Mutter von zwei Söhnen im Teenageralter, als ihr bewusst wird, wie lange sie schon keine Bücher mehr veröffentlicht hat, sondern stattdessen journalistisch tätig
war: seit über zehn Jahren. Sie möchte unbedingt wieder Romane veröffentlichen, weiß aber nicht, wo…mehrEin ruhiges Buch zum Thema Schreiborte finden als Frau:
Die norwegische Schriftstellerin Kristin Valla ist Anfang 40, verheiratet und Mutter von zwei Söhnen im Teenageralter, als ihr bewusst wird, wie lange sie schon keine Bücher mehr veröffentlicht hat, sondern stattdessen journalistisch tätig war: seit über zehn Jahren. Sie möchte unbedingt wieder Romane veröffentlichen, weiß aber nicht, wo sie dafür in ihrem Leben einen guten Platz finden kann, sowohl räumlich als auch mental.
Inspiriert von dem bekannten Text "A room of one's own" von Virginia Woolf, in dem diese die Wichtigkeit eines eigenen Zimmers und ausreichender finanzieller Mittel für schriftstellerisch tätige Frauen betont, begibt die Autorin sich auf eine Suche.
Sie sucht nach einem Ort zum Schreiben für sich ganz alleine. Gleichzeitig spürt sie auch der Verbindung zwischen weiblichem Schreiben und den Orten, an denen dies geschieht, nach: sie geht in Archive und beschäftigt sich mit den Lebensgeschichten bekannter Schriftstellerinnen und mit der Frage, ob und welche eigenen Orte zum Schreiben sie für sich finden konnten und wie sich ihre Lebensumstände auf ihr Werk ausgewirkt haben.
Dabei beschäftigt sie sich sowohl mit Schriftstellerinnen aus dem skandinavischen Raum wie Selma Lagerlöf oder Halldis Moren Vesaas als auch mit solchen aus anderen Regionen wie George Sand, Alice Walker oder Daphne Du Maurier.
Wir begleiten die Autorin in diesem autofiktionalen Buch mit Sachbuchelementen auf ihrer persönlichen Reise auf der Suche nach einem Haus für sich alleine in Südfrankreich.
Tatsächlich wird sie fündig und erwirbt ein altes, baufälliges, schimmliges Haus in einem kleinen französischen Bergdorf, einige Kilometer vom Meer entfernt. Denn nur dieses kann sie sich leisten, und auch dafür braucht sie einen Kredit, den sie voraussichtlich 25 Jahre abzahlen wird und den ihr die Bank nur gewährt, da sie auf den Papieren das Haus gemeinsam mit ihrem, offenbar sehr gutmütigen und unterstützenden, Mann kauft (sie selbst verfügt mangels verlässlicher hoher Einkünfte über keine gute Bonität), dieser auch für den Kredit bürgt und das gemeinsame Haus in Norwegen dafür belastet wird. Regelmäßig fliegt sie also aus dem hohen Norden nach Südfrankreich, um ihr Haus zu bewohnen und zu versuchen, dieses zu sanieren bzw. sanieren zu lassen, fast immer alleine, nur ganz selten wird sie mal im Sommer von Mann und Söhnen begleitet. In welcher Weise sich ihre regelmäßige wochenlange Abwesenheit und die damit verbundenen Aufwände und Kosten auf das Familienleben auswirken, erfahren wir nicht.
Aufgelockert wird diese persönliche Geschichte durch für mich sehr interessante Hintergrundinformationen zu anderen Schriftstellerinnen und deren Umgang mit Immobilien und mit dem Raum für sich. Da gibt es solche, die sehr privilegiert waren und eigene Immobilien geerbt haben, andere haben nach ersten Erfolgen mit den durch das Schreiben erzielten Einnahmen Häuser erwerben können (das müssen Zeiten gewesen sein, in denen die Verhältnisse zwischen Einnahmen durchs Schreiben und Immobilienpreisen in guten Lagen noch ganz andere waren als heutzutage), manche hatten jahrzehntelang kaum einen eigenen Raum zum Schreiben und schrieben am Küchentisch, am Wickeltisch, neben der Kinderbetreuung.
Über dieses tatsächlich sehr interessante und wichtige Thema der Vereinbarkeit nicht nur von Beruf, sondern auch, wie in diesem Fall, von Berufung und Selbstverwirklichung, mit den Anforderungen einer Partnerschaft und einer eigenen Familie, hätte ich sehr gerne auch in Bezug auf die Autorin noch mehr erfahren. Auch war für mich der persönliche Teil, in dem es über viele Seiten in das Haus in Frankreich reinregnet, alles schimmlig ist, es ungut riecht, die Decke halb einstürzt, die Handwerker Verwüstung hinterlassen und die Autorin dennoch immer wieder alleine dort hinfährt - auch wenn sie am Ende einräumt, durch das Projekt zwar wieder zum Schreiben gekommen zu sein, ihren neuen Roman aber letztendlich erst recht daheim in Norwegen geschrieben zu haben - streckenweise etwas langatmig zu lesen, hier gab es kaum Entwicklung und Spannungsbögen, somit überwiegt deutlich der Sachbuchaspekt.
Dennoch insgesamt ein lesenswertes Buch für alle, die sich für die Lebenswege verschiedener Autorinnen und die Räume, die sie für sich zum Schreiben gefunden haben, interessieren.