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La Chine en folie, 1925: China-Reise. Londres, mittlerweile ein großer Reporter, reist quer durch den chinesischen Bürgerkrieg: Zerrüttung und Grauen, große und kleine Räuber, Tschangtsolin und Kulis und vor allem Shanghai, die Kapitale des internationalen Jobbertums: »Es gibt Städte, wo man Kanonen macht oder Stoffe oder Schinken. In Shanghai macht man Geld.« Er schreibt heitere, unabhängige und autoritätenverachtende Reportagen, er schildert die Kapriolen der Korruption und ist dabei stets sozialkritisch und investigativ. »Der ewige Jude am Ziel«: 1929 reist Frankreichs mittlerweile…mehr

Produktbeschreibung
La Chine en folie, 1925: China-Reise. Londres, mittlerweile ein großer Reporter, reist quer durch den chinesischen Bürgerkrieg: Zerrüttung und Grauen, große und kleine Räuber, Tschangtsolin und Kulis und vor allem Shanghai, die Kapitale des internationalen Jobbertums: »Es gibt Städte, wo man Kanonen macht oder Stoffe oder Schinken. In Shanghai macht man Geld.« Er schreibt heitere, unabhängige und autoritätenverachtende Reportagen, er schildert die Kapriolen der Korruption und ist dabei stets sozialkritisch und investigativ. »Der ewige Jude am Ziel«: 1929 reist Frankreichs mittlerweile bekanntester Reporter über London und Prag in die Karpaten und weiter via Czernowitz, Lemberg und Warschau nach Palästina, um seinen Landsleuten die Lage der Juden zu schildern. Das Buch ist ein Überblick über die soziale Position des Judentums, gesehen mit den Augen eines genialen Journalisten. Es zeigt einen Ausschnitt der sozialen und moralischen Judennot in einer Fülle erlebter und gesehenerTatsachen und die Möglichkeit einer Lösung durch die Besiedlung Palästinas. Es ist die letzte Momentaufnahme der osteuropäischen Juden vor dem Massenmord. Unter dem Titel Ahasver ist angekommen. Eine Reise zu den Juden im Jahre 1929 ist dieser Band 1998 bei DTV erschienen und seit einiger Zeit vergriffen. Pêcheurs de Perls, 1931: Reise durch Djibouti, Dschidda (Saudi-Arabien), das Rote Meer, Zeila, Aden, Dubai und Bahrain und das Horn von Afrika: Die Zusammenstellung von Reportagen stellen ein ungemein wichtiges journalistisches und historisches Zeitdokument dar und sind in Londres typisch ungeschminkten, schonungslosen, doch menschenliebenden Ton geschrieben sind und werden hier erstmals in Deutsche übersetzt.

Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Von Albert Londres' (1884-1932) Ruhm zeugt in Frankreich bis heute der nach ihm benannte Journalismuspreis, der renommierteste des Landes, der alljährlich für die beste Reportage vergeben wird. In der Anderen Bibliothek erschien von ihm: Ein Reporter und nichts als das (Band 348).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hymnisch bespricht Rezensent Hubert Spiegel den unter dem Titel "Ein Reporter und nichts als das" herausgegebenen Band mit Reportagen des Starjournalisten Albert Londres. In den Berichten, etwa über Londres' Begegnung mit Gandhi, Nehru und Tagore oder über seine Reisen nach Serbien, Griechenland, in die Türkei oder die Sowjetunion entdeckt der Kritiker einmal mehr, den feinsinnigen, stilistisch brillanten und zugleich selbstbewussten, im besten Sinne des Wortes "respektlosen" Reporter, der noch heute seinesgleichen sucht. Neben Londres' Reportagen über seinen Aufenthalt in China, ist der Rezensent vor allem fasziniert von den Eindrücken und weitsichtigen Prognosen, die der Reporter nach seinem Besuch in Palästina niederschreibt. Auch mit Marko Martins Nachwort, dass ihm interessante Einblicke in das Leben dieses eigensinnigen Menschen gewährt, ist der Kritiker äußerst zufrieden.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.01.2014

Der Mann, der seinen Reisekoffer liebte
Eine fabelhafte Wiederentdeckung: Albert Londres, Frankreichs eigenwilliger Starreporter der zwanziger Jahre

Der Reporter trifft die Entscheidung, welches Land er als nächstes bereisen wird, wie andere Leute ein Restaurant aussuchen: nach Laune und Geschmack. Balkan? Leergeschrieben. Die damals noch junge Sowjetunion? Abgehakt. Die Türkei? Einerseits ja, andererseits nein. Spanien? Langweilig, da müsste schon König Alfonso XIII. ermordet werden, damit die Sache interessant wird. Man merkt, der Mann ist abgebrüht.

Allerdings gibt es auch noch strategische Überlegungen und - nicht zu unterschätzen - die unausgesprochenen Vorgaben seiner Redaktion. Der Krieg der Ölfrachter vor Mexikos Küste? Zu heiß für eine große Zeitung. Eine Reportage über Rumschmuggler im Amerika der Prohibitionszeit? Das hätte man ihm nicht gestattet. Wie wäre es mit Palästina? "Dann hat man, sobald die Artikel erscheinen, all diese einflussreichen Juden am Redaktionstelefon." Der Satz hat einen hässlichen Beigeschmack.

Man könnte meinen, die Welt wäre zu klein und zu langweilig für diesen Reporter. Aber daheimbleiben kann er auch nicht. Denn er hat kein Heim. Er lebt aus dem Koffer, den er so sehr liebt, dass er sogar mit ihm spricht. Sein Koffer versteht ihn. Beide teilen dasselbe Laster: Sie sind "abhängig von Schlafwagen und Passagierdampfern", sie reisen "wie andere Opium rauchen oder Kokain schnupfen". Wohin soll es nun also gehen? Nach China.

Albert Londres, nach dem der angesehenste französische Journalistenpreis für Reportagen benannt ist, begann seine Karriere im Jahr 1906 beim "Matin". Berühmt wurde er durch seinen Bericht über die Beschießung der Kathedrale von Reims zu Beginn des Ersten Weltkriegs, dessen Schlachtfelder er später in Serbien, Griechenland, der Türkei und Albanien besucht. Im Jahr 1920 bereist er die Sowjetunion, zwei Jahre später Asien. In Indien begegnet er Gandhi, Nehru und Tagore, in der Heimat schreibt er 1924, da ist er längst ein hochdotierter Starjournalist, über die Tour de France, die damals schon ihre Doping-Fälle hatte. Seine letzte veröffentlichte Reportage galt makedonischen Nationalisten. Londres war an Bord, als 1932 der Luxusdampfer "Georges Philippar" im Golf von Aden unter nie geklärten Umständen in Brand geriet. Der Mann, der nie etwas anderes sein wollte als Reporter, gehörte zu den 54 Todesopfern des mysteriösen Schiffsunglücks. Ein Jahr nach seinem Tod wurde in Paris erstmals der "Prix Albert Londres" vergeben.

Londres war ein Reporter, wie es ihn heute nicht mehr gibt und auch nicht geben kann: ein feinfühliger Berserker, ausgestattet mit einem Selbstbewusstsein, als verkörpere er die gesamte Weltpresse, so großspurig und respektlos, dass er sich weder vor blutrünstigen chinesischen Generälen fürchtete noch vor der Geschwindigkeit, mit der er seine scharf und vernichtend formulierten Urteile fällte. Einer, der seine Themen und Reiseziele weitgehend selbst bestimmte, oft viele Monate lang unterwegs war und sich ins Getümmel stürzte, weil er nur dort den Überblick behielt. Kein mickriger Neider, der auf den Dichterlorbeer der Belletristen schielte, sondern einer, der sich selbst krönte. Ein Stilist. Ein Macho, der, wie Marko Martin in seinem Nachwort berichtet, handgeschriebene Spesenquittungen einreichte, auf denen er kaltschnäuzig notiert hatte: "Sie war blond: 400 Francs" oder "Man ist nicht aus Holz: 600 Francs". Wer so viel sieht, wie Londres gesehen hat, muss die Kunst beherrschen, sich selbst unsichtbar machen zu können, wann immer es ihm beliebt, und gleichzeitig auftreten können wie ein Großmogul, wenn es nötig ist.

In China wird jeder Europäer behandelt wie ein Großmogul - von den Lakaien. Und er wird behandelt wie eine Schmeißfliege. Von den Mächtigen. Londres schildert das chinesische Chaos der zwanziger Jahre im steten Wechsel der dramaturgischen Mittel: Er schreibt szenisch und dialogisch, malt Begegnungen genüsslich in allen Details aus, lässt eine junge Russin, der er zufällig in seinem Hotel begegnet, ihr Schicksal seitenlang in der Ich-Form schildern, nachdem er kurz zuvor ins Stakkato verfallen war: "China: Chaos, Verspottung der Menschenrechte, Plünderungen, Brandschatzungen, Vergewaltigungen. Ein Grund: das Geld. Ein Ziel: das Gold. Ein Abgott: der Reichtum." Genauso bündig beschreibt er die von Gier vorwärtsgepeitschten Akteure auf dieser Bühne: "Salzsteuer, Gebühren, Steuern, alle Einnahmen sind für die Generäle. Packte man einen von ihnen, nachdem er seine Runde gemacht hat und seine Taschen überquellen, und äscherte man ihn dann ein, so würde der Ofen keine Asche ausspucken, sondern geschmolzenes Metall. Aus seinen Überresten könnte man eine Glocke gießen."

Sieben Jahre später, Londres steht auf dem Gipfelpunkt seines Ruhms, hat er keine Angst mehr vor den Anrufen einflussreicher Juden. Er unternimmt eine ausgedehnte Reise nach Mitteleuropa und Palästina. "Ahasver ist angekommen" erschien 1929 in Frankreich und bildet nun den Mittelteil des Bandes, mit dem die Andere Bibliothek Albert Londres ins Leserbewusstsein zurückholen wird. Es ist ein Text, der allen Befürchtungen, den die saloppe Bemerkung über jüdische Einflussnahme auslösen könnte, zuwiderläuft.

Denn sein Bericht zeigt, dass Londres sich nicht nur gründlich mit dem Judentum und seiner Geschichte beschäftigt hat, sondern dass er nachvollziehen kann, was Palästina den Juden bedeuten muss: die Freiheit, die auch der Reporter auf all seinen Reisen gesucht hat. In Tel Aviv, so schreibt er fast schon euphorisch, überrasche ihn lediglich, dass nicht alle Passanten "wie angewurzelt auf dem Gehsteig stehen und mit offenem Mund die Freiheit trinken". Dass Londres dennoch klar erkannt hat, dass Palästina ein langer Konflikt bevorstand, ist nur eine von vielen überraschenden Einsichten dieses großartigen Journalisten. Es gibt viele Gründe, Albert Londres wiederzuentdecken. Und alle sind gut.

HUBERT SPIEGEL

Albert Londres: "Ein Reporter und nichts als das". Aus dem Französischen übersetzt von Petra Bail und Dirk Hemjeoltmanns. Die Andere Bibliothek, Berlin 2013. 460 S., geb., 38,- [Euro].

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