OSLO 1968. Es herrscht Aufbruchsstimmung, von überall her ist der Klang von Freiheit zu hören. Es gibt politische Diskussionen, Proteste gegen den Vietnamkrieg, sexuelle Freiheiten werden ausgetestet, Büstenhalter brennen. Agathe meldet sich kurz vor dem Abitur von ihrem konservativen Gymnasium ab, um im neu gegründeten Versuchsgymnasium die freie Atmosphäre von Summerhill atmen zu können. Alles könnte gut sein, wenn sie in der eigenen Familie nicht immer vor neue Rätsel gestellt würde. Die Mutter will Agathe und ihren Bruder nicht mehr sehen, der Vater ist gar nicht der richtige Vater, und der kleine Bruder macht sich auf eine ganz eigene Reise.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Toril Brekkes Coming-of-Age-Roman ist realistisch auf besondere Weise, stellt Rezensentin Katharina Granzin bewundernd fest - in seinem Verhältnis nämlich von sichtbaren Prozessen und unsichtbaren Strömungen. Vordergründig scheint alles seinen gewöhnlichen, meist positiven Gang zu gehen: Die 18-Jährige Agathe, die aufgrund des Verschwindens ihrer Mutter früh sehr viel Verantwortung übernehmen musste, löst die Stricke zu ihrem zerrütteten Elternhaus und lernt eine neue Freiheit kennen und genießen, lesen wir. Unter dieser täuschend leicht gewebten Oberfläche jedoch, sind "dunkle, divergierende Kräfte am Werk", die zwischen den Zeilen sichtbar werden: Auch in dieser neuen Freiheit gibt es Zwänge und ungleiche Machtverhältnisse, vor allem zwischen den Geschlechtern, wie Agathe erfahren muss. Diese Ambivalenz ist die besondere Qualität des Romans, findet Granzin, sie wird zum großen Teil getragen durch die Erzählstimme und ihre Perspektive: Zwischen dem erzählenden und dem erzählten Ich gibt es eine Distanz, die es erlaubt, sich einzufühlen in die junge Heldin und doch nie die untergründigen Strömungen, die ihre Bewegungen beeinflussen, aus dem Blick zu verlieren, so die begeisterte Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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